Nach dem Selbstmordattentat: Blut der Opfer in der koptischen Mar Girgis Kirche in Tanta. (Bild: Imgao/UPI/Karem Ahmed)
Ägypten

Anschläge auf Christen

Terror gegen Christen in Ägypten: Selbstmordattentäter rissen mindestens 45 Menschen bei Anschlägen auf zwei koptische Kirchen im Norden des Landes mit in den Tod. Die Terrormiliz IS reklamierte die Taten, bei denen auch über 110 weitere Menschen verletzt wurden, für sich. Ägypten verhängte den Ausnahmezustand.

Bei den schwersten Terrorangriffen auf die christliche Minderheit in Ägypten seit Jahren waren am Sonntag mindestens 45 Gläubige getötet und mehr als 100 verletzt worden. Selbstmordattentäter rissen die Menschen bei Anschlägen auf zwei koptische Kirchen im Norden des Landes mit in den Tod.

Am Morgen des Palmsonntags zündete zunächst ein Sprengsatz in der koptischen Kirche St. Georg in der nordägyptischen Stadt Tanta. Dort wurden mindestens 29 Menschen getötet und 71 verletzt, wie das Staatsfernsehen berichtete. An dem christlichen Feiertag war die Kirche zur Messe gut besucht. Nach der Explosion waren im Internet und im Fernsehen Videos zu sehen, die den blutverschmierten Boden und Chaos in dem Gotteshauses zeigten.

Galt zweites Attentat dem koptischen Papst?

Wenige Stunden später sprengte sich den Angaben zufolge ein zweiter Selbstmordattentäter außerhalb St. Markus Kathedrale in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria in die Luft. Hier seien wenigstens 16 Menschen getötet und weitere 41 verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Kairo mit. Nach Darstellung des Innenministerium hielten Sicherheitskräfte den Mann zuvor davon ab, in die Kirche einzudringen, in der sich auch der koptisch-orthodoxe Papst Tawadros II. aufhielt und in der der religiöse Führer seinen Sitz hat.

Ein veröffentlichtes Überwachungsvideo zeigte einen Mann mit umgebundenen Pullover vor dem Gotteshaus, der offensichtlich von Sicherheitskräften gebeten wird, durch einen Metalldetektor zu gehen. Kurz darauf erschüttert eine schwere Explosion den Ort. Tawadros II. verurteilte die Gewalt als „frevelhaft“. Koptische Christen protestierten gegen die Regierung, weil sie sich nicht gut genug geschützt fühlen.

Der IS bekennt sich schuldig

Die Terrormiliz IS reklamierte die Taten über sein Sprachrohr Amak für sich. Die Mitteilung konnte zunächst nicht unabhängig auf Echtheit überprüft werden. Die Dschihadisten, deren Ableger im Norden der ägyptischen Sinai-Halbinsel aktiv ist, hatten sich schon im Dezember zu einem ähnlichen Anschlag bekannt. Damals waren fast 30 Menschen durch einen Selbstmordattentäter in einer Kirche in Kairo getötet worden. In Propagandavideos hatte der IS zuletzt Angriffe auf Christen angekündigt.

Nach den aktuellen Anschlägen in Ägypten hat die Terrormiliz IS zudem mit neuer Gewalt gegen Christen gedroht. Die „Kreuzzügler“ und „Ungläubigen“ würden mit dem Blut ihrer Söhne bezahlen, hieß es in einer Mitteilung im Namen des Islamischen Staates, die am Sonntag über IS-nahe Kanäle veröffentlicht wurde.

Im Ausnahmezustand

Das Land steht nach den Anschlägen unter Schock: Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der den Opfern sein Mitgefühl aussprach, ließ die Sicherheitsvorkehrungen auch mithilfe der Armee im ganzen Land verstärken. Es wurde eine dreitägige Staatstrauer angeordnet.

