Große Schäden nach dem Anschlag auf das deutsche Konsulat in Masar-i-Scharif. (Bild: Imago/Xinhua)
Afghanistan

Taliban greifen deutsches Konsulat an

Sechs Tote, über 120 Verletzte und Schäden in Millionenhöhe. Der Anschlag der Taliban auf das deutsche Generalkonsulat gilt als Rache für den US-Luftangriff Anfang November. Bundeswehrsoldaten erschossen nach dem Vorfall zwei verdächtige Motorradfahrer.

Nach einem massiven Bombenanschlag auf das deutsche Generalkonsulat haben Bundeswehrsoldaten in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif zwei Motorradfahrer erschossen. Diese hätten am Morgen nach dem Attentat am 10. November nicht angehalten, als sie dazu aufgefordert worden waren. Das erklärte der Sprecher des Gouverneurs der Provinz, Munir Farhad. Danach kamen bisher sechs Zivilisten ums Leben, darunter die beiden Motorradfahrer. Ein Attentäter hatte am Abend des 10. Novembers einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in eine Außenmauer des Konsulats gerammt. Dabei kam der Angreifer um. Mindestens 128 Menschen wurden verletzt. Die Vereinten Nationen berichteten, dass unter den Verletzten auch 19 Frauen und 38 Kinder seien. Ein zweiter Attentäter sei lebend festgenommen worden, sagte Munir. Er korrigierte damit seine frühere Einschätzung, es habe noch einen dritten Angreifer gegeben.

Deutsche sind unverletzt

Im Generalkonsulat im Zentrum der Großstadt Masar-i-Scharif unweit der berühmten Blauen Moschee arbeiten etwa zwei Dutzend Deutsche. Sie sind laut Auswärtigem Amt alle „sicher und unverletzt“. Die massive Detonation hatte nicht nur am Konsulatsgebäude immensen Schaden angerichtet. Auch Privathäuser und Geschäfte waren betroffen. Der Schaden gehe in die Millionen Afghani (eine Million Afghani sind etwa 13.500 Euro), sagte Munir Farhad. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte, dass „aus derzeitiger Sicht vieles sehr gut gelaufen ist“. Er bestätigte aber auch, dass von Beginn des Angriffs bis zum Eintreffen der Soldaten am Konsulat 90 Minuten verstrichen. „Die Fahrt aus einem militärischen Camp hinaus in Afghanistan bedarf einer gewissen Vorbereitung“, sagte der Sprecher.

Taliban rächen US-Luftangriff

Die Taliban hatten sich nach dem Anschlag zu der Tat bekannt. Sie begründeten ihn mit einer Mitschuld der Deutschen an einem US-Luftangriff auf Taliban in Kundus in der Nacht des 3. November. Bei dem Einsatz wurden nach unterschiedlichen Angaben 14 bis 30 Talibankämpfer getötet. Unter ihnen soll der Einsatzleiter der Taliban für Kundus gewesen sein, Mullah Taki.

Damals waren auch rund 30 Zivilisten, darunter viele Kinder und Frauen, getötet worden. Die Deutschen hätten den US-Streitkräften die notwendigen nachrichtendienstlichen Informationen zukommen lassen, sagte ein Talibansprecher der Deutschen Presse-Agentur. Nach Auskunft der Bundesregierung war die Bundeswehr am fraglichen Luftangriff nicht beteiligt. Der Sprecher der US-Streitkräfte in Afghanistan, General Charles Cleveland, hatte dpa nach dem Angriff per E-Mail bestätigt, dass die USA einen Luftangriff zum Schutz einer unter Beschuss geratenen afghanisch-amerikanischen Bodenoffensive ausgeführt hatten.

Die USA haben bis zum Herbst 2016 laut Medien um die 700 Luftangriffe auf Stellungen der Taliban sowie der Terrormiliz IS geflogen. Luftschläge sind vielerorts das einzige Mittel, die Islamisten zurückzuhalten. Es gibt zunehmend Berichte über zivile Opfer.

Fünf Meter hohe Mauern um das Konsulat

Das deutsche Generalkonsulat befindet sich ganz in der Nähe des Wahrzeichens der Stadt, der Blauen Grabmoschee des Kalifen Ali, des Schwiegersohns des Propheten Mohammed. Die erste und bis heute einzige deutsche Vertretung in Afghanistan außerhalb von Kabul wurde erst im Juni 2013 vom damaligen Außenminister Guido Westerwelle eröffnet. Das Konsulat wird aus Sorge vor Anschlägen streng gesichert. Rund fünf Meter hohe Mauern umgeben das Gelände. Aus Sicherheitsgründen arbeiten die Diplomaten nicht nur in dem Konsulat, sondern leben auch dort. Die schwer beschädigte Auslandsvertretung muss nun vermutlich auf Monate hinaus geschlossen bleiben. Das Personal wurde in ein etwa zehn Kilometer entferntes Bundeswehr-Lager in Sicherheit gebracht.

Masar-i-Sharif: bedeutendster Standort der Bundeswehr

800 der 980 Soldaten des Bundeswehreinsatzes sind in der Hauptstadt der nördlichen Provinz Balch stationiert. Damit ist Masar-i-Scharif der bedeutendste Standort der Bundeswehr in Afghanistan. Hier kreuzen sich Versorgungsrouten nach Usbekistan und Turkmenistan. Mit der Hauptstadt Kabul verbindet die „Stadt des Heiligen“ eine Passstraße. Masar-i-Scharif mit geschätzt 270.000 Einwohnern ist von hoher strategischer Bedeutung. Bis 1998 war es eine Hochburg der sogenannten Nordallianz, die als letzte verbliebene Rebellengruppe allein gegen die radikalislamischen Taliban kämpfte. Nachdem die Stadt an den Ausläufern des Hindukuschs von den Taliban eingenommen wurde, sollen hunderte Einwohner massakriert worden sein. 2001 eroberte die Nordallianz Masar-i-Scharif zurück. 2006 errichtete die Bundeswehr dort ihr damals größtes Feldlager außerhalb Deutschlands. Nach dem Ende des Kampfeinsatzes der Bundeswehr in Afghanistan vor knapp zwei Jahren wurde die Truppenstärke deutlich reduziert.

(dpa/AS)