EVP-Fraktionschef Manfred Weber. (Foto: Imago/ZUMA Press)
Manfred Weber

„Wir brauchen die Türkei als Partner – nicht als Beitrittskandidat“

Die Angriffe gegen Bundestagsabgeordnete mit türkischen Wurzeln von Staatspräsident Erdogan zeigen, wie weit die Türkei von den Werten der EU entfernt ist, findet EVP-Fraktionschef Manfred Weber. Jetzt sieht der CSU-Politiker die Zeit für politische Konsequenzen endgültig gekommen - und fordert daher, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei endlich zu stoppen.

In einem Zeitungsinterview hat der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, das Verhalten der Türkei heftig kritisiert und Konsequenzen gefordert. Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) sagte der CSU-Politiker, die Angriffe von Staatspräsident Recep Tayip Erdogan auf Bundestagsabgeordnete mit türkischen Wurzeln seien „unsäglich“ und müssten Folgen haben.

„Entfernen uns jeden Tag mehr vom Ziel einer Vollmitgliedschaft“

Dabei unterstütze er in vollem Umfang den Brief von Europaparlamentspräsident Martin Schulz, den dieser an Erdogan geschrieben hatte. Darin hatte Schulz die Äußerungen des Despoten als einen „Tabubruch“ bezeichnet. Dabei sieht Weber allerdings auch die Sozialdemokraten und Grünen in Deutschland am Zug: Diese müssten sich spätestens jetzt fragen, ob jetzt nicht der Zeitpunkt für einen Neustart der Beziehungen zur Türkei gesprochen werden müsse. „Wir entfernen uns doch mit jedem Tag vom Ziel einer türkischen Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union“, stellte Weber klar. Man brauche die Türkei zwar als Partner – besonders bei der Flüchtlingspolitik – allerdings nicht als Beitrittskandidat.

Wir lügen uns doch gegenseitig an, wenn wir so tun, als gäbe es das Ziel Vollmitgliedschaft noch.

Manfred Weber

„Wir lügen uns doch gegenseitig an, wenn wir so tun, als gäbe es das Ziel Vollmitgliedschaft noch“, sagte der EVP-Fraktionschef. Weber selbst kennen keinen Regierungschef, der das ernsthaft wolle. „Die türkische Regierung weiß das im Grunde selbst. Man muss es aber auch offen aussprechen.“ Jetzt sei die Zeit, um reinen Tisch mit der Türkei zu machen.

Weber wirbt für ehrlichen Neustart

Überhaupt rät Weber zu mehr Aufrichtigkeit in der Debatte mit der Türkei. „Europa braucht mehr Ehrlichkeit“, sagte Weber dem BAYERNKURIER. Dazu gehöre, ein offenes Wort mit der Türkei unter Freunden zu reden und deutlich zu machen, dass ein Neustart der Beziehungen notwendig ist.

Dazu gehört dem CSU-Mann zufolge auch, der Türkei eine attraktive Alternative zu einer EU-Mitgliedschaft zu bieten. Weber nennt dabei etwa eine Weiterentwicklung der Wirtschaftsbeziehungen – „denn daran haben beide Seiten Interesse“. Außerdem drängt Weber auf eine engere Zusammenarbeit, um gemeinsam Frieden in Syrien und anderen Nachbarstaaten zu schaffen. Das sei auch wichtig für die Akzeptanz der Partnerschaft mit der Türkei hierzulande.

Türkei vor der Richtungsfrage

Dennoch sieht Manfred Weber den Ball eindeutig im Feld der Türkei. Europa habe jetzt über den neu geregelten Visaprozess machtvolle Instrumente, um die Entwicklung der Türkei ein wenig beeinflussen zu können, so der EVP-Fraktionschef. „Aber die Grundsatzfrage, wohin die Türkei eigentlich will“, so Weber, „die muss die Türkei mit sich selbst klären“.