Die Zeit scheint stehengeblieben: Der Charme der 1960er Jahre lockt viele Touristen nach Kuba. Auch für Investoren bietet sich auf der Karibikinsel ein breites Feld, das bestehende US-Embargo ist jedoch hinderlich. Bild: Imago/Peter Widmann
Chance für Investoren?

Deutsche Wirtschaft zu Gast auf Kuba

Jahrzehntelang war Kuba isoliert, nun öffnet sich die sozialistische Karibikinsel der Welt. Davon zeugen nicht nur staatlich zensierte Internet-„Hotspots“ für die Bevölkerung, sondern auch Investoren, die Geschäfte machen. In diesen Tagen ist der deutsche Wirtschaftsminister mit einer 60-köpfigen Delegation zu Gast in Havanna. Er lässt es langsam angehen.

Sigmar Gabriel machte sich erst gar nicht die Mühe, die Latte zu hoch zu legen. Zwar sieht der SPD-Politiker für die deutsche Wirtschaft große Geschäftschancen in Kuba, ließ er beim Anflug auf Havanna wissen. Das aber erst auf längere Sicht: „Insofern darf man nicht zu große Erwartungen haben, wir stehen da noch am Anfang“, dämpfte der Wirtschaftsminister jegliche Euphorie, noch bevor die Delegation am Boden war. Die ersten Ergebnisse der Reise waren dann auch überschaubar. Mit dem kubanischen Außenwirtschaftsminister Rodrigo Malmierca wurde zum Beispiel die Eröffnung eines deutschen Handelsbüros in Havanna vereinbart, zudem forderte Gabriel bessere Bedingungen für deutsche Investoren. Die dürften allerdings zumindest in naher Zukunft weiter mit Problemen kämpfen. Das US-Embargo gegen Kuba besteht schließlich noch immer, und es erlaubt den meisten Firmen nicht, gleichzeitig Geschäfte mit den USA und der Karibikinsel zu machen, anderenfalls drohen Strafen.

Kuba auf Rang 101 der deutschen Exportländer

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich derzeit gerade einmal 50 deutsche Firmen auf der Karibikinsel engagieren und Kuba auf der Rangliste der deutschen Exportländer zuletzt auf Platz 101 dümpelte. Die Handelsbeziehungen zwischen Kuba und Deutschland sind übersichtlich: Für rund 191 Millionen Euro exportierte die Bundesrepublik 2014 Waren in den Karibik-Staat, im Jahr davor für 185 Millionen Euro. Geliefert wurden aus Deutschland vorrangig Maschinen, chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, Kunststofferzeugnisse, Nahrungsmittel, Medizintechnik, Kraftfahrzeuge und Ersatzteile. Kuba lieferte nach Angaben des Auswärtigen Amtes im selben Zeitraum vor allem alkoholische Getränke, Tabakwaren sowie Obst- und Gemüsesäfte im Gesamtwert von 33 Millionen Euro nach Deutschland. Große Geschäfte sehen anders aus.

Wirtschaftszweig Tourismus brummt

Zurzeit gibt es auf Kuba nur einen Wirtschaftszweig, der so richtig brummt: der Tourismus. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes besuchten 2014 drei Millionen Gäste die Insel. Darunter waren 140.000 Deutsche, die damit zahlenmäßig hinter Kanadiern und US-Amerikanern immerhin an dritter Stelle der Herkunftsländer stehen.

Deutschland politisch auf Kurs der EU

Politisch fährt Deutschland den Kurs der EU, der Verhandlungen über ein Abkommen zur Zusammenarbeit und politischen Dialog vorsieht. Deutschland begrüße die im Dezember 2014 eingeleitete Wiederannäherung zwischen den USA und Kuba und die wirtschaftlichen Reformbemühungen in Kuba, heißt es offiziell. Einer „Intensivierung seiner eigenen Beziehungen mit Kuba“ stehe Deutschland aufgeschlossen gegenüber, drücken es die Diplomaten mit gebotener Vorsicht aus.

Explosive Geschichte

Die Beziehungen zwischen Nordamerika und der Karibikinsel waren über Jahrhunderte höchst explosiv. Die USA sahen Kuba die längste Zeit als eine Art Halbkolonie an, deren Annexion als zu schwierig empfunden wurde. Washington überließ die Insel lieber Diktatoren, die sich im Ernstfall Amerikas Schutz sicher waren. Der letzte „starke Mann“ war Diktator Fulgencio Bastita, der mit seiner Familie 1959 von Fidel Castro aus dem Land gejagt wurde. Vorangegangen war ein jahrelanger Guerillakrieg, den Castro aus den Bergen der Insel geführt hatte. Der gefeierte Freiheitskämpfer manövrierte das Land jedoch rasch in eine totalitäre Herrschaft inklusive Straflagern nach dem Vorbild der Sowjetunion. Eine Massenflucht nach Amerika setzte ein. Die USA, beziehungsweise die CIA, versuchten gegenzusteuern und das Castro-Regime von innen heraus durch Propaganda zu schwächen – vergeblich. Auch eine schlecht vorbereitete Landungsoperation von Exil-Kubanern in der „Schweinebucht“ scheiterte 1961 kläglich.

Großer Bruder Sowjetunion

Der Höhepunkt der Krise war die Einladung Castros an den damaligen Kreml-Chef Nikita Chruschtschow, Soldaten der Roten Armee und Nuklearwaffen auf die Insel zu bringen. Als Amerika 1962 die Mittelstreckenraketen auf den Schiffen in Richtung Kuba entdeckte, stand die Welt kurz vor dem Dritten Weltkrieg. Letztlich siegte die Diplomatie. Die Russen machten kehrt, die Amerikaner zogen dafür ihre Raketen aus der Türkei ab. Der Gewinner der Auseinandersetzung war Castro, er konnte weiter auf die Unterstützung des großen Bruders in der Sowjetunion bauen.

Barack Obama läutet die Wende ein

Das Embargo samt eisigem Schweigen zwischen den USA und Kuba dauerte daraufhin mehr als 50 Jahre an. Erst der demokratische US-Präsident Barack Obama durchbrach es vor gut einem Jahr und kündigte die Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen an. „Die Isolation Kubas hat nicht funktioniert“, sagte der Präsident und stellte Lockerungen der Wirtschaftssanktionen in Aussicht. Auch Kuba bestätigte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, und es wurden Gefangene ausgetauscht. So ließ Kuba unter anderem einen US-Bürger und einen seit 20 Jahren auf Kuba inhaftierten US-Spion frei, im Gegenzug durften auch drei kubanische Spione aus den USA zurück in ihre Heimat.

Autos und Landwirtschaft auf dem Stand der 1960er Jahre

Nun warten das Land und seine elf Millionen Einwohner auf Investoren: Unter anderem müssen marode Straßen saniert und Gebäude renoviert werden. Nicht nur viele Autos, die über die Insel rollen, sind auf dem Stand der 1960er Jahre stehengeblieben, sondern auch die Landwirtschaft. Nahrungsmittel wie Reis oder Bohnen werden für viel Geld aus Asien und Brasilien importiert.