„Was für ein Präsident werden Sie sein?“ – das war die Eingangsfrage für alle fünf Kandidaten. In der mehr als dreistündigen Sendung gerieten die Favoriten Le Pen und Macron mehrmals aneinander. Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen und der sozialliberale Bewerber Emmanuel Macron gelten gut einen Monat vor dem ersten Wahlgang am 23. April als klare Favoriten für den Einzug in die Stichwahl. Die Umfragen sagen Macron dafür derzeit einen deutlichen Sieg gegen Le Pen voraus, allerdings ist die Entscheidung vieler Wähler noch unsicher.
„Brilliert hat er nicht“, schreibt die Pariser Tageszeitung Le Monde über den Auftritt Macrons. Er sei vage geblieben und kaum aus der Reserve herausgekommen. Fast genauso hatte es während der Debatte Marine Le Pen einmal ausgedrückt: „Emmanuel Macron hat ein verrücktes Talent: Er hat jetzt sieben Minuten geredet, ohne etwas gesagt zu. Ich finde das ziemlich beunruhigend.“ Macron muss befürchten, dass manche Fernsehzuschauer einen ähnlichen Eindruck zurückbehalten. Er will in der politischen Mitte punkten und wirbt um Stimmen links und rechts oder „weder links noch rechts“, wie er selber sagt. Vagheit ist der Preis dafür.
Widerstand gegen Le Pens „Frexit“-Pläne
Le Pen stößt mit ihrem Vorhaben eines Euro-Austritts auf harten Widerstand. „Sie sind dabei, das Land in ein regelrechtes wirtschaftliches und soziales Chaos zu ziehen“, sagte ihr konservativer Widersacher François Fillon. Die Chefin der rechtsextremen Front National fordert ein Referendum über den Verbleib in der EU sowie den Austritt aus dem Euro und dem Schengenraum, der das Reisen ohne Grenzkontrollen in weiten Teilen Europas ermöglicht. „Man verlässt nicht die europäische Währung (…) und den Schutz der Europäischen Zentralbank“, entgegnete Fillon. Der Ex-Premier hatte wegen der Affäre um die Beschäftigung seiner Frau auf Parlamentskosten viele Sympathiepunkte eingebüßt und liegt in Umfragen nur noch auf dem dritten Platz. Er warnte vor einem Abenteuer, das Kreditnehmer und Sparer ruinieren werde. Der Ex-Premier bezeichnete Le Pen als „Serienkiller der Kaufkraft der Franzosen“. Macron schloss sich der Kritik an.
Kritik am Nachbar Deutschland
Kritik gab es in der Debatte auch am EU-Partner Deutschland: Die Deutschen könnten nicht auf ihren Handelsüberschüssen sitzen bleiben, während die französischen Soldaten in der Sahelzone ihr Leben riskierten, sagte Fillon als Spitzenmann der bürgerlichen Rechten. Er stellte seine staatsmännische Erfahrung als früherer Premierminister heraus. „Ich werde der Präsident der nationalen Sanierung sein.“ Er will das unter Massenarbeitslosigkeit, hoher Verschuldung und überbordenden Staatsausgaben leidende Land rundum sanieren: In fünf Jahren will er 500.000 Beamtenstellen nicht neu besetzen und 100 Milliarden Euro einsparen. Le Pens heftige Antwort: „Ich will nicht die Vizekanzlerin von Frau Merkel sein.“ Dann spricht sie von „nationaler Unabhängigkeit“ und von Werten und Traditionen, die es zu verteidigen gelte.
