Mehrere Fahrzeuge der Essener Tafel wurde mit dem Wort "Nazis" beschmiert, weil der Verein vorübergehend keine nichtdeutschen Neukunden mehr aufnehmen will. (Bild: Imago/epd/Thomas Berend)
Tafeln

„Wir haben Deutsche diskriminiert“

Die Entscheidung der Essener Tafel, vorerst nur noch Deutsche neu in ihre Kartei bedürftiger Menschen aufzunehmen und Essen an sie auszugeben, schlägt weiter hohe Wellen. Die CSU stützt die Tafel: Die Balance müsse wieder hergestellt werden.

Der Verein in Essen – einer von bundesweit Hunderten – gibt Lebensmittelspenden kostenlos an registrierte Empfänger von Sozialleistungen, also auch an anerkannte Flüchtlinge, weiter. Die Essener Tafel stellt aber seit dem 10. Januar neue Kundenkarten zum Empfang der Lebensmittel bis auf weiteres nur noch für deutsche Staatsbürger aus.

Die Folgen der Flüchtlingswelle

Begründet wird dies mit dem seit 2015 durch die vielen Flüchtlinge gestiegenen Ausländeranteil von 35 auf mittlerweile 75 Prozent unter den rund 6000 Warenempfängern. Dies seien zudem in erster Linie junge Männer. Deshalb fühlten sich etwa viele ältere Einheimische und alleinerziehende Frauen nicht mehr wohl und nähmen das Hilfsangebot nicht mehr wahr. Der Vereinsvorsitzende Jörg Sartor hatte gerade bei jungen Migranten teilweise auch „mangelnden Respekt gegenüber Frauen“ beobachtet. Auch fehle manchem die hierzulande übliche „Anstellkultur“ in der Schlange. Das habe dazu geführt, dass sich auch Tafel-Mitarbeiter nicht mehr wohl fühlten. Der Beschluss bedeute lediglich, dass Neuregistrierungen für Ausländer vorübergehend ausgesetzt werden, um das Verhältnis wieder ausgewogener zu machen.

Die Tafel wehrt sich

In einem Interview der Bild-Zeitung verteidigte sich Sartor, viele Migranten würden sich anders benehmen. „Die Erwartungshaltung ist höher. Es ist so, dass viele meinen, wir wären verpflichtet, Lebensmittel auszugeben, wir wären eine staatliche Einrichtung. Sind wir aber nicht“, betonte er. Sartor hatte schon im September 2016 in der WAZ vor dieser Entwicklung gewarnt: „Die Oma kommt nicht mehr, weil so viele Männer vor der Tür stehen“ – meist junge Ausländer. Dass die „manchmal drängeln und schubsen“, berichtete damals bereits eine Kundin.

Es ist doch in Wirklichkeit so, dass wir Deutsche diskriminiert haben, so wie das hier lief.

Jörg Sartor, Essener Tafel

Die Essener Tafel hält derzeit weiter an ihrem Aufnahmestopp fest. Es werde innerhalb der nächsten zwei Wochen ein Runder Tisch gegründet, um über die künftige Lebensmittelverteilung nachzudenken, teilte die Stadt Essen nach einer außerordentlichen Sitzung des Tafel-Vereins mit. Man sie sich aber einig, dass Alleinerziehende, Senioren und Familien mit minderjährigen Kindern im Mittelpunkt stehen sollten.

Hilferuf des Oberbürgermeisters

In Essen gibt es schon länger überdurchschnittlich viele Arme, verschärft seit der Flüchtlingskrise. 2015 und 2016 musste die Stadt jeweils 4000 Flüchtlinge aufnehmen – und damit mehr als alle osteuropäischen EU-Staaten zusammen. Mittlerweile empfangen rund 100.000 Personen in der Stadt Hartz IV oder andere staatliche Transferleistungen und sind damit auch zur Tafel berechtigt.

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen hatte bereits im vergangenen Jahr auf die massiven Probleme in seiner Stadt hingewiesen und eine Obergrenze bei der Zuwanderung verlangt: „Auch in Essen gefährdet das Zusammenwirken von Transferbezug, gestiegenen Flüchtlingszahlen, dem diffusen Gefühl mangelnder Sicherheit, Bildungsbenachteiligung, Desintegration, eingeschränkter Teilhabe und gesundheitlicher Beeinträchtigung den sozialen Frieden.“

CSU unterstützt die Entscheidung

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verteidigt die Essener. „Es ist richtig, dafür zu sorgen, dass es nicht zu einer Verdrängung kommt an der Tafel“, sagte er am Dienstag. Er habe mit dem Vereinsvorsitzenden Sartor gesprochen und unterstütze dessen Weg. Es dürfe nicht sein, dass „die, die angestammt berechtigt sind“, durch respektloses Verhalten anderer von der Tafel ausgeschlossen würden. „Der Handlungsdruck war groß an dieser Stelle“, so Dobrindt. Die Balance müsse wieder hergestellt werden. Die Situation bei der Lebensmittelausgabe in Essen zeige, „dass die Integrationsfähigkeit unseres Landes eine Grenze hat“.

Es ist richtig, dafür zu sorgen, dass es nicht zu einer Verdrängung kommt an der Tafel.

Alexander Dobrindt, CSU

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer äußerte sich ähnlich. Jede Tafel stehe vor der Problematik, dass sie nur eine gewisse Menge an Lebensmitteln zur Verteilung habe, so der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion zur Passauer Neuen Presse. „Dabei müssen wir entschieden dem Eindruck entgegenwirken, dass wegen der Migrations- und Flüchtlingskrise und den enormen Mitteln, die der Staat für Flüchtlinge und Migranten aufwendet, hilfsbedürftige Deutsche schlechter gestellt werden und kürzer treten müssen.“

Auch CSU-Chef Horst Seehofer zeigte Verständnis für die Entscheidung der Tafel. „Das ist ja ein Hilferuf von Menschen, die sich um Mitmenschen kümmern“, sagte er am Mittwoch. „Und ich würde uns Politikern empfehlen, solche Dinge nicht zu kritisieren, sondern miteinander zu überlegen, wie man denen, die diesen Hilferuf absetzen, helfen kann.“

Kritiker ohne Kenntnisse

Die Kritiker der Essener Tafel waren vor allem in linken Parteien zu finden. So hatte Bundessozialministerin Katarina Barley (SPD) erklärt, eine Gruppe von Menschen pauschal auszuschließen, fördere Vorurteile und Ausgrenzung. Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) twitterte, ihr laufe es „eiskalt den Rücken herunter“, wenn „Essen nur für Deutsche“ ausgegeben werde. SPD-Politiker Karl Lauterbach klagte auf Twitter, dass „Ausländerhass sogar bei den Ärmsten angekommen“ sei. Dabei sei „Hunger für jeden gleich“. Die Essener Grünen sprachen von „Diskriminierung und Vorurteilen“.

Der Essener Tafel-Chef reagierte wütend auf die Angriffe: „Jetzt haut ein Haufen Politiker auf uns ein, ohne sich zu informieren“, beklagte er in der Bild. „Die sollen sich mal herbewegen und vor Ort mitarbeiten – danach können sie sich gerne äußern.“ Das sei „alles Schlausprecherei“. Bei vielen anderen der mehr als 900 Tafeln in Deutschland gebe es immer mal wieder generelle Aufnahmestopps oder würden Rentner und Ausländer an verschiedenen Tagen bedient. „Es ist doch in Wirklichkeit so, dass wir Deutsche diskriminiert haben, so wie das hier lief.“