Lehnt Visa-Erleichterungen für die Türkei ab: EVP-Fraktionschef Manfred Weber. (Bild: Imago/Sebastian Widmann)
EVP-Fraktionschef Weber

Die Türkei bleibt hinter den Erwartungen zurück

Kurz vor dem Besuch der Bundeskanzlerin in der Türkei wächst der Druck auf das Land. Die Grenzsicherung sowie der Umgang mit Flüchtlingen werden diskutiert - aus dem Europaparlament kommt klare Kritik am Verhalten Ankaras. EVP-Fraktionschef Manfred Weber etwa bemängelt, die Türkei bleibe hinter den Erwartungen zurück. Eine Visa-Erleichterung sieht Weber als den völlig falschen Weg.

Im Vorfeld des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Türkei nimmt die Debatte um die Rolle des Landes in der Flüchtlingsfrage wieder Fahrt auf. Die Bundeskanzlerin reist am Montag nach Ankara, um dort mit Staatspräsident Recep Tayip Erdogan und Ministerpräsident Ahment Davutoglu über das weitere Vorgehen im Umgang mit dem Flüchtlingsstrom zu sprechen.

Nach den deutsch-türkischen Regierungskonsultationen vor wenigen Wochen und dem kürzlichen Treffen von Merkel mit der türkischen Spitze im Rahmen der Londoner Syrien-Konferenz ist es die dritte Zusammenkunft zwischen Berlin und Ankara binnen weniger Tage. Das hat einen Grund: Die Türkei ist für den Flüchtlingsstrom nach Europa ein essentiell wichtiges Land – und ist, das sagen zahlreiche Vertreter der deutschen Regierungsparteien, der wichtigste Partner der EU bei der besseren Bewältigung der Krise.

Dabei hatten beide Seiten kürzlich einen Aktionsplan vereinbart, mit dem der andauernde Zuzug in den Schengen-Raum dauerhaft unterbunden werden soll. Genau an diesem Punkt greift die Politik des Fraktionschefs der EVP im Europaparlament, Manfred Weber. Die Türkei mache seit dem Beschluss zwar „einige sichtbare Schritte“, bleibe aber deutlich hinter den Erwartungen Europas zurück, sagte der CSU-Politiker dem Münchner Merkur.

„Das darf auf keinen Fall zu einem noch größeren Migrantenstrom führen“

Besonders die Diskussion um eine Liberalisierung des Visa-Rechts für türkische Bürger kann sich Weber nur sehr schwer vorstellen. Eine „völlige Liberalisierung“, wie sie sich Ankara wünsche, sei „aus heutiger Sicht schwer denkbar“. Ob ernsthafte Verhandlungen über Erleichterungen möglich seien, hänge von einem eindeutigen Rückgang der Migrantenzahlen ab. Auf keinen Fall aber dürften schrittweise Visa-Erleichterungen zu einem größeren Migrantenzustrom nach Europa führen, wie zuletzt bei einigen Balkanstaaten. Generell kritisierte Weber noch einmal die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Türkei in den vergangenen Jahren – das Land habe den demokratischen Weg längst verlassen.

Beim EU-Türkei-Gipfel Ende November hatte die Europäische Union türkischen Staatsbürgern eine visafreie Einreise ab Oktober 2016 in Aussicht gestellt. Das aber gilt nur unter der Voraussetzung, dass die Türkei das Rückübernahme-Abkommen erfüllt – also auch Menschen zurücknimmt, die aus der Türkei kommen und in die Türkei zurückgeführt werden müssen. Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckhardt, sorgte im ARD-Morgenmagazin für etwas Verwunderung mit der Aussage, man müsse die Visafreiheit für die Türkei unbedingt einführen, damit die Menschen dort, insbesondere die jungen Leute, sehen könnten, wie es in demokratischen Ländern zugehe. Aber der fehlende Kontakt zum Westen war es bestimmt nicht, der das Land in Richtung islamische Diktatur gleiten lässt. Denn seit Jahrzehnten sind Millionen türkische Gastarbeiter in EU-Ländern tätig, viele davon sind auch in ihre Heimat zurückgekehrt.

Unterdessen sorgt die von der Türkei angekündigte Einrichtung sogenannter „Schutzzonen“ auf der syrischen Seite der gemeinsamen Grenze für Kritik aus der Bundesregierung. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, sagte, es sei auch bei entsprechenden früheren Vorstößen nicht zufriedenstellen beantwortet worden, „auf welcher völkerrechtlichen Grundlage und mit welchen militärischen Mitteln“ solche Schutzbereiche auf syrischer Seite eingerichtet und verteidigt werden könnten.

Aktuell 80.00 Syrer auf der Flucht in Richtung Türkei

Nach einem Vormarsch der syrischen Regierungstruppen im Norden des Landes sind nach internationalen Schätzungen fast 80.000 Syrer auf der Flucht in Richtung türkischer Grenze. Dort warten schon jetzt rund 10.000 Menschen, die von der Türkei bislang nicht ins Land gelassen werden. Schäfer sprach von einer „extremen humanitären Notlage“.

Neue Gespräche bei der Sicherheitskonferenz

Das Auswärtige Amt betonte die gewachsene Bedeutung der Syrien-Gespräche am 11. Februar in München im Rahmen der Sicherheitskonferenz. Angesichts der stockenden Verhandlungen und der nun bestätigten Teilnahme des iranischen Außenministers Mohammed Dschawad Sarif komme dem Ministertreffen „eine sehr viel größere Bedeutung zu als ursprünglich angedacht“. EIne militärische Lösung der Krise könne es auf keinen Fall geben.