Frankreich, Europa und die Nato-Partner sollen Moskaus rücksichtsloser Syrien-Politik entgegentreten. Das forderte unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl in Russland Frankreichs Staatspräsident François Hollande in seinem ersten großen Zeitungsinterview nach dem Ende seiner Präsidentschaft vor knapp einem Jahr.
Westen muss Moskau entgegentreten
Russland, so Hollande gegenüber der Pariser Tageszeitung Le Monde, sei die maßgebliche Macht in Syrien. „Und wenn ihr dort niemand Grenzen setzt, dann besteht die ernste Gefahr einer Eskalation.“ Nicht nur in Syrien, deutet der ehemalige Präsident an. Denn dass 2013 der Westen darauf verzichtet habe, das syrische Regime für seinen Giftgaseinsatz zu bestrafen, habe nicht nur Diktator Bashar Assad als Freibrief gesehen. Hollande: „Wladimir Putin hat verstanden, dass er die Krim annektieren und den Osten der Ukraine destabilisieren könne, ohne mehr befürchten zu müssen als Sanktionen.“
Wenn Russland bedrohlich ist, dann muss man es bedrohen.
François Hollande, ehemaliger französischer Staatspräsident
In Syrien müsse der Westen darum nicht so sehr auf Assad reagieren, sondern eben auf Wladimir Putin. „Wir können Druck ausüben über Sanktionen, über den Handel, über die Frage von Öl und Gas.“ Entscheidend sei, dass dem Westen die Gefahr bewusst werde. „Die Haltung von Donald Trump ist weder klar noch vorhersehbar, darum müssen sich Frankreich, Europa, die Nato in Bewegung setzen.“ Hollande erinnert daran, dass Russland seit Jahren aufrüste – „und wenn Russland bedrohlich ist, dann muss man es bedrohen“.
Ghouta und Afrin
Hollande wirft Russland und der Türkei vor, gemeinsam und planmäßig die Aufteilung Syriens zu betreiben. Denn es sei kein Zufall, dass die Offensiven gegen den Damaskus-Vorort Ghouta und gegen die nordsyrische Kurdenregion Afrin zur gleichen Zeit stattfänden.
Jetzt sind die beiden Länder übereingekommen, Syrien aufzuteilen.
François Hollande
Hollande: „Russland hat Ankara in Afrin machen lassen, und die Türkei wird jetzt jene Rebellen zurückziehen, die sie in Ghouta unterstützt und die dann am Angriff gegen Afrin teilnehmen können.“ Noch vor einem Jahr habe es in Syrien scharfen Konflikt zwischen Russland und der Türkei gegeben. „Jetzt sind die beiden Länder übereingekommen, Syrien aufzuteilen.“
Ankaras Bündnis mit Dschihadisten
Scharf geht Hollande mit dem Nato-Partner Türkei und dessen Afrin-Offensive gegen die syrischen Kurden ins Gericht: „Was ist das für ein türkischer Verbündeter, der unsere eigenen Verbündeten angreift, am Boden sogar mit der Unterstützung von Dschihadisten-Gruppen – obwohl er genau weiß, dass diese Gruppen Verbindungen zu Terroristen pflegen?“
Was ist das für ein türkischer Verbündeter, der unsere eigenen Verbündeten angreift?
François Hollande
Hollande fordert, über Ghouta und Afrin Flugverbotszonen einzurichten. Weil der UN-Sicherheitsrat „durch das russische Veto blockiert ist“, kann er damit nur die Nato meinen. „Es ist absolut zwingend, sicherzustellen, dass diese Gebiete nicht überflogen werden können, vor allem nicht Afrin, wo es sich [beim Angreifer, A.d.V.] um ein Land von außerhalb Syriens und obendrein eines Nato-Mitgliedes handelt, das dort seine Luftwaffe einsetzt.“
Spaltung der Nato
Hollande sieht voraus, dass das zu Konflikten innerhalb der Nato führen wird. Und auch das sei das Ziel der russischen Politik in Syrien: „Indem es Ankara erlaubt hat, unsere kurdischen Verbündeten zu bombardieren, betreibt Moskau außerdem die Spaltung der Nato.“
Trotzdem habe das Bündnis keine Wahl, wenn es glaubwürdig bleiben wolle. Denn für Frankreich und die Nato stehe in Afrin viel auf dem Spiel. Wenn die nordsyrische Stadt falle, so Hollande, „dann bedeutet das, dass wir unsere Verbündeten fallen lassen, am Tag nach dem Sieg [über den Islamischen Staat, A.d.V.], den wir gemeinsam gefeiert haben, und dass das, was in Afrin passiert, morgen woanders passieren kann.“