Lässt es wieder mal krachen: Papst Franziskus. (Bild: imago/ZUMA-Press)
Papst-Enzyklika

Schonungsloser Klartext aus Rom

In seiner zweiten Enzyklika „Laudato si“ setzt Papst Franziskus vor allem umwelt- und sozialpolitische Akzente. Die „armselige“ Politik des Nordens mit ihrer „perversen Logik“ der Ausbeutung des Südens und der „selbstmörderischen Umweltzerstörung“ müsse ein Ende haben. Der Papst fordert einen radikalen Wandel und eine „kulturelle Revolution“.

Papst Franziskus hat in seiner neuen Enzyklika eine „selbstmörderische Umweltzerstörung“ angeprangert und Politik und Wirtschaft zu einem radikalen Wandel aufgerufen. Unter dem Konsumrausch und dem rasanten Wachstum der reichen Länder des Nordens litten vor allem die Armen im Süden. Eine „kulturelle Revolution“ und eine ökologische Umkehr seien notwendig, erklärt der Papst in seinem Weltrundschreiben „Laudato si“ (Gelobt seist du). Der Titel stammt aus dem Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi. Darin rief der Papst knapp sechs Monate vor der UN-Klimakonferenz in Paris auch zu einem Ausstieg aus der Energiegewinnung aus Kohle und Öl auf.

„Wenn die Politik nicht imstande ist, eine perverse Logik zu durchbrechen, und wenn auch sie nicht über armselige Reden hinauskommt, werden wir weitermachen, ohne die großen Probleme der Menschheit in Angriff zu nehmen“, schreibt das Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken. Es ist die erste Enzyklika, die der 78-jährige Argentinier alleine verfasst hat.

Mit Blick auf die Klimakonferenz Ende des Jahres in Paris erklärt Franziskus, es sei dringend geboten, Programme zu entwickeln und den Ausstoß von Kohlendioxid drastisch zu reduzieren. Der Klimawandel sei „eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit“. Der Politik attestierte Franziskus eine „Unterwerfung unter die Technologie und das Finanzwesen“. Dies sei ein Grund für die „Erfolglosigkeit der Weltgipfel über Umweltfragen“.

Die Erde darf keine Mülldeponie werden

„Niemals haben wir unser gemeinsames Haus so schlecht behandelt und verletzt wie in den letzten beiden Jahrhunderten“, erklärt der Papst. „Wenn jemand die Erdenbewohner von außen beobachten würde, würde er sich über ein solches Verhalten wundern, das bisweilen selbstmörderisch erscheint.“ Die Erde scheine sich in eine „unermessliche Mülldeponie“ zu verwandeln. „Der Rhythmus des Konsums, der Verschwendung und der Veränderung der Umwelt hat die Kapazität des Planeten derart überschritten, dass der gegenwärtige Lebensstil nur in Katastrophen enden kann.“

Franziskus forderte ein verlangsamtes Wachstum in wohlhabenden Ländern. „Wir wissen, dass das Verhalten derer, die mehr und mehr konsumieren und zerstören, während andere noch nicht entsprechend ihrer Menschenwürde leben können, unvertretbar ist.“ Es sei die Stunde gekommen, „in einigen Teilen der Welt eine gewisse Rezession zu akzeptieren und Hilfen zu geben, damit in anderen Teilen ein gesunder Aufschwung stattfinden kann“.

Kritisch sieht der Papst auch die übermäßige Nutzung sozialer Netzwerke und digitaler Medien. Dies gleiche einer „bloßen Anhäufung von Daten, die sättigend und benebelnd in einer Art geistiger Umweltverschmutzung endet“.

Enzyklika sorgt weltweit für Wirbel und heftige Reaktionen

Die Enzyklika sorgte weltweit für heftige Reaktionen. Vor allem in den USA kritisierten konservative Kreise, die den Klimawandel bezweifeln, den Papst für seine politische Stellungnahme. Auch innerhalb des Vatikans ist das Öko-Schreiben von Franziskus durchaus umstritten. Klimaschützer und Wissenschaftler fühlen sich bestätigt, Wirtschaftsvertreter und konservative Zweifler am Klimawandel kommen schlecht weg. Die meisten sehen Handlungsbedarf.

Applaus für sein Öko-Manifest bekam der Papst von Umweltbewegungen und von Wissenschaftlern. Auch der Chef der Weltbank, Jim Yong Kim, und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon lobten das Schreiben. Laut Ban Ki Moon hat die Menschheit die Pflicht, sich um den Planeten Erde zu kümmern, und Solidarität mit den ärmsten und verletzbarsten Mitgliedern der Gesellschaft zu zeigen. In einer am Donnerstag von den Vereinten Nationen verbreiteten Mitteilung sagte Ban, alle Regierungen der Welt müssten das Wohl der Erde über nationale Interessen zu stellen und beim Klimagipfel in Paris in diesem Jahr ein ehrgeiziges Abkommen verabschieden.

Allenthalben Lob in Deutschland

In Deutschland war die Reaktion auf das politische Engagement des Papstes durchweg positiv. „Es ist neu, dass ein Papst so bewusst entscheidet: Ich möchte in die politische Debatte hinein Wirkung entfalten“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Marx. Der Deutsche Caritasverband forderte ein beherzteres Vorgehen der internationalen Staatengemeinschaft gegen die Ursachen des Klimawandels. Dass Armuts- und Umweltfragen nicht zu trennen sind, sehe auch das katholische Hilfswerk Misereor als Kernbotschaft, erklärte Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, wünschte dem Text aus Rom „von Herzen eine breite internationale Aufmerksamkeit“. Alle Christen verbinde die Sorge um die Umwelt und eine gerechtere Wirtschaftsordnung auch „jenseits der unterschiedlichen theologischen Traditionen“.

Der Tenor bei Wissenschaftlern und Umweltverbänden ist ähnlich. Laut dem führenden deutschen Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber basiert die Enzyklika auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Enzyklika kombiniert nach Ansicht Schellnhubers in einzigartiger Weise Glaube und Vernunft. Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung war vom Vatikan in die Päpstliche Akademie der Wissenschaften aufgenommen worden und stellte die Enzyklika mit vor. Für den Sozialphilosophen Michael Reder weist sie eine neue Richtung in der Kirchengeschichte.

Als „gelungene Provokation“ begrüßte die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch die Enzyklika. „Der Papst eröffnet eine Debatte über die globale Wegwerfkultur“, sagte der politische Geschäftsführer Christoph Bals. WWF-Vorstand Eberhard Brandes forderte, dass die Kirche ihren Worten auch Taten folgen lassen sollte. „Franziskus hat den Naturschutz zur Chefsache gemacht. Jetzt kommt es darauf an, dass seine Botschaft auf allen Ebenen der Kirchenhierarchie ankommt und entsprechend umgesetzt wird.“

dpa/wog