Heute sinkt für Sie: Das Niveau
In der letzten TV-Debatte vor der Präsidentschaftswahl in Österreich wird klar: Beiden Kandidaten fehlt es an Format für das höchste Staatsamt in der Alpenrepublik. Zum wiederholten Mal "kindergarteln" sich FPÖ-Kandidat Hofer und sein grüner Kontrahent Van der Bellen durch ein Fernsehduell - und wirken dabei dennoch müde vom Wahlkampf. An diesem Sonntag steht die Entscheidung an.
Österreich

Heute sinkt für Sie: Das Niveau

In der letzten TV-Debatte vor der Präsidentschaftswahl in Österreich wird klar: Beiden Kandidaten fehlt es an Format für das höchste Staatsamt in der Alpenrepublik. Zum wiederholten Mal "kindergarteln" sich FPÖ-Kandidat Hofer und sein grüner Kontrahent Van der Bellen durch ein Fernsehduell - und wirken dabei dennoch müde vom Wahlkampf. An diesem Sonntag steht die Entscheidung an.

Nein, ein Glanzstück politischen Fernsehjournalismus war das letzte TV-Duell der beiden Kandidaten für das österreichische Bundespräsidentenamt nicht. Weder FPÖ-Mann Norbert Hofer noch der unabhängige, hauptsächlich von den Grünen unterstützte Alexander van der Bellen geizten bei ihrer letzten Diskussion mit Kindereien – politisch gab es dagegen wenig Neues zu berichten.

Ich werde in meinem Amt immer zuerst auf Österreich schauen, und nicht auf Europa.

Norbert Hofer

Die Positionen im Kampf um das höchste Amt der Alpenrepublik sind klar: Alexander van der Bellen positioniert sich klar pro-europäisch und tritt in der auch in Österreich aktuell alles bestimmenden Asylpolitik für die Fortführung einer Willkommenspolitik ein – allerdings mit der Einschränkung, nur tatsächlich Hilfsbedürftige in Österreich aufzunehmen. „Für Wirtschaftsflüchtlinge ist kein Platz in Österreich“, wird van der Bellen nicht müde, zu betonen. Aber: „Ich bin für alle da. Nicht nur die Staatsbürger, alle anderen auch, die hier leben.“

Norbert Hofer dagegen setzt sich für eine Abgrenzung seines Landes ein, fordert restriktive Maßnahmen beim Thema Einwanderung – und zeigt sich auch in der letzten TV-Debatte höchst europakritisch. „Ich werde in meinem Amt immer zuerst auf Österreich schauen, und nicht auf Europa“, sagt der umstrittene Rechtspopulist, der in den Umfragen klar vor seinem Konkurrenten liegt. Dieser, so behauptet Hofer, wolle lieber „österreichischer Landeshauptmann in einem vereinten Europa“ sein als wirklicher Bundespräsident in Wien. Van der Bellen dagegen behauptet, Hofer betreibe nichts als den schleichenden Austritt Österreichs aus der EU und eine Veränderungen der Beziehungen zur Union nach dem Vorbild der Schweiz.

Ich bin draaaan!

Alexander van der Bellen

Trauriger „Höhepunkt“ der Debatte: Ein aufgebrachter van der Bellen lässt sich zur „Scheibenwischer-Geste“ hinreißen – worauf die kommenden fünf Minuten der Übertragung von den beiden genutzt werden, um über die angeblichen Respektlosigkeiten des jeweils anderen zu schimpfen. „Ah, nachplappern können Sie auch“, so glänzte Hofer. „Ich bin draaaan“, protestierte nach einigen Unterbrechungen ebenso glänzend Van der Bellen. Eine wirkliche politische Auseinandersetzung sieht anders aus. Beobachter zeigten sich entsetzt und sprachen von einem „Kindergartenniveau“ oder von „unterstem Niveau“, beide Politiker hätten „sich blamiert und sind amtsbeschädigt“.

Debatte wird zum Lagerwahlkampf

Es ist dieses oberflächliche Niveau, das das niedrige Level der politischen Debatte vor der entscheidenden Stichwahl an diesem Sonntag offenbart: Statt politischer Inhalte hat sich der Urnengang zu einem Lagerwahlkampf entwickelt, der entweder pro Europa ist oder dagegen. Dazwischen – und da dürften sich die meisten österreichischen Wähler wiederfinden – gibt es nichts. Die moderaten Alternativen der ehemals großen Volksparteien ÖVP und SPÖ sowie die unabhängige Kandidatin und frühere Verfassungsrichterin Irmgard Griss waren bereits in der ersten Wahlrunde Ende April ausgeschieden. Es macht den Eindruck, als würde Österreich wenige Tage nach der Ernennung des neuen SPÖ-Kanzlers Christian Kern auf eine wirkliche Richtungsentscheidung zusteuern.

Hofer provoziert weiter

Denn FPÖ-Kandidat Hofer, dessen Wahl wahrscheinlicher ist als die seines Kontrahenten, machte in den vergangenen Wochen mit zahlreichen Äußerungen Schlagzeilen: Zuerst spielte er öffentlich mit dem Gedanken, die Regierung in Wien kurzerhand nach seinem Amtsantritt zu entlassen – und damit Neuwahlen notwendig zu machen, aus denen seine FPÖ Umfragen zufolge als größter Gewinner hervorgehen würde. Zwar ruderte Hofer im letzten TV-Duell nun zurück („Ich habe lediglich gesagt, dass es diese Möglichkeit gibt, auch nach ein oder zwei Jahren einer Regierungsperiode“), machte aber gleichzeitig neue provokante Aussagen: Er wolle, so plauderte Hofer aus, im Falle seiner Wahl die österreichischen Delegationen bei Verhandlungen auf EU-Ebene künftig begleiten. Verfassungsrechtlich steht ihm dies sogar zu – eine klare „Kontrollfunktion“ der rot-schwarzen Bundesregierung in Wien hat Hofer aber nicht. Stattdessen bezeichnen Kritiker die Absicht Hofers als den Versuch, als Auge, Mund und Ohr der Rechtsaußenparteien an EU-Verhandlungen teilzunehmen. Sowohl Front National-Führerin Marine LePen als auch AfD-Chefin Frauke Petry hatten sich offen hinter Hofer gestellt.

Wien vor der Zerreißprobe?

An diesem Sonntag steht also die nahezu „herbeigeredete“ Richtungsentscheidung für die Alpenrepublik an. Sollte Hofer die Wahl gewinnen, wonach es aktuell aussieht, dürfte der große Zusammenprall mit der Bundesregierung nicht lange auf sich warten lassen. Neu-Kanzler Kern hatte in seiner ersten Regierungserklärung äußerst moderate Töne in der EU- und Asylpolitik angeschlagen, und liegt damit deutlich neben Hofers Linie. Für das politische System in Österreich ist der kommende Sonntag also entscheidend: Bestätigen sich die Umfragen, steht Wien endgültig vor der Zerreißprobe.