Der sozialistische Kandidat Benoît Hamon, der jahrelang seiner sozialistischen Regierung als Frondeur das Leben und Regieren schwer gemacht hat und nun um die Sozialisten werben muss, will „ein ehrenhafter und gerechter Präsident“ sein, „frei und unabhängig in Bezug auf Geld und Lobbies“. Das ging gegen Fillon und gegen den Ex-Banker Macron. Linksaußen Mélenchon will der „letzte Präsident der Fünften Republik sein“, der das „Präsidenten-Königtum“ abschafft und das Verhältniswahlrecht einführt. Die Verfassungsfrage treibt alle Kandidaten um. Auch Fillon plant ein Verfassungreferendum und die Reduzierung der Zahl der Abgeordneten und Senatoren. Hamon spricht von direkter oder jedenfalls „direkterer“ Demokratie und verklausuliert vom Regieren mit Referenden. Außer Fillon wollten in der Debatte alle das Mehrheitswahlrecht durch die Verhältniswahl ersetzen.
Einwanderung und Integration
Kontroverse Positionen gab es zum Thema Einwanderung. „Müssen wir die Grenzen öffnen oder schließen?“, lautete die Frage der beiden moderierenden Journalisten. „Hier habe ich eine tiefe Meinungsverschiedenheit mit Emmanuel Macron, der in Berlin Angela Merkel zu ihrer Politik beglückwünscht hat“, kommt es von Fillon: Die „immense Mehrheit“ der Flüchtlinge seien Armuts- und Wirtschaftsmigranten „aus allen Regionen der Welt“. Fillon will, dass das Parlament jedes Jahr die Einwanderungs- und Asylquote neu festlegt. Macron betonte das sowohl-als-auch und spricht von „Menschlichkeit und Festigkeit“, aber Flüchtlinge müsse man aufnehmen, „um unseren Grundsätzen gerecht zu werden“. Le Pen will die Zuwanderung stoppen und eine Obergrenze von jährlich 10.000 legalen Einwanderern verankern: „Wir müssen alle diese Saugpumpen der Einwanderung abstellen“. Hamon weist auf die Pflicht zur Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen hin: „Darum will ich das humanitäre Visum, um die Dramen im Mittelmeer zu beenden“.
Streit gab es auch beim Thema Integration. „Die fundamentale Frage ist die der Integration der muslimischen Gemeinschaft“, so Fillon. „Das zu sagen, heißt nicht, die Muslime zu stigmatisieren.“ Denn es sei eben eine Radikalisierung sichtbar, die die Gesellschaft bedrohe wie auch die islamische Religion selber. Fillon: „Die Muslime selber müssen dagegen aufstehen und der Republik helfen, diese Radikalisierung auszurotten.“ Fillon will ihnen „administrative Kontrolle“ auferlegen, die Predigten der Imame kontrollieren, Islam-Finanzierung aus dem Ausland verbieten und alle Bewegungen, die gegen die Werte der Republik kämpfen, auflösen lassen.
Was wird aus der 35-Stunden-Woche?
Beim Themenblock Wirtschaft und Arbeitslosigkeit kreiste der Disput unter anderem um die 35-Stunden-Woche: Fillon will die Unternehmen frei über die wöchentliche Arbeitszeit verhandeln lassen und sie für den öffentlichen Dienst auf 39 Stunden heraufsetzen. Macron will sie von Fall zu Fall heraufsetzen und ebenfalls den Unternehmem mehr Freiheit einräumen. Le Pen will die gesetzliche Wochenarbeitszeit lassen wie sie ist, Hamon und Mélenchon wollen sie senken. Natürlich wirbt Hamon für sein bedingungsloses Grundeinkommen. Macron will allen Wählern ein „faires Einkommen“ garantieren. Mélenchon stellt ihnen staatliche Investitionen über 100 Milliarden Euro in Aussicht, die eine Nachfrage-Politik ankurbeln sollen, und eine Absenkung des Rentenalters.
Aufschlussreich: Bis auf Mélenchon wollen alle Kandidaten den Verteidigungshaushalt auf zwei Prozent der Wirtschaftkraft erhöhen, Le Pen sogar auf drei Prozent. Linksaußen Mélenchon will von alledem nichts wissen: „Das Europa der Verteidigung ist das Europa des Krieges.“ Mélenchon will stattdessen „der Präsident des Friedens“ sein und auf einer „Sicherhsitskonferenz vom Atlantik bis zum Ural“ allen Ernstes über alle postsowjetischen Grenzen neu verhandeln.