Präsident al-Sisi kündigte zudem für die nächsten drei Monate den Ausnahmezustand an. In einer Fernsehansprache am Sonntagabend erklärte Al-Sisi, dieser werde in Kraft treten, sobald die verfassungsrechtlichen Maßnahmen „vervollständigt seien“. Dazu gehört auch die Zustimmung des Parlaments. In den vergangenen Jahren war nach Gewaltausbrüchen wiederholt der Ausnahmezustand in Ägypten oder Teilen des Landes ausgerufen worden. Dies war verbunden mit der Möglichkeit von Festnahmen ohne Haftbefehl und Hausdurchsuchungen ohne richterliche Anordnung sowie nächtlichen Ausgangssperren. Erweiterte Befugnisse sollen den Sicherheitskräften das Vorgehen gegen Extremisten vereinfachen.

Nach allem, was wir wissen, handelte es sich erneut um Anschläge, mit dem die christliche Minderheit in Ägypten eingeschüchtert, demotiviert und zur Emigration getrieben werden soll.

Kardinal Reinhard Marx,. Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Allerdings haben diese in Ägypten auch schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt oftmals freie Hand, was durch vielfach schwammig formulierte Gesetze bedingt ist. „Dies passiert nur, um unser Land zu beschützen“, sagte Al-Sisi am Sonntagabend zu den angekündigten Maßnahmen. Die Auseinandersetzung mit den Terroristen werde lang und schmerzhaft sein. Er warf anderen Ländern vor, den Terrorismus in Ägypten zu unterstützen – nannte aber kein bestimmtes Land. Al-Sisi kündigte zudem eine neue Ermittlungsbehörde an, den „Obersten Rat zur Bekämpfung von Terror und Extremismus“. Zuvor hatte der Präsident bereits der Armee befohlen, wichtige Gebäude des Landes zu schützen.

Internationale Bestürzung

Die Anschläge lösten international Bestürzung aus. „Wir beten für die Opfer des Attentats“, sagte Papst Franziskus beim Angelus-Gebet in Rom. Ende April will er Kairo besuchen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, erklärte: „Nach allem, was wir wissen, handelte es sich erneut um Anschläge, mit dem die christliche Minderheit in Ägypten eingeschüchtert, demotiviert und zur Emigration getrieben werden soll. Es soll unmittelbar vor dem Besuch von Papst Franziskus Hass gesät werden.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach von einem feigen Mord. Bundeskanzlerin Angela Merkel kondolierte dem ägyptischen Präsidenten und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte, die Täter müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Die Europäische Union sicherte Ägypten Solidarität im Kampf gegen den Terror zu. US-Präsident Donald Trump sprach Präsident Al-Sisi das Vertrauen aus, die Situation „angemessen“ zu behandeln.

Die koptischen Christen

Die koptische Kirche geht auf das alexandrinisch-ägyptische Christentum der Spätantike zurück. Als Gründer dieser Kirche gilt der Überlieferung nach der Evangelist Markus, der im 1. Jahrhundert in Ägypten gelebt haben soll. Nach koptischer Tradition war Markus auch der erste Bischof von Alexandrien, wo er 68 nach Christus als Märtyrer starb. Das Christentum war im Gebiet des heutigen Ägyptens vor der Islamisierung im 7. Jahrhundert die dominierende Religion.

Christen machen heute in Ägypten noch sechs bis fünfzehn Prozent der etwa 94 Millionen Einwohner aus – genaue Zahlen gibt es nicht, angeblich auch deshalb, weil sich viele Kopten aus Angst nicht öffentlich als Christ bekennen wollen. Sie sind immer wieder Diskriminierungen insbesondere im Arbeitsleben und im Bildungsbereich ausgesetzt, Anfeindungen und Gewalt kommen hinzu. Kirchenbau ist nur eingeschränkt möglich, und muslimische Geistliche riefen und rufen immer wieder zum Mord an Konvertiten zum Christentum auf. In den Medien werden Nichtmuslime meist als „Kuffar“ (Ungläubige) bezeichnet und die Kopten müssen immer wieder als Sündenbock herhalten. Mit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi 2013 hatten die Angriffe auf Christen in dem Land zeitweise zugenommen. Unter Mursis Nachfolger Al-Sisi beruhigte sich die Lage wieder etwas.