Geschäftserwartungen nach Regionen: Auf den USA ruhen derzeit die größten Exporthoffnungen der bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Graphik: bayme/vbm
Konjunkturbericht

„Lage gut, Geschäftserwartungen mäßig, Unsicherheit groß“

Der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie geht es gut: durchschnittlich 3,5 Prozent Nettoumsatzrendite, 18.000 neue Arbeitsplätze. Große Exporthoffnungen richten sich für 2016 auf Amerika. Aber zum Jahreswechsel türmen sich politische Unsicherheiten in Südeuropa, Ukraine, und Mittelost. Das China-Geschäft erscheint labil. Vom Gesetzgeber wünschen sich die Unternehmen Flexibilität.

„Lage gut, Geschäftserwartungen mäßig, Unsicherheit groß“ – das ist die Konjunktur-Bilanz des Bayerischen Unternehmensverbandes Metall und Elektro (bayme) und des Verbandes der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie (vbm) aus einer Umfrage an der sich 231 Unternehmen mit zusammen 330.000 Beschäftigten beteiligt haben. „Wir erleben derzeit eine Scheinkonjunktur, die vom Konsum getrieben ist“, resümiert und warnt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer beider Verbände, bei der Präsentation der Umfrageergebnisse.

53 Prozent der Firmen beurteilen für das zurückliegende Halbjahr das Inlandsgeschäft als positiv, nur vier Prozent als negativ. Womit das Positiv-Saldo sich seit der Sommer-Umfrage von 38 auf knapp 50 Prozentpunkte erhöht hat. 55 Prozent der Unternehmen erzielten 2015 eine Rendite von drei Prozent und mehr. Auf der anderen Seite rechnen 7,5 Prozent der Unternehmen damit, Verluste zu schreiben, 3,3 Prozent kommen über die schwarze Null nicht hinaus und knapp 15 Prozent erzielen eine unzureichende Rendite von unter zwei Prozent. Für die gesamte Branche liegt die Nettoumsatzrendite im Jahr 2015 wohl bei etwas über 3,5 Prozent. Für die ersten sechs Monate des Jahres 2016 erwarten fast 90 Prozent der Unternehmen keine Veränderung der inländischen Geschäftslage, neun Prozent rechnen mit einer Verbesserung, drei Prozent befürchten Verschlechterung.

55 Prozent der Unternehmen erzielten 2015 eine Rendite von drei Prozent und mehr.

Mit Zufriedenheit − bei abnehmender Tendenz − schaut die bayerischen Metall- und Elektro-Industrie auf ihr Auslandsgeschäft zurück: Zwar sehen 56 Prozent die Geschäftslage für die zweite Hälfte 2015 als gut und nur sechs Prozent als schlecht, aber das Positiv-Saldo ist eben von 59 auf 50 Prozentpunkte gesunken. Immerhin: Für das nächste Jahr überwiegen die positiven Export-Erwartungen: 18 Prozent hoffen auf eine Belebung des Auslandsgeschäfts, 15 Prozent befürchten eine Eintrübung – ein kleines Positiv-Saldo von drei Prozentpunkten nach einem Negativ-Saldo von zehn Punkten vor einem halben Jahr.

Das Amerika-Geschäft wird immer wichtiger

Ein näherer Blick auf die Geschäftserwartungen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie in verschiedenen Regionen der Welt ist aufschlussreich: Die größten Exporthoffnungen richten sich auf die USA: Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen gehen mit Blick auf ihr Amerika-Geschäft von einer besseren oder sogar deutlich besseren Entwicklung aus. Wenn sie recht behalten, könnten die USA, deren Wirtschaft derzeit um 2,4 Prozent wächst,  zum kleinen Konjunktur-Motor werden für die bayerische und vielleicht sogar für die deutsche Exportwirtschaft insgesamt.

Der Abschluss des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP kann für die bayerische und deutsche Exportwirtschaft nur vorteilhaft sein.

Der Sachverhalt ist wichtig: Schon im zurückliegenden Zeitraum haben Exportsteigerungen vor allem in die USA, nach Großbritannien und in eine Reihe der Länder Mittel- und Osteuropas Rückgänge in vielen sogenannten Schwellenländern und die nachlassende Dynamik in China kompensieren können. Die USA, heißt das, sind Bayerns Außenhandelspartner Nummer Eins – und werden immer noch wichtiger. Eine Schlussfolgerung drängt sich auf: Der Abschluss des transatlantischen TTIP-Freihandelsabkommens kann für die bayerische und deutsche Exportwirtschaft nur vorteilhaft und gewinnbringend sein. Wenn das Abkommen scheiterte, wäre das vermutlich ein schwerer Schaden für Bayern und Deutschland.

Die Europäische Union ist den Wünschen der bayerischen Wirtschaft nicht gefolgt und hat eben die Sanktionen gegen Russland verlängert.

Ebenfalls positiv sind die Geschäftserwartungen für die Eurozone, Großbritannien und die asiatischen Schwellenländer. Für China überwiegen die positiven Export-Erwartungen, aber 20 Prozent der befragten Firmen gehen von einer schlechteren Geschäftslage aus. Die Lage in Lateinamerika wird skeptisch gesehen, für Russland liegen die negativen Erwartungen mit 20 Prozent  höher als die positiven mit 15,8 Prozent. Besserung ist nicht in Sicht: Die Europäische Union ist den Wünschen der bayerischen Wirtschaft nicht gefolgt und hat eben die Sanktionen gegen Russland verlängert.

