Macrons Initiative für Europa
In seiner lang erwarteten Europa-Rede fordert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Umbau der EU und eine Haushaltsrevolution für die Eurozone: Die Euro-Länder sollen einen eigenen Wirtschaftsminister mit Milliarden-Haushalt erhalten.
Europa

Macrons Initiative für Europa

In seiner lang erwarteten Europa-Rede fordert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Umbau der EU und eine Haushaltsrevolution für die Eurozone: Die Euro-Länder sollen einen eigenen Wirtschaftsminister mit Milliarden-Haushalt erhalten.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat Deutschland eine enge Partnerschaft vorgeschlagen. Dazu könnte es einen neuen Élyséevertrag zum 55. Jahrestag geben, so Macron in Paris in seiner lang erwarteten europapolitischen Grundsatzrede. „Wir werden über alles reden”, kündigte der Staatschef an. Der Élyséevertrag war am 22. Januar 1963 von dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle geschlossen worden und begründet die deutsch-französische Freundschaft.

Haushaltsrevolution für die Eurozone

Mit dem Vorschlag will Macron den Deutschen seine umfangreiche „Initiative für Europa”, so der Titel seiner anderthalbstündigen Rede, schmackhaft machen. Die lange Liste großer und kleiner Vorschlägen zum weitgehenden Umbau der Europäischen Union soll die Gemeinschaft international krisenfester und schlagkräftiger zu machen und zu sehr viel weitgehenderer Integration führen. Der Präsident sprach von der „Wiedergründung eines souveränen und geeinten Europa.”

Wir brauchen eine Koordination unserer Wirtschaftspolitiken und einen gemeinsamen Haushalt.

Präsident Emmanuel Macron

In seiner Rede forderte Macron wie erwartet eine „Haushaltsrevolution” für die Eurozone: Die Eurozone solle eine Wirtschaftsregierung mit eigenem Finanzminister erhalten, kontrolliert von einem Euro-Parlament und ausgestattet mit umfangreichem eigenen Haushalt. Das gemeinsame Währungsgebiet brauche ein eigenes Budget, das auf längere Sicht auch mit einer eigenen Steuer finanziert werden könnte. „Haben wir keine Angst, gehen wir voran”, sagte der 39-Jährige Präsident vor den Studenten in der Sorbonne-Universität im Pariser Quartier Latin.

Zahlen für den avisierten Eurozonen-Haushalt nannte Macron dieses Mal nicht. Im Vorfeld der Rede hatte er allerdings schon von „mehreren” Prozentpunkten der Wirtschaftsleistung der 19 Euro-Länder gesprochen − Hunderte von Milliarden Euro. Deutscher Widerspruch gegen seine weitgehenden Pläne ist programmiert. Das Thema „EU-Steuer” ist in Brüssel seit langem ein besonders heißes Eisen.

Europäische Interventionstruppe

Macron forderte außerdem ein europäisches Verteidigungsbudget und eine gemeinsame Interventionstruppe, die bis 2020 stehen soll. Europa, so Macron, müsse sich „in Ergänzung zur Nato” eine Kapazität für autonome Einsätze schaffen − eine alte Forderung Frankreichs, das schon lange auf mehr europäische Unterstützung für teure französische Einsätze etwa in der Sahelzone dringt.

Die Gründung einer europäische Asylbehörde und die Aufstellung einer gemeinsamen Grenzpolizei, so zwei weitere Vorschläge Macrons, sollen zu mehr europäischer Zusammenarbeit in der Asylpolitik und bei der Kontrolle der Einwanderung führen. Eine spezielle europäische Staatsanwaltschaft soll sich der Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität widmen. „Die Migrationskrise ist keine Krise, sondern eine Herausforderung, die lange Zeit dauern wird“, so der Präsident.

Nur noch 15 EU-Kommissare

Europa müsse einfacher, transparenter und weniger bürokratisch werden, wünscht sich Macron. Dazu will er die EU-Kommission von heute 28 auf 15 EU-Kommissare schrumpfen lassen. Der Einfachheit halber sollten die EU-Gründerstaaten mit gutem Beispiel voran gehen und zunächst auf ihre Kommissare verzichten.

Wir können nicht weiter machen mit einer Kommission von fast 30 Mitgliedern.

Emmanuel Macron

Bei den nächsten Europawahlen im Mai 2019, so Macron solle die Hälfte der derzeit 750 Abgeordneten des Europaparlaments über transnationale europaweite Listen gewählt werden, darunter die 73 freiwerdenden britischen Sitze. Macron: „Wir können entscheiden, dass diese 73 Abgeordneten die europäische Antwort sein können auf den Brexit.”

Mutige Initiative

Aus den großen Fraktionen des Europaparlaments kam Rückendeckung für die Pläne Macrons. „Wir brauchen mutige Initiativen und den klaren politischen Willen, Europa zu reformieren”, twitterte der CSU-Europapolitiker und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber: „Beginnen wir jetzt mit der Diskussion.” Der Fraktionschef der Liberalen, Guy Verhofstadt, schrieb: „So muss es sein! Lasst uns Europa voranbringen!”

Weder ein Euro-Budget noch die Schaffung des Amtes eines europäischen Finanzministers werden die Probleme der Eurozone lösen.

ifo-Präsident Clemens Fuest

Für „nicht richtig” hält dagegen der Präsident des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), Professor Clemens Fuest, Macrons Pläne für die Eurozone: „Weder ein Euro-Budget noch die Schaffung des Amtes eines europäischen Finanzministers werden die Probleme der Eurozone lösen.” Fuest rät stattdessen dazu, „für mehr Stabilität des Finanzsektors zu sorgen und Haftung und Kontrolle in der Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder besser in Übereinstimmung zu bringen”. Aber Macrons Rede sei vor allem „eine Einladung an Deutschland zu einem Brainstorming über die Zukunft Europas”, so der ifo-Präsident: „Deutschland sollte diese Einladung nicht zurückweisen.” (dpa/BK/H.M.)