Bundespräsident Joachim Gauck und Partnerin Daniela Schadt. (Foto: Xinhua/imago)
Gauck in China

Viel Lob für couragierten Auftritt

Bundespräsident Joachim Gauck hat in China einen großartigen Auftritt hingelegt. Nach Auffassung aller Beobachter meisterte er die heikle Gratwanderung zwischen der Mahnung zur Wahrung der Menschenrechte und dem nötigen Respekt für die Gastgeber vorbildlich. Dabei kam ihm offensichtlich seine Erfahrung als Pfarrer im real existierenden Sozialismus der untergegangenen DDR zu Gute.

Bundespräsident Joachim Gauck hat bei seinem Staatsbesuch im kommunistisch regierten China mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratie angemahnt. Vor Studenten in Shanghai sprach er auch Defizite in der chinesischen Politik und Gesellschaft an. Die universellen Menschenrechte seien keine westliche Erfindung, betonte Gauck. Individuelle Freiheitsrechte könnten nicht dauerhaft durch materielle Güter oder sozialen Status ersetzt werden. „Das menschliche Verlangen nach Freiheit bricht sich immer wieder Bahn.“ Die Macht dürfe sich niemals über das Recht stellen.

Gaucks Rede, die zentrale Botschaft seines fünftägigen Staatsbesuchs, fand in der renommierten Tongji-Universität statt. Gauck bedankte sich für die Anteilnahme nach den Terroranschlägen von Brüssel. „Ich finde es zu Herzen gehend, dass Sie mit uns Europäern die Gefühle teilen.“ Deutlich formulierte Gauck Kritik am Maoismus und dem in China immer noch verehrten Mao Tse-Tung – unmittelbar vor der Universität grüßt eine überlebensgroße Mao-Statue. Er erinnerte an „maoistische Massenkampagnen in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, an Hunger und Verzweiflung, an die verheerende Kulturrevolution“. Mao gilt westlichen Historikern als der größte Massenmörder des 20. Jahrhunderts – gemessen an der Zahl der Todesopfer noch schlimmer als Stalin und Hitler.

Gauck vergleicht China mit der DDR

Auch aktuelle Entwicklungen in China machten Sorgen, sagte Gauck. Als ein Beispiel nannte er Umweltprobleme. „Die langfristigen Ziele des Umweltschutzes müssen bisweilen gegen starke Interessen durchgesetzt werden.“ Dabei sei das Engagement der Bürger besonders wichtig. Manche Nachrichten aus Chinas Zivilgesellschaft seien beunruhigend, sagte Gauck. Er bezog sich, ohne konkret zu werden, auch auf das Vorgehen der chinesischen Regierung gegen Bürgerrechtsanwälte und Menschenrechtler. Gauck berichtete, dass er sich gegenüber der chinesischen Führung für verfolgte Anwälte und Journalisten eingesetzt habe. Konkret angesprochen habe er auch den Fall der Journalistin und Deutsche Welle-Mitarbeiterin Gao Yu, der die Ausreise verweigert wird.

Immer wieder führte der Bundespräsident die deutsche Geschichte und das Scheitern des Sozialismus in der DDR an. Deutschland habe sich erst nach der Katastrophe des Nationalsozialismus und der Niederlage im Zweiten Weltkrieg und zunächst nur im Westen für die Prinzipien der bürgerlichen Freiheit geöffnet: „Unveräußerliche Menschenrechte und Herrschaft des Rechts, Gewaltenteilung, repräsentative Demokratie und Volkssouveränität.“ Seine eigene Erfahrung mit der kommunistischen Herrschaft in der DDR beschrieb Gauck ausführlich: „Es war ein Staat, der sein eigenes Volk entmündigte, einsperrte und jene demütigte, die sich dem Willen der Führung widersetzen.“

Religionsgemeinschaften unter strenger Aufsicht des Staates

Anschließend flog Gauck in die alte Kaiserstadt Xi’an weiter, wo er die Bedeutung der Religionsfreiheit hervorhob. In Xi’an traf er mit Vertretern der christlichen und muslimischen Minderheiten zusammen. Er besuchte die katholische Franz-von-Assisi-Kathedrale und die Große Moschee in der Millionenstadt.

Vor seinem Rückflug nach Berlin traf Gauck nicht nur den Imam Maliang Qi sondern auch den Bischof von Xi’an, Anthony Dang. Der Würdenträger spiegelt die Gratwanderung der Katholiken in China wider. Er wurde von der amtlichen „Patriotischen Kirche“ geweiht, ist zugleich aber auch vom Papst als Bischof anerkannt. Chinas staatlich kontrollierte Kirche lehnt grundsätzlich die Autorität des Papstes ab und ernennt ihre eigenen Bischöfe, was immer wieder zu Spannungen führt.

Die Religionsfreiheit in China ist eingeschränkt. Die kommunistische Führung will Glaubensgemeinschaften unter Kontrolle halten und ausländischen Einfluss verhindern. Vor allem das Christentum findet starken Zulauf. Doch entziehen sich viele Katholiken und Protestanten der staatlichen Aufsicht, was sie zum Ziel von Verfolgung macht.

Gauck treibt sogar Chefideologen der Parteihochschule in die Enge

Gleich zu Beginn des Staatsbesuchs hatte der Bundespräsident die ideologischen Gralshüter der KP Chinas gehörig ins Schwitzen gebracht, als er in der Zentralen Parteihochschule in Peking volle zwei Stunden lang intensiv über Marxismus, Sozialismus sowie die Lehren Lenins und Maos diskutierte. Dabei entwickelte sich ein lebhaftes Gespräch zwischen Gauck, den Marxismus-Professoren und dem Politbüromitglied und obersten Propagandachef der chinesischen Führung, Liu Yunshan. Dabei sorgte Gauck bei vielen Beobachtern für ein amüsiertes Schmunzeln, denn der Bundespräsident zeigte sich „mit allen marxistischen Wassern gewaschen“, wie es aus Delegationskreisen hieß.

Gerade Chefpropagandist Liu Yunshan sei ob der ungewohnten Direktheit und der Fragen des Bundespräsidenten „etwas angespannt gewesen“, berichtet die FAZ-Korrespondendin. So habe der Bundespräsident gefragt, wie sich der Führungsanspruch der kommunistischen Partei mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbaren lasse. Er fragte auch nach der Rolle der Arbeiter und der Gewerkschaften in China und nach dem Schutz der Menschenrechte in der Volksrepublik, so die FAZ. Liu Yunshan rettete sich laut chinesischem Fernsehen aus seiner argumentativen Sackgasse in die abgegriffene Formel, dass Chinas Marxismus ein chinesischer Marxismus und Chinas Sozialismus ein chinesischer Sozialismus sei.

Die chinesische Führung kann über Gaucks offene Worte nicht begeistert gewesen sein. Doch das Außenministerium in Peking übte sich in diplomatischer Zurückhaltung und meinte, Deutschland und China hätten unterschiedliche soziale Systeme, könnten aber durch Dialog das gegenseitige Vertrauen und die Kooperation stärken.

dpa/wog