Exportwachstum trotz Unsicherheiten

Nicht zuletzt dank des Exportgeschäfts wird die Produktion der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie im Durchschnitt des laufenden Jahres vermutlich um 2,5 Prozent höher liegen als 2014. Für das kommende Jahr rechnet die Arbeitgeber der Maschinen- und Elektro-Industrie mit einem Produktionswachstum in ähnlicher Größenordnung. Unter Vorbehalt, betont Brossardt, der auch Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) ist: Denn wirtschaftliche und politische Unsicherheiten steigen: konjunkturelle und strukturelle Probleme in den Schwellenländern sind schwer abschätzbar; in Griechenland, Portugal und Spanien ist die wirtschaftliche Lage alles andere als stabil.

Der niedrige Ölpreis belastet die bayerische und deutsche Ausrüstungsindustrie, weil den Förderländern das Geld für Investitionen fehlt.

Dazu kommen Fragen nach den konjunkturellen Sonderfaktoren Wechselkurs und Ölpreis. Exportgewinne aus dem niedrigen Euro-Kurs sind reine „windfall profits” − Zufallsgewinne −, erinnert Brossardt eindringlich: „Wenn sich da etwas ändert, wird es schwierig. Man sieht daran, wie fragil das alles ist.” Der niedrige Ölpreis tut der Konjunktur zwar zunächst gut. Auf Dauer belastet er aber die bayerische und deutsche Ausrüstungsindustrie, weil den Förderländern das Geld für Investitionen fehlt. Weitere Unsicherheitsfaktoren sind die völlig ungelösten großen geopolitischen Fragen zwischen Russland und der Ukraine oder in Syrien und dem Mittlere Osten. Wachsende Unsicherheit produziert auch der islamistische Terror, der inzwischen Europa erreicht hat.

18.000 neue Arbeitsplätze im Jahr 2015

Nachdenklich macht sichtbar fehlende Dynamik bei Produktion und Investition im Inland: Nur je 13 Prozent der Unternehmen wollen in den kommenden Monaten Produktion und Investitionen im Inland steigern. An den Auslandsstandorten sind die Pläne dagegen weitaus expansiver: 43 Prozent der Unternehmen wollen im Ausland die Produktion hochfahren, 53 Prozent ihre Investitionen ausweiten. „Das heißt: Die Arbeitsplätze in Mittel- und Osteuropa subventionieren die teuren Arbeitsplätze im Inland“, erläutert Brossardt.

Die Arbeitsplätze in Mittel- und Osteuropa subventionieren die teuren Arbeitsplätze im Inland.

Bertram Brossardt

Der Standort Deutschland − und Bayern − muss also aufpassen, dass er nicht noch teurer wird. Der Blick auf die Produktionskosten zeigt aber, dass genau das der Fall ist: Sogar während der Wirtschaftskrise sind die Löhne stetig gestiegen und liegen heute um mehr als 24 Prozent über dem Niveau von 2007. Die Produktivität ist dagegen im gleichen Zeitraum nur um 1,4 Prozent gestiegen. Kostensteigerungen sind als 1:1 auf höhere Lohnstückkosten zurückzuführen, die um 23 Prozent höher liegen als 2007. Brossardt: „Diesen Weg können wir in der Tarifpolitik so nicht weitergehen, damit gefährden wir unsere Arbeitsplätze.“

Diesen Weg können wir in der Tarifpolitik so nicht weitergehen, damit gefährden wir unsere Arbeitsplätze.

Bertram Brossardt

Noch ist bei der Beschäftigung der Trend allerdings positiv: 2015 sind in der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie knapp 18.000 Arbeitsplätze hinzugekommen. Der Wirtschaftssektor zählt jetzt 810.000 Beschäftigte. Vor zehn Jahren waren es noch 710.000 Arbeitsplätze. Damals gab es sogar die Sorge, dass die Zahl der Arbeitsplätze bald unter 700.000 fallen könnte. Brossardt: „Für die bayerische Maschinen- und Elektro-Industrie ist die aktuelle Zahl darum ein unglaubliches Ergebnis.“ Der Zuwachs von 2015 wird sich im neuen Jahr aber voraussichtlich verlangsamen: Die Arbeitgeber erwarten nur ein Plus von etwa 5000 Arbeitsplätzen. Ein Drittel der befragten Firmen will im ersten Halbjahr im Inland Beschäftigung aufbauen, 17 Prozent befürchten, Stellen abbauen zu müssen.

Arbeitskräftemangel: 21 Prozent der freien Ingenieurstellen können nicht besetzt werden.

Interessant: Schon jetzt stellt für viele Unternehmen der Mangel an geeigneten Arbeitskräften ein ernsthaftes Problem dar. Jeder zweite Betrieb sieht dadurch seine Produktions- und Geschäftstätigkeit beeinträchtigt. Große Probleme bei der Stellenbesetzung haben die Unternehmen unverändert bei den Ingenieuren: Nur 16 Prozent der freien Ingenieurstellen können problemlos besetzt werden, bei 62 Prozent gestaltet sich die Besetzung schwierig, ein gutes Fünftel kann überhaupt nicht besetzt werden. Noch kritischer ist die Situation bei den Informatikern. Hier können nur zehn Prozent der freien Stellen ohne Probleme besetzt werden.

Mehr Flexibilität

Umso wichtiger sind angesichts anhaltender wirtschaftlicher wie politischer Unsicherheiten und bei wachsendem Kostendruck „vernünftige Standortbedingungen im Inland“, so der vbw-Hauptgeschäftsführer. Brossardt weiter: „Unsere Unternehmen brauchen einerseits eine Begrenzung der Kostenbelastung, anderseits benötigen sie Flexibilität.“ Gemeint ist Flexibilität bei tariflichen wie bei gesetzlichen Regelungen.

In unsicheren Zeiten muss man sich anpassen können, muss man flexibel sein.

Bertram Brossardt

So wünschen sich die