Hat Pläne mit und für Europa: Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron. (Bild: Imago/E-Press Photo.com)
Frankreich

Macrons Pläne für Europa

Analyse: Frankreichs neuer Staatspräsident Emmanuel Macron bekennt sich klar zu Brüssel. Doch die konkrete Umsetzung seiner europapolitischen Pläne liegt im Dunkeln. In der EU-Finanzpolitik gibt es Unterschiede zwischen Berlin und Paris.

Emmanuel Macrons Wahlprogramm hatte eine klare proeuropäische Ausrichtung. Im Kern befürwortet Frankreichs 39-jähriger neuer Präsident eine politische Stärkung der Euro-Zone. Dafür schlägt er zwei Maßnahmen vor. Zum einen möchte Macron für die Euro-Zone feste Institutionen schaffen. Dazu gehört für ihn ein Parlament mit Abgeordneten derjenigen 19 EU-Staaten, die den Euro als Gemeinschaftswährung nutzen.

Finanzminister für die Euro-Zone

Außerdem sieht sein Programm für die Euro-Zone einen eigenen Wirtschafts- und Finanzminister vor, der die Aufgabe haben soll, die Steuer-, Sozial- und Energiepolitik zu koordinieren. Dieser Minister wäre nach der Vorstellung Macrons zudem ein Bindeglied zwischen der 19-köpfigen Euro-Gruppe und dem „ECOFIN“, also derjenigen Institution, welche die Wirtschafts- und Finanzminister aller 27 EU-Mitgliedstaaten (ohne das Vereinte Königreich) umfasst. Zum anderen will Macron die Euro-Zone mit einem eigenen Haushalt ausstatten; das Budgetrecht würde beim neu zu schaffenden Parlament liegen.

Ich werde Frankreich verteidigen. Ich werde Europa verteidigen.

Präsident Emmanuel Macron

Einer Sparpolitik zur Überwindung der Finanzkrise steht Macron kritisch gegenüber. Stattdessen plädiert er für mehr EU-Investitionen in Politikfelder wie Bildung, Transport und Sicherheit. Der ehemalige französische Wirtschaftsminister will Unternehmen, die mindestens die Hälfte ihrer Produktion in der EU ansiedeln, Vorteile gewähren. Gleichwohl steht er Freihandelsverträgen positiv gegenüber.

Deutsch-französische Zusammenarbeit

Für die Umsetzung seiner Reformpläne schreibt der neue Staatspräsident der deutsch-französischen Zusammenarbeit eine Schlüsselrolle zu. Macron möchte das gegenseitige Vertrauen zwischen Paris und Berlin festigen. Er will vermeiden, dass die Menschen in Deutschland das Gefühl haben, sie müssten „für alle zahlen“. Gleichzeitig nimmt der ehemalige Wirtschaftsminister die Perspektive vieler Franzosen ernst, die finden, dass Berlin die EU-Politik dominiert und in Brüssel seine eigenen Interessen zielstrebig durchsetzt. Momentan sieht das neue französische Staatsoberhaupt Berlin und Paris wirtschaftlich nicht auf Augenhöhe. Damit Frankreich wieder aufschließen könne, müsse das Land einschneidende Reformen durchführen.

Macron möchte den Schutz der EU-Außengrenzen verstärken und dafür ein ständiges Kontingent von 5.000 Grenzsoldaten bilden. Zudem spricht er sich für eine EU-Verteidigungspolitik aus; dazu gehört für ihn, dass die EU einen Fonds für Forschungsprojekte im Rüstungssektor schafft. Er befürwortet harte Brexit-Verhandlungen, Macron sieht die Aufnahme weiterer Staaten in die Europäische Union kritisch (insbesondere hinsichtlich der Türkei). Was die Politik gegenüber Russland betrifft, so sollen die Sanktionen bestehen bleiben, solange das Minsker Abkommen nicht erfüllt ist.

Bewertungen aus Brüssel

Mit einer sehr bemerkenswerten Geste bekannte sich Emmanuel Macron am Wahlabend zur Europäischen Union: Die Europahymne „Ode an die Freude“ und nicht die Marseillaise begleiteten seinen Auftritt vor dem Louvre. Dabei sagte er: „Ich werde Frankreich verteidigen. Ich werde Europa verteidigen.“ Dementsprechend nahmen Brüssel und Berlin den Ausgang der Stichwahl mit Erleichterung zur Kenntnis. Die Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Angelika Niebler, bezeichnete das Wahlergebnis als „sehr erfreulich“, denn Macron sehe die Zukunft Frankreichs in der Europäischen Union. Die stellvertretende CSU-Parteivorsitzende begrüßt, dass „der neugewählte Präsident Handlungsbedarf im eigenen Land sieht und mutig und beherzt die neuen Herausforderungen angehen wird. Frankreich braucht Reformen.“

Frankreich braucht Reformen.

