Zeitzeugen der CSU-Geschichte und Bundesminister-Kollegen unter Kanzler Helmut Kohl: Oscar Schneider (l.) und Carl-Dieter Spranger. (Foto: André Freud)
70 Jahre CSU

„Immer den eigenen Grundsätzen treu bleiben“

Interview Aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin: Anlässlich des 70. Geburtstages der CSU sprach Wolfram Göll mit Oscar Schneider und Carl-Dieter Spranger – zwei Franken, die sich viele Jahrzehnte lang an prominenter Stelle in der Partei engagierten und nun auf die Anfänge zurückblicken. Auch das aktuelle Geschehen treibt sie nach wie vor um.

Die CSU wird dieser Tage 70 Jahre alt. Wie kam es dazu, dass nach der Katastrophe des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges Christen beider Konfessionen zusammenkamen, um eine bürgerliche, konservative, aber auch liberale Volkspartei zu gründen?

Oscar Schneider: Der entscheidende Grund – glaube ich – lag darin, dass die nationalsozialistische Ideologie ein radikal falsches Menschenbild hatte. Für sie war der Mensch nur eine Funktion im Staat. Er hatte nur soweit Rechte, als er den ideologischen Notwendigkeiten entsprach: Du bist nichts, dein Volk ist alles. Der Nationalsozialismus war von seinem Programm her die totale Entrechtung und Entwürdigung des Menschen. Josef Müller, der Gründer der CSU, war im Konzentrationslager Buchenwald mit dem Pfarrer Dietrich Bonhoeffer zusammen. Die haben miteinander die Frage erörtert, was soll werden, falls wir überleben. Der erste Grundgedanke war, wir müssen radikal brechen mit dem nationalsozialistischen Menschenbild. Deshalb beginnt der Paragraph 1 der CSU-Satzung mit dem Satz: Die Christlich-Soziale Union erstrebt eine staatliche Ordnung in demokratischer Freiheit auf der Grundlage des christlichen Welt- und Menschenbildes.

Herr Spranger, „christlich“, also das C in der CSU, wie ist das Ihrer Auffassung nach zu verstehen?

Carl-Dieter Spranger: Das C ist zweifelsohne das entscheidende Problem. Denn Katholiken und Protestanten werden unterschiedliche Definitionen haben, was ihnen von ihrer Kirche an Werten und Glaubenslehren vermittelt wird. Ich würde es an der evangelisch-lutherischen Interpretation der Bibel und daraus abzuleitenden Grundsätze der Kirche definieren. Wobei auch festzustellen ist, dass heute viele Menschen das, was ihre Kirchen ihnen an politischen Positionen vermitteln, mit ihrem christlichem Glauben nicht immer vereinbar scheint.

Ultra posse nemo tenetur – Niemand kann gezwungen werden, mehr zu tragen, als er tragen kann.

Oscar Schneider

Wie schaut es mit dem „C“ in der Frage der Einwanderung aus?

Oscar Schneider: Da gilt etwas Elementares: Der Glaube steht nicht im Gegensatz zur Vernunft. Ich muss hier Franz Josef Strauß zitieren, der würde hier sagen: „Ultra posse nemo tenetur. Niemand kann gezwungen werden, mehr zu tragen, als er tragen kann.“ Das ist keine Frage der ethischen Einstellung. Selbstverständlich muss ich dem Obdachlosen, dem Flüchtigen, dem um sein Leben Kämpfenden beiseite stehen. Aber man stelle sich einmal vor: In Deutschland gäbe es keinen Platz mehr, alle Turnhallen, alle Flächen sind ausgeschöpft. Da gibt es noch andere Flecken auf der Welt, wo man teilen muss. Die Solidarität, die Nächstenliebe, die Pflicht, zu teilen mit dem Armen, Schwachen, Kranken, Flüchtigen, darüber hat schon Cicero in „De officiis“ geschrieben, bedeutet nicht, dass ich die Lebensgrundlagen meines eigenen Staates, meiner eigenen Familie zerstören muss. Denn wenn ich sie zerstört habe, kann ich auch dem Flüchtigen nicht mehr helfen.

Die CSU ist auch ein ökumenisches Projekt. Es ging darum, den konfessionellen Gegensatz im politischen Raum zu überwinden.

Oscar Schneider

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die CSU bewusst nicht als katholische Partei gegründet – anders als die Bayerische Volkspartei der Weimarer Zeit – um die politische Zersplitterung zwischen Katholiken und Protestanten zu überwinden. Ist die CSU auch ein ökumenisches Projekt?

Oscar Schneider: Ganz bestimmt. Josef Müller berichtet, dass bei seinen Gesprächen mit Dietrich Bonhoeffer in Buchenwald der Kern war: Wie überwinden wir im politischen Raum die konfessionellen Gegensätze? Die CSU sollte gewissermaßen ein politisches Dach für eine friedliche, freie, liberale Zusammenarbeit der Konfessionen sein. Insofern kann man durchaus sagen – ohne den säkularen Aspekt zu vergessen – dass die CSU den ökumenischen Gedanken praktiziert hat, zu einer Zeit, als er unter den Kirchen unter konfessionellen Aspekten noch nicht so lebendig war.

Sie sind der CSU 1953 beigetreten. Wie haben Sie die damaligen konfessionellen und landsmannschaftlichen Gräben erlebt, die Bayern früher ja viel stärker trennten als heute?

Oscar Schneider: Es war in Nürnberg gewiss weitaus schwieriger als in den fränkischen katholischen Gebieten oder gar in Altbayern. Im Jahr 1960 hat es noch öffentliche Plakate gegeben des Christlichen Volksdienstes in lila Farben: „Nürnberg darf nicht katholisch werden!“ Das war gegen mich gerichtet. Ich durfte als designierter Fraktionsvorsitzender nicht an der Spitze der Liste kandidieren, weil ich katholisch war. Danach kam das Zweite Vaticanum, wo die Religionsfreiheit auch als katholischer Lehrsatz aufgenommen wurde. Es kam Papst Johannes XXIII., da hat sich auf katholischer Seite einiges verändert, einige Öffnungen waren sichtbar, fühlbar. Danach kam die emanzipatorische Revolte der 68-er, dann die Terrorwelle der RAF in den 70-er Jahren. Dies alles dazu beigetragen, dass das christlich Gemeinsame doch mehr in das politische Bewusstsein gedrungen ist. Danach hat in Nürnberg der konfessionelle Gegensatz so gut wie keine Rolle mehr gespielt.

Den angeblichen Gegensatz zwischen Franken und Altbayern habe ich immer für übertrieben gehalten.

Carl-Dieter Spranger

Die CSU ist von Anfang an weiß-blau-bayerisch aufgetreten. Trotzdem wurde sie auch in Franken zur Volkspartei. Wieso?

Carl-Dieter Spranger: Aus meiner Sicht liegt das an der Politik der CSU für Europa, Deutschland und Bayern, und an der starken personellen Repräsentanz, die die CSU auch in Franken entwickelt hat. Es sind ja hier über Jahrzehnte herausragende Politiker aktiv gewesen, die ihre eigene Ausstrahlung entwickelt haben und die man auch nicht als Werkzeuge einer altbayerisch dominierten CSU bezeichnen kann. Ich muss sagen, ich habe diesen angeblichen Gegensatz zwischen Franken und Oberbayern immer für übertrieben gehalten. Das hat natürlich vor allem dem politischen Gegner gepasst, wenn man gesagt hat, die Franken haben nichts zu melden, und die Oberbayern bestimmen über die Köpfe der Franken hinweg. Da war immer viel Politspektakel dabei.

Allerdings muss noch heute jeder Ministerpräsident darauf achten, dass alle Landesteile im Kabinett einigermaßen ausgewogen vertreten sind. Die Norddeutschen belächeln diesen bayerischen Regionalproporz gern.

Carl-Dieter Spranger: Die Wahlergebnisse der CSU zeigen, dass vielleicht die Norddeutschen dieses ausbalancierte System unterschiedlicher regionaler Interessenwahrnehmung auch etwas stärker berücksichtigen sollten. Ich finde es sehr gut, dass beim Personal und in der Sachpolitik flächendeckend bayerisch-fränkische Interessen wahrgenommen werden. Das ist offensichtlich ein hervorragend funktionierendes System.

Die Freiheit als oberstes Prinzip des Handelns ergibt sich aus dem christlichen Menschenbild der CSU.

Oscar Schneider

Herr Schneider, als Sie 1953 der Partei beigetreten sind, war die CSU noch lang keine 50-Prozent-Partei. Hingegen wurden in den späten 1970er und 1980er Jahren die Begriffe „Bayern“, „Strauß“ und „CSU“ beinahe Synonyme. Wie kam das?

Oscar Schneider: Als ich beigetreten bin, war bei der vorhergehenden Kommunalwahl die KPD stärker als die CSU gewesen. Das erklärt sich so, dass damals die Jungen gegen die Alten, die Katholiken gegen die Protestanten und so weiter gekämpft haben. Nach meiner Auffassung hat die CSU diese politische Stärke gewonnen, weil unser Grundsatzprogramm, unser Menschenbild, unser Politik-Ansatz mit den Lebensrealitäten sehr gut übereinstimmt. Zweitens hat die CSU die richtige Antwort gegeben auf die großen Fragen der Zeit, die etwa Adenauer in seiner Regierungserklärung 1949 angesprochen hat. Wir haben es bei zwölf Millionen zerstörten Wohnungen und zwölf Millionen Flüchtlingen verstanden, unsere deutschen Landsleute, die bei uns Schutz und Dach suchten, unterzubringen. Wir haben vor allem in der sozialen Frage die marktwirtschaftlichen Ordnungsvorstellungen von Ludwig Erhard vorgetragen und durchgesetzt: Jedem eine Chance geben. Der Unternehmer konnte seine unternehmerischen Entwicklungspläne verwirklichen, und der Arbeiter wurde aus dem Status des Proletariers herausgeführt zu einem gleichberechtigten Sozialbürger in unserer Lebenswirklichkeit. Die CSU hat eine große Befreiungsarbeit geleistet und war in ihren Aktivitäten eine ganz und gar moderne Partei. Das richtige, christliche Menschenbild der CSU verwirklichte sich darin, dass die Freiheit das oberste Prinzip unseres Handelns ist. Der evangelische Theologe Helmut Thielicke sagt: Freiheit bedeutet nicht, dass wir tun dürfen, was wir wollen, sondern dass wir werden dürfen, was wir sollen. Wir müssen nur wissen, was wir sollen. Im Augenblick sind wir in einem Zustand, dass wir mehr können, als wir dürfen, aber nicht wissen, was wir sollen. Das ist ein Problem, das sich zu allen Zeiten gestellt hat. Die CSU ist eine Partei, die sich jeden Tag auf ihre Prinzipien besinnen muss. Zu sagen, wir sind eine christliche Partei, ist ein hoher, ich würde sogar sagen, es ist der höchste Anspruch. Es ist außerordentlich schwer, in der Härte und Gegensätzlichkeit des realen Lebens ganz und gar nach christlichen Prinzipien und Geboten zu leben. Es gab allerdings einige Persönlichkeiten aus der CSU, die in den verschiedensten herausgehobenen Positionen vorbildlich gehandelt haben. Kein Mensch ist vollkommen, die christliche Gnadenlehre weiß das und geht vom sündigen Menschen aus. Aber für die CSU gilt der Grundsatz, der Glaube ist ein Akt der personalen Freiheit. Niemand darf zum Glauben gezwungen werden. Insofern sind wir auch eine liberale Partei, was Strauß auch immer betont hat. Im Sinn der Libertas Christiana, der christlichen Freiheit.

Herr Spranger, Sie sind im Jahr 1968 der CSU beigetreten – also nicht als Jugendlicher, sondern bereits als gestandenes Mannsbild. Das war eine Zeit harter, sogar erbitterter politischer Auseinandersetzungen. Warum sind Sie gerade damals zur CSU gekommen?

Ich bin 1968 wegen Strauß und seiner klaren, kämpferischen und mutigen Politik in die CSU eingetreten.

Carl-Dieter Spranger

Carl-Dieter Spranger: In der Tat, ich bin ein alter 68er, allerdings in der Gegenrichtung (lacht). Ich war 1968 Staatsanwalt und habe unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaates und des inneren Friedens die linksextremistischen gewalttätigen Exzesse mit großer Sorge und Empörung erlebt. Ich habe mir gesagt: Angesichts dieser Herausforderung des Rechtsstaates durch die Nachfolger der schrecklichen Frankfurter Schule sind die gesetzestreuen Bürger herausgefordert, Position zu beziehen. Da war es für mich an der Zeit, in eine Partei einzutreten, und da kam für mich allein die CSU von Franz Josef Strauß in Frage. Ich bin wegen Franz Josef Strauß und seiner klaren, kämpferischen und mutigen Politik in die CSU eingetreten. Auch um später einem Vorwurf meiner Kinder vorzubeugen, denn viele haben ja nach 1945 ihre Eltern gefragt, warum sie 1933 nicht aktiv geworden sind, um die Bedrohung durch Links- und Rechtsextremismus wirksam einzugrenzen.

Die deutsche Einheit ist die historische Leistung von Helmut Kohl. Dass die Medien das verschwiegen haben, das beklage und tadle ich sehr.

Oscar Schneider

Sie, Herr Schneider, waren in den 80er Jahren acht Jahre lang Bundesbauminister unter Helmut Kohl und waren hautnah dabei, wie es zur deutschen Einheit gekommen ist. Viele Deutsche haben das als ein Wunder erlebt: Die deutsche Einheit in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung, mit der Westbindung und ohne einen einzigen Schuss. Wie haben Sie das damals erlebt?

Oscar Schneider: Man kann die Ereignisse vom Herbst 1989 bis Oktober 1990 als eine wunderbare Fügung betrachten. Wenn einer davon ausgeht, dass die letzten Dinge auf Erden auch einer höheren Einflussnahme zuzuschreiben ist – und ein Christ wird das immer tun –, dann wird er auch wissen, dass der liebe Gott auch immer Menschen auf Erden braucht, die seinen Willen erfüllen. Es ist schwer, den Willen Gottes zu erkennen. Die deutsche Einheit – das Fundament hat Adenauer gelegt, weil er von Anfang an gesagt hat: „Wir wählen die Freiheit.“ Dass er das Bündnis mit der freien westlichen Welt, den Eintritt in die Nato, die Aussöhnungspolitik, die dann in genialer Weise Helmut Kohl fortgesetzt hat. Dass die russischen Panzer nicht mehr gerollt sind am 9. und 10. November 1989, das ist das Ergebnis einer weitschauenden Politik, die ganz wesentlich, nicht ausschließlich, aber ganz wesentlich von Unionspolitikern betrieben worden ist. Im ganz konkreten Fall – und das ist die geschichtliche Leistung von Helmut Kohl, über die man leider im Jubiläumsjahr nicht gesprochen hat, was ich sehr beklage und tadle – bestand darin, dass er in kluger Weise das Vertrauen von Gorbatschow gewonnen hat, von Bush Vater, und dass er auch mit Mitterand so viel innere Vertrauensgemeinsamkeiten entwickeln konnte, dass die tragfähigen Voraussetzungen, die Vertrauensvoraussetzungen, gegeben waren. Es gibt den griechischen Begriff Kairos, der besagt, bestimmte Dinge sind nur zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt möglich. Wer den Zeitpunkt richtig erkennt und konsequent handelt, das ist der, dem geschichtliche Größe nach Jacob Burckhardt zukommt. Und das ist Kohl gelungen. Dass das Volk es wollte, das ist ganz klar, denn wenn das Volk es nicht gewollt hätte, wäre gar nichts geschehen. Aber dem Volk die Chance einzuräumen, zu erkämpfen, durch kluge Diplomatie, durch weitschauende politische Projektionen, das hat Helmut Kohl gemacht und mit ihm natürlich die Unionsparteien, die CDU, und ganz gewiss die CSU. In diesem Punkt gab es in der CSU niemals eine Spaltung der Meinung, das war opinio communis, der gemeinsame Wille. Das können wir ohne Überheblichkeit auf unsere Erfolgsfahne schreiben.

Wenn heute von Bekämpfung der Fluchtursachen die Rede ist – das ist klassische Entwicklungspolitik.

Carl-Dieter Spranger

Herr Spranger, Sie waren im Bundeskabinett für Entwicklungshilfe zuständig. Im Grunde könnte mancher Zeitgenosse sagen: Die dritte Welt ist so weit weg, warum muss sich gerade die CSU darum kümmern? Warum ist die Entwicklungshilfe so wichtig für die CSU?

Carl-Dieter Spranger: Das Entwicklungsministerium war für die CSU immer auch die Möglichkeit, außenpolitischen Einfluss geltend zu machen. Das haben Franz Josef Strauß und seine Nachfolger durchaus verstanden, um mit diesem Ministerium die CSU als außenpolitisch wichtigen Faktor bewusst zu machen und in den Außenbeziehungen der Bundesrepublik Deutschland entscheidend mitzuwirken. Wenn ich jetzt die Diskussionen über Fluchtursachen-Bekämpfung durch Entwicklungspolitik verfolge, das ist ja keine Erfindung angesichts der katastrophalen Entwicklung im letzten Jahr. Das habe ich schon in den 1990er Jahren als Minister praktiziert und Anforderungen an den Haushalt damit begründet, dass es sinnvoller ist, Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen als die Menschen nach Europa kommen zu lassen. An diesen Ideen ist nichts neues, aber der Wirkungsgrad der Argumentation war 1990/91 nicht so, wie man es sich wünschen würde. Dann hätten wir diese Probleme heute möglicherwiese nicht in diesem Ausmaß.

Die Parteiführung muss sich immer auch innerlich den Gründungsideen verpflichtet fühlen.

Oscar Schneider

Dieser Tage wird die CSU 70 Jahre alt. Abgesehen von guten Wahlergebnissen – was wünschen Sie der Partei zum Geburtstag?

Oscar Schneider: Ich wünsche, dass es immer gelingt, dass Persönlichkeiten an der Spitze stehen in allen Bereichen, wenn jemand ein Mandat erwirbt, der sich den Gründungsideen nicht nur formal, sondern innerlich verpflichtet fühlt. Die CSU braucht – wie die Demokratie insgesamt – eine tägliche Erneuerung. Sie muss immer verteidigt werden. Sie wird immer angefochten werden. Wir müssen die Antennen weit ausfahren, um aufzunehmen, was die Zeit von uns verlangt, aber wir müssen die richtigen Antworten geben. Wir dürfen uns nicht in Klausur begeben und sagen: Was die Welt da draußen treibt, geht uns nichts an. Wer Politik betreibt, der hat es mit der Welt zu tun. Die politische Verantwortung besteht darin, dass man das Wissen aus der Vergangenheit und die Möglichkeiten der Gegenwart mit einer Zukunftsperspektive verantwortlich verbindet. Ich bin davon überzeugt, wir werden nur dann einen sicheren Weg in die Zukunft finden, wenn wir die deutschen Interessen in verantwortlicher Weise mit den Interessen unserer Nachbarn in Europa in Einklang bringen. Und wenn wir in den Grundprinzipien danach handeln, was wir nach unserer christlich-sozialen Idee und Gründungsvorstellung für richtig gehalten haben. Es geht darum, dass wir unser Menschenbild verteidigen. Ich sehe, dass in der Entwicklung in Deutschland und manchen europäischen Ländern diese Orientierung, diese Sicherheit nicht mehr so vorhanden ist, wie sie sein sollte, und dass man eine prinzipielle Grundsatzdebatte durchaus führen muss.

Die Wirklichkeit des Lebens muss immer Maßstab der Politik der CSU bleiben – und nicht der politisch korrekte Wohlfühlsprech.

Carl-Dieter Spranger

Carl-Dieter Spranger: Die CSU sollte bei ihren altbewährten Grundsätzen bleiben. Ich bin froh und dankbar dafür, dass die CSU gerade in dieser für Deutschland gefährlichen Politik der weitgehenden Hinnahme der Völkerwanderung klare Positionen bezogen hat – mutig, kraftvoll, realistisch, die Sorgen der Menschen ernst nehmend, eben nicht abhängig von Medienmanipulationen und dieser die Demokratie bedrohenden politischen Korrektheit. Mit dem politisch korrekten, konturenlosen, nahezu einheitlichen Wohlfühlsprech, der die Probleme und unterschiedlichen Ansichten nicht mehr deutlich beim Namen nennt, schafft man vielleicht zeitweise Ruhe, aber löst keine Probleme – im Gegenteil. Die Wirklichkeit des Lebens und der Menschen müssen weiterhin Maßstab der Politik der CSU bleiben.

Das Interview führte Wolfram Göll.