Verfassungsreform begraben, Waffenlager ausgehoben
Erfolg und Misserfolg liegen für Frankreichs Präsidenten Hollande derzeit nahe beieinander. Im Parlament muss der Sozialist eine geplante Verfassungsreform begraben. Französische Polizisten heben ein riesiges Waffenlager islamistischer Terroristen aus. Doch die Behörden stehen unter Druck: Alle beteiligten Terroristen der letzten Monate waren den Behörden schon vorher bekannt.
Frankreich

Verfassungsreform begraben, Waffenlager ausgehoben

Erfolg und Misserfolg liegen für Frankreichs Präsidenten Hollande derzeit nahe beieinander. Im Parlament muss der Sozialist eine geplante Verfassungsreform begraben. Französische Polizisten heben ein riesiges Waffenlager islamistischer Terroristen aus. Doch die Behörden stehen unter Druck: Alle beteiligten Terroristen der letzten Monate waren den Behörden schon vorher bekannt.

Schwere Niederlage für den französischen Präsidenten François Hollande im Parlament. Der Sozialist musste seine nach den Anschlägen von Paris angekündigte Reform der Verfassung zurürckziehen. Die Abgeordneten der beiden Parlamentskammern konnten sich nicht auf einen Kompromisstext einigen. Er stelle daher fest, dass kein Kompromiss zwischen Nationalversammlung und Senat abzusehen sei, sagte Hollande in Paris.

Aus für zentralen Teil der Reaktion auf die Anschläge von Paris

Nach Gesprächen mit den Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern habe er beschlossen, die Debatte zu beenden. Die Verfassungsreform war ein zentraler Teil der französischen Reaktion auf die Pariser Anschläge vom 13. November. Der Sozialist Hollande hatte sie drei Tage nach der Terrornacht mit 130 Toten in einer symbolträchtigen Rede vor allen Abgeordneten und Senatoren im Schloss von Versailles angekündigt. Das Projekt, verurteilten Terroristen die Staatsbürgerschaft aberkennen zu können, stieß in seinem eigenen Lager aber auf Bedenken. Justizministerin Christiane Taubira trat deshalb zurück.

Die konservative Opposition gab Hollande nun die Schuld an dem Scheitern. „Er hat die Bedingungen des Misserfolgs geschaffen“, kritisierte Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der Chef der Republikaner. „Indem er alles und das Gegenteil verspricht, verdammt er das Land in Realität zur Blockade und Unbeweglichkeit.“ Hollande kritisierte dagegen, ein Teil der Opposition sei gegen jegliche Reform der Verfassung gewesen.

Streitpunkt war zuletzt vor allem die Frage, wer von der Ausweitung betroffen sein soll. Bislang kann nur Menschen die französische Nationalität aberkannt werden, die sie erst während ihres Lebens erworben haben. Die von den regierenden Sozialisten dominierte Nationalversammlung wollte keine Einschränkung mehr, um Menschen mit mehreren Nationalitäten nicht zu stigmatisieren.

Hollande ist politisch angeschlagen

Hollande ist nicht nur wegen schlechter Umfragewerte angeschlagen, derzeit ringt die französische Regierung auch um eine umstrittene Arbeitsmarktreform, gegen die bis zum Ende der Woche Demonstrationen angekündigt sind.

Da dürfte ihm die jüngste Erfolgsmeldung der französischen Staatsanwaltschaft gerade recht kommen: Die Beamten haben ein riesiges Waffenarsenal ausgehoben – und dabei zahlreiche neue Informationen gesammelt und womöglich einen weiteren blutigen Anschlag verhindert. Ein vor einer Woche festgenommener Franzose soll zu einem Terrornetzwerk gehören, das mit fünf Kalaschnikow-Schnellfeuergewehren, einer Maschinenpistole und sieben Handfeuerwaffen sowie Sprengstoff und Bombenbauanleitungen kurz vor einem schweren Anschlag stand, teilte der Anti-Terror-Staatsanwalt François Molins mit. Allerdings sei bislang kein klares Ziel identifiziert worden. Zu diesem Zeitpunkt der Ermittlungen deute aber alles darauf hin, dass die Entdeckung des Verstecks im Pariser Vorort Argenteuil eine bevorstehende, extrem gewalttätige Aktion verhindert habe.

Weitere Kritik an Sicherheitsbehörden

Unterdessen kommt aus Deutschland erneut heftige Kritik am Verhalten der Sicherheitsbehörden. Während sowohl die Türkei als auch Israel die belgischen Sicherheitskräfte vor den Attentätern von Brüssel gewarnt haben will – und die USA mittlerweile in Belgien bei der Aufklärung der Hintergründe aktiv beteiligt sind – hat der Spiegel-Autor Sascha Lobo eine Grafik vorgelegt, in der er belegt, dass alle Islamisten, die seit Ende 2014 an den in Europa verübten Anschlägen beteiligt waren, bereits bei den Behörden bekannt gewesen waren. In seiner Erhebung bezieht sich der Journalist auf die Anschläge auf das Jüdische Museum in Brüssel im Mai 2015, den Angriff auf das Satiremagazin Charlie Hebdo in Paris, die Attentate von Kopenhagen, die Anschläge von Paris aus dem vergangenen November und den Terrorakt von Brüssel aus der letzten Woche. Dabei kommt Lobo zu dem Schluss: In irgendeiner Form war jeder der bislang als beteiligt geltenden Personen bei den lokalen Behörden schon im Vorfeld aufgefallen – sei es als Islamist, Antisemit oder Gewaltverbrecher.