Angelika Niebler, Vorsitzende der CSU-Europagruppe

Schon im Wahlkampf hatte Macron für den Fall seines Sieges angekündigt, seinen ersten Auslandsbesuch in Berlin zu absolvieren. Bereits am Tag nach seiner Amtseinführung empfing ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel mit militärischen Ehren. Dass er den Beziehungen zu Deutschland Priorität einräumt, zeigt auch die Ernennung des ehemaligen französischen Botschafters in Berlin zu seinem außenpolitischen Chefberater. Ob sich daraus tatsächlich ein dauerhafter europapolitischer Impuls, noch dazu basierend auf dem deutsch-französischen Tandem, ergibt, muss die Zukunft zeigen.

Macrons europapolitische „Blackbox“

Als „Blackbox“ bezeichnete denn auch Markus Ferber, CSU-Europaabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung, das europapolitische Programm von Emmanuel Macron. Zu dessen Antrittsbesuch in Berlin äußert sich Ferber zurückhaltend: „Beide, Bundeskanzlerin Merkel und Staatspräsident Macron, blieben in ihren Positionen vage. Eventuell bringt ein Treffen des deutsch-französischen Ministerrats mehr Klarheit.“ Eine solche Zusammenkunft, die einmal jährlich stattfindet, ist bisher für 2017 nicht terminiert.

Dass der französische Staatspräsident zum europapolitischen Impulsgeber wird, ist unwahrscheinlich.

Markus Ferber, CSU-Europapolitiker

Darüber hinaus verweist Ferber auf die bevorstehenden Wahlen zur französischen Nationalversammlung. Aller Wahrscheinlichkeit nach, so die Prognose des CSU-Europaabgeordneten, werde Macrons Bewegung „La République en marche“ (deutsch: „Die Republik, los geht’s!“) eine Parlamentsmehrheit bei den im Juni stattfindenden Wahlen – trotz der Berufung des Republikaners Édouard Philippe als Premierminister – verfehlen; dies würde die Handlungsspielräume Macrons erheblich einschränken. Ferber bringt seine Meinung auf den Punkt: „Dass der französische Staatspräsident zum europapolitischen Impulsgeber wird, ist damit unwahrscheinlich.“

Konfliktstoff zwischen Paris und Berlin

Eventuell stehen Berlin und Paris ohnehin Auseinandersetzungen über inhaltliche Fragen bevor. So lehnt Niebler die Vorstellung Macrons ab, einen Finanzminister für die Eurozone und einen europäischen Haushalt mit eigenen Steuern zu schaffen. Auch Macrons Aussage, der deutsche Exportüberschuss sei nicht tragbar, teilt sie nicht. „Die anderen Mitgliedstaaten profitieren von der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands. Das Ziel muss sein, die wirtschaftliche Entwicklung in den anderen Mitgliedstaaten anzukurbeln und nicht, das starke Deutschland zu bestrafen“, so die CSU-Europaabgeordnete.

Die anderen Mitgliedstaaten profitieren von der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands.

Angelika Niebler

Niebler zeigt sich auch besorgt darüber, dass rund jeder dritte Wahlberechtigte in Frankreich für die rechtsnationale Marine Le Pen gestimmt hat. Nationale Strömungen, die „der EU kritisch bis ablehnend gegenüber stehen“, gebe es in Frankreich weiterhin. Eine solche Stimmung finde sich auch in Ländern wie Dänemark, Polen und den Niederlanden wieder. Niebler weiter: „Wir müssen nach wie vor stark für unsere europäischen Werte werben.“

Diese Bewertung entspricht nach der Einschätzung des Verfassers dieses Beitrags derjenigen von Staatspräsident Macron, was eine gute Grundlage für eine enge Zusammenarbeit zwischen Berlin und Paris darstellt. Daneben sollte Deutschland unbedingt den kleinen EU-Mitgliedstaaten intensiv Gehör schenken.