Reste des durch Russland abgeschossenen Passagierflugzeugs MH17 in der Ostukraine. (Bild: Imago/Russian Look/Interpress)
MH17

Russland schoss 298 Menschen vom Himmel

Vier Jahre nach dem Abschuss des Passagierflugs MH17 über der Ostukraine haben die Ermittler die Täter überführt: Das russische Militär. Damit bestätigt sich kurz vor der Fußball-WM: Russland ist verantwortlich für 298 Opfer.

Nun ist klar: Der Gastgeber der kommenden Fußball-WM, Russland, ist verantwortlich für den Tod von 298 Menschen beim Abschuss des Passagierflugs MH17 über der Ostukraine. Alles Abstreiten der russischen Regierung, die der Ukraine die Schuld in die Schuhe schieben wollte, war vergebens, die Beweislage ist eindeutig.

Das Flugabwehrsystem vom Typ Buk gehörte zu Beständen der 53. Flugabwehr-Brigade der Russischen Föderation, stationiert in Kursk.

Wilbur Paulissen, internationaler Chefermittler

So ist nach dem Abschlussbericht des internationalen Ermittlerteams JIT offenbar auch klar, dass es keine von Russland unterstützten „ostukrainischen Rebellen“ waren, die die Buk-Rakete auf das Flugzeug abfeuerten, sondern reguläre russische Truppen. Damit ist auch der Nachweis geführt, dass russische Truppen in der Ostukraine im Einsatz waren.

Russisches Militär in der Ukraine

Vier Jahre nach dem Abschuss konzentrieren sich die Ermittlungen nun vollends auf das russische Militär. Die Rakete, mit der die Boeing abgeschossen worden war, stammte nach Angaben des Ermittlerteams von der russischen Armee. „Das Flugabwehrsystem vom Typ Buk gehörte zu Beständen der 53. Flugabwehr-Brigade der Russischen Föderation, stationiert in Kursk“, sagte der niederländische Chefermittler Wilbur Paulissen. Fotos, Videos und Zeugenaussagen würden das belegen.

Das Team hat mittels der in Russland üblichen Dash-Kameras vieler privater Pkw, die oft ihre Aufnahmen ins Internet stellen, beinahe lückenlos die Fahrt des eingesetzten Militärfahrzeugs nachvollziehen können. Auch Fotos aus den sozialen Netzwerken wurden dabei ausgewertet. Am 23. Juni 2014 war ein Militärkonvoi aus Kursk Richtung Ukraine abgefahren, darunter das Fahrzeug mit dem Buk-System. Es habe charakteristische einzigartige Kennzeichen und sei dadurch „zweifelsfrei identifiziert“ worden. Chefermittler Paulissen sprach von einem „Fingerabdruck“, das jedes Flugabwehrsystem besitze.

Abschuss von 298 Menschen

Die Maschine der Malaysia Airlines war am 17. Juli 2014 auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur über der Ostukraine abgeschossen worden. Die Rakete explodierte in gut zehn Kilometer Höhe, neben der zivilen Boeing. Tausende kleine Metallteile durchbohrten sich von außen in die Maschine. Dann stürzte sie ab. Alle 298 Menschen an Bord kamen ums Leben; die meisten kamen aus den Niederlanden. Die Ermittler hatten bereits 2016 festgestellt, dass das Buk-Raketensystem aus Russland in das von pro-russischen Rebellen kontrollierte Gebiet transportiert und später nach Russland zurückgebracht worden war. Sie konnten auch bis auf den Quadratmeter genau die Stelle anweisen, von der aus am 17. Juli 2014 die Rakete abgefeuert worden war: ein Feld bei Perwomajske im Gebiet der pro-russischen Rebellen.

Wir kommen den Verantwortlichen immer näher.

Fred Westerbeke, Staatsanwalt

Der Kreis der Verdächtigen habe sich auf ein paar Dutzend reduziert, sagte nun der leitende Staatsanwalt Fred Westerbeke. „Wir untersuchen nun gezielt, inwieweit die betreffende Brigade selbst aktiv am Abschuss der Maschine beteiligt war.“ Denn das komplizierte Waffensystem konnte nur von daran ausgebildeten Truppen zielgenau abgefeuert werden. Namen von Verdächtigen wurden bewusst nicht genannt. „Das kann den Ermittlungen schaden“, sagte Paulissen. Erneut riefen die Ermittler die Öffentlichkeit zur Mithilfe auf. So wollen sie wissen, wer zu der Mannschaft des Buk-Systems gehörte, wer ihr Kommando hatte und mit welchem Befehl sie in die Ukraine gezogen war. Staatsanwalt Westerbeke sprach von großen Fortschritten. „Wir kommen jetzt in die letzte Phase und kommen den Verantwortlichen immer näher.“

Russland streitet immer noch alles ab

Das russische Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe entschieden zurück. Das russische Außenministerium nannte die Vorwürfe bedauerlich. Sie hätten lediglich den Zweck, Russland in den Augen der internationalen Gemeinschaft zu diskreditieren. Es gebe keine eindeutigen Beweise, die Ermittlungen seien einseitig, kritisierte das Ministerium. Die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine wiesen die Vorwürfe ebenfalls zurück. Sie hätten keine russischen Buk-Systeme gehabt, sagte ihr Sprecher Eduard Bassurin.

Das Ermittlerteam klagte indes über mangelnde Kooperation Russlands. An dem internationalen Team unter niederländischer Leitung beteiligen sich auch Malaysia, Australien, Belgien und die Ukraine. Täglich arbeiteten 100 bis 200 Kriminalbeamte an diesem Fall, seit rund vier Jahren. Sie untersuchten mehr als fünf Milliarden Internetseiten, 500.000 Fotos, 150.000 abgehörte Telefongespräche, vernahmen 200 Zeugen. Es gibt viele Daten und Beweise: Satellitenaufnahmen, Informationen verschiedener Geheimdienste, sowie eben Fotos und Videos. Ob der Abschuss Absicht oder ein verhängnisvoller Irrtum aufgrund falsch gedeuteter Radarbilder war, auch diese Frage steht noch im Raum.

Im Schockzustand

Die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft fallen noch verhalten aus. Zu ungeheuerlich erscheint offenbar der Vorwurf, zu nah ist das Sport-Großereignis Fußball-WM. Die EU-Kommission forderte Russland auf, uneingeschränkt an sämtlichen weiteren Aufklärungsbemühungen mitzuwirken. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte wie auch das Auswärtige Amt, die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Fast vier Jahre nach der Tragödie sei es wichtig, dass der Gerechtigkeit Genüge getan werde. „Es wäre jetzt das Mindeste, dass Russland sich zu seiner Verantwortung bekennt, sein Bedauern für den Tod von 298 unschuldigen Menschen ausspricht und dazu beiträgt, die unmittelbar Schuldigen an diesem Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte Andreas Nick (CDU), Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, der Bild-Zeitung.

(dpa/BK)