Drohen neue Rassenunruhen?
Nachdem Polizisten in den USA zwei Schwarze erschossen haben, werden in Dallas wiederum insgesamt fünf Polizisten ermordet. Es ist ein neuerlicher, trauriger Höhepunkt in der Debatte um eine Ungleichbehandlung schwarzer und weißer Bürger in den Vereinigten Staaten. Sogar US-Präsident Obama scheint mittlerweile zu resignieren. Der Proteststurm jedenfalls ist riesig.
Polizistenmorde

Drohen neue Rassenunruhen?

Nachdem Polizisten in den USA zwei Schwarze erschossen haben, werden in Dallas wiederum insgesamt fünf Polizisten ermordet. Es ist ein neuerlicher, trauriger Höhepunkt in der Debatte um eine Ungleichbehandlung schwarzer und weißer Bürger in den Vereinigten Staaten. Sogar US-Präsident Obama scheint mittlerweile zu resignieren. Der Proteststurm jedenfalls ist riesig.

Heckenschützen haben in der US-Stadt Dallas fünf Polizisten getötet und zahlreiche weitere Beamte verletzt. Der Anschlag geschah nach zwei Vorfällen, bei denen weiße Polizisten zwei Afroamerikaner innerhalb von nur zwei Tagen offenbar ohne ersichtlichen Grund erschossen hatten. Jetzt drohen den USA schwere Rassenunruhen.

Die Schützen in Dallas feuerten während eines Protestmarsches gegen Polizeigewalt am Donnerstagabend  auf die Beamten. Der Polizeisprecher sagte zu der Schießerei in der Großstadt: „Die Schützen wollten so viele Gesetzeshüter wie möglich verletzen oder töten.“ Das Motiv ist nach Angaben der Polizei noch unklar. Allerdings geht man in den USA davon aus, dass der Anschlag eine Reaktion auf die Polizeigewalt der vorangegangenen Stunden gewesen ist.

Verdächtiger verschanzt sich

Bei einer Pressekonferenz um 7.30 Uhr (Ortszeit) bestätigte Dallas‘ Bürgermeister Mike Rawlings den Tod eines der mutmaßlichen Heckenschützen und bedankte sich bei den Einsatzkräften: „Danke an alle, die unsere Stadt wieder sicher gemacht haben.“ Polizeichef David Browns Angaben zufolge hatte der Verdächtige zuvor während der Verhandlungen gesagt: „Ich will weiße Menschen töten, besonders weiße Polizeibeamte.“ Er gehöre zu keiner Gruppe, er handele allein. Er hatte sich stundenlang in einem Parkhaus verschanzt und mit weiterer Gewalt gedroht. Dort lieferte er sich einen Schusswechsel mit der Polizei. Polizeichef David Brown sagte, die Polizei habe ihn schließlich mit einem Sprengsatz getötet, den ein Roboter transportierte. Brown wandte sich in einem eindringlichen Appell an die Bevölkerung: „Wir brauchen Ihre Unterstützung, um Sie vor denjenigen zu beschützen, die für diese tragischen Ereignisse verantwortlich sind.“

Die Polizei nahm drei weitere Verdächtige fest. Dabei handelte es sich nach den Worten von Brown um eine Frau, die in der Nähe des Parkhauses festgenommen wurde, und zwei Männer, die zuvor in einem Wagen geflüchtet waren. „Wir sind aber noch nicht vollständig sicher, dass wir alle Verdächtigen in Gewahrsam haben“, sagte Brown. Der Bürgermeister von Dallas, Mike Rawlings, forderte die Bevölkerung auf, den Tatort zu meiden.

Unterdessen halten die Proteste gegen die grassierende Polizeigewalt gegen Afroamerikaner weiter an. Neben Dallas kam es mittlerweile auch in anderen US-Städten zu spontanen Kundgebungen. In den vergangenen Jahren haben rassistisch motivierte Anschläge und Auseinandersetzungen wieder zugenommen. Erst 2015 hatte ein Mann in einer Kirche in Charleston (South Carolina) neun Afroamerikaner getötet, in der Hoffnung, wie der Täter später zu Protokoll gab, „einen Rassenkrieg auszulösen“. Bei den Auseinandersetzungen spielt die Polizei – und deren oftmals extrem gewaltbereiter Umgang mit schwarzen Tätern oder Verdächtigen – stets eine zentrale Rolle.

Obama spricht über Fremdenhass statt Brexit

Während in Dallas noch Chaos herrscht und die Polizei versucht, der Lage Herr zu werden, betritt US-Präsident Barack Obama in fast 9000 Kilometer Entfernung ein Podium. Eigentlich wollte er hier in Warschau über den Brexit-Schock reden, jetzt spricht er von einer „bösartigen, kalkulierten und verabscheuungswürdigen“ Tat. Erst kurz nach seiner Landung zum Nato-Gipfel in der polnischen Hauptstadt hatte sich der US-Präsident sichtbar berührt zum Tod zweier Schwarzer durch Polizeikugeln innerhalb von nur zwei Tagen geäußert. Emotional zitierte Obama mehrere Statistiken, die die Benachteiligung von Afroamerikanern im US-Alltag belegen. „Menschen guten Willens können das besser“, sagte er. „Der Wandel passiert zu langsam. Wir müssen dem mehr Dringlichkeit verleihen.“ Er beschwor die Amerikaner, nach dem Geschehenen nicht in routinierte Reaktionsmuster zu verfallen, sondern innezuhalten.

Wenige Stunden später ist daran nicht zu denken. Amerika wacht langsam auf und ist mit neuem Hass konfrontiert. Obama hat solche Situationen in den vergangenen Jahren schon sehr oft erlebt. Es ist erst einen Monaten her, dass er die Überlebende und Hinterbliebene der Terrorattacke von Orlando traf. In der Stadt hatte ein Mann in einem Nachtclub 49 Menschen erschossen und 53 weitere verletzt. Es war die schlimmste Bluttat eines Einzelnen in der Geschichte des Landes.

Nach den Schüssen in Dallas ist die Rede vom schlimmsten Verbrechen gegen Polizisten seit der Terrorattacke vom 11. September 2001. Es ist wieder so ein trauriger Superlativ. Das Attentat von Orlando, die Polizeigewalt gegen Schwarze und nun der Angriff der Scharfschützen in Dallas – all diese Fälle hinterlassen ein Gefühl von einer tiefen gesellschaftlichen Verrohung. Reflexartig verfallen die USA nach jeder neuen Gewalttat in eine Debatte über die Waffengesetze, auch an diesem Tag lässt sie nicht lange auf sich warten. Es ist ein Herzensanliegen des Präsidenten, die Gesetze zu verschärfen. Seit Jahren kämpft er dafür. Der Großteil der Republikaner und die mächtige Waffenlobby NRA haben es bisher immer verhindert.

dpa