Beate Zschäpe unterhält sich mit ihrem Anwalt im Landgericht in München vor Beginn des 422. Verhandlungstages im NSU-Prozess. (Foto: imago)
NSU-Prozess

Lebenslang für Zschäpe

Beate Zschäpe ist als Mitglied der rechtsextremen Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, die Verteidigung hat Revision eingelegt.

Beate Zschäpe wurde wegen zehnfachen Mordes zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Sie gilt als drittes Mitglied der rechtsextremistischen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ NSU. Das Oberlandesgericht München stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen. Das Urteil muss vom Bundesgerichtshof überprüft werden. Mehrere Verteidiger kündigten Revision an. Mit dem Schuldspruch endete nach mehr als fünf Jahren und fast 440 Verhandlungstagen einer der längsten und aufwendigsten Indizienprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Das Gerichtsurteil kann jedoch den Schmerz der Angehörigen und das Leid der überlebenden Opfer nicht lindern.

Horst Seehofer, Bundesinnenminister

Der Mitangeklagte Ralf Wohlleben wurde als NSU-Waffenbeschaffer zu zehn Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sprach ihn der Beihilfe zum Mord in neun Fällen schuldig. Weitere Mitangeklagte erhielten drei Jahre Haft, drei Jahre Jugendstrafe und zweieinhalb Jahre Haft.

Seehofer: Respekt für Angehörige der Opfer

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat den Angehörigen der NSU-Opfer Respekt gezollt. Nach dem Verlust geliebter Menschen hätten sie Jahre der Ungewissheit und zum Teil falsche Verdächtigungen durch die Strafverfolgungsbehörden ertragen müssen, sagte Seehofer. „Mein ganzer Respekt gilt der Kraft der Angehörigen der ermordeten Opfer und den zum Teil schwer verletzten Überlebenden des NSU. Das Gerichtsurteil kann jedoch den Schmerz der Angehörigen und das Leid der überlebenden Opfer nicht lindern“, betonte der Minister. „Die im Gerichtsverfahren behandelten Verbrechen sollten uns Lehre und Auftrag sein, den Rechtsextremismus in Deutschland mit allen notwendigen Mitteln sowohl präventiv als auch repressiv auch in Zukunft entschieden zu bekämpfen.“

Das ist für die kaltblütige und beispiellose Verbrechensserie des NSU eine gerechte Strafe.

Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister

Das Urteil im NSU-Prozess nach Ansicht des bayerischen Ministerpräsident Markus Söder dem Gerechtigkeitsempfinden der meisten Menschen in Deutschland. „Mit dem Urteil können die Menschen gut leben und stehen auch dahinter“, sagte Söder in München. Das Urteil zeige, dass der Rechtsstaat arbeitsfähig sei und nach strengen Gesetzen handle. „Das ist ein Signal ins Land hinein gegenüber all solchen Gruppen, die so was vielleicht vorhaben, und ist aber auch ein Signal in die Weltgemeinschaft hinaus, dass bei uns alle, die sich so benehmen, hart bestraft werden.“

Maßnahmen gegen Rechtsextreme

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann begrüßte das Urteil ebenfalls: „Das ist für die kaltblütige und beispiellose Verbrechensserie des NSU eine gerechte Strafe.“ Er hoffe, dass damit auch den Angehörigen der vielen Opfer die Bewältigung ein Stück weit erleichtert werde, „auch wenn wir alle diese schrecklichen Taten niemals vergessen können“. Für den Minister ist klar: „Dass der NSU über Jahre hinweg unbehelligt schwerste Straftaten verüben konnte, ist für uns Mahnung und Auftrag zugleich, dass sich solche Taten nie wieder wiederholen dürfen! Unsere Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern haben deshalb insbesondere den Kampf gegen Rechtsextremismus erheblich verstärkt.“ Besonders wichtig seien vor allem der deutlich verbesserte Informationsaustausch und die intensivierte Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern.

Der rechtsextremistische Terrorismus darf mit dem Ende des Prozesses nicht als erledigt betrachtet werden.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden

Laut Herrmann wurde im Bund und in Bayern eine Vielzahl von Maßnahmen umgesetzt. „Auf Bundesebene haben wir hierfür beispielsweise 2011 das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus eingerichtet, welches mittlerweile zum Gemeinsamen Extremismus- und Terrorabwehrzentrum weiterentwickelt wurde“, so der Minister. „Außerdem haben wir eine gemeinsame Rechtsextremismus-Datei geschaffen, in der die Datenbestände von Polizei und Verfassungsschutz zusammengeführt wurden.“

In Bayern wurde unter anderem die Aus- und Fortbildung bei der Bayerischen Polizei intensiviert und die Arbeit von Sonderkommissionen noch besser koordiniert. „Außerdem haben wir unser Landesamt für Verfassungsschutz im Kampf gegen Rechtsextremismus neu strukturiert und personell verstärkt“, ergänzte Herrmann. „Zusätzlich haben wir das Bayerische Verfassungsschutzgesetz umfassend novelliert, beispielsweise mit strengen Regeln zum Einsatz von V-Leuten.“ Auch die Präventionsarbeit im Bereich des Rechtsextremismus wurde ausgebaut.

Kein Schlussstrich

Zum Urteil erklärt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster: „Der rechtsextremistische Terrorismus darf mit dem Ende des Prozesses nicht als erledigt betrachtet werden. Das Umfeld des NSU liegt weiterhin im Dunkeln. Hier sind noch viele Fragen offen. Zudem wächst die rechtsextreme Szene und radikalisiert sich.“ Über die AfD hätten nach Einschätzung von Beobachtern Teile der rechtsextremen Szene Zugang zu den Parlamenten und damit neue Möglichkeiten, die Demokratie auszuhöhlen. „Diese Gefahr muss von der Bundesregierung ernster genommen werden, als es bisher der Fall ist“, so Schuster.

Das rechtsextremistische Trio NSU

Der NSU war 2011 aufgeflogen. Zschäpe hatte fast 14 Jahre lang mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. In dieser Zeit ermordeten die beiden Männer neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. Zudem begingen sie zwei Sprengstoffanschläge mit vielen Verletzten und mehr als ein Dutzend Raubüberfälle. Jahrelang hatten die Ermittler falsche Fährten verfolgt und den rechtsextremen Hintergrund der Taten verkannt.

Über fünf Jahre war eine der zentralen Fragen im Prozess, ob Zschäpe als Mittäterin verurteilt werden kann, weil es keine Beweise gibt, dass sie an einem der Tatorte war.

(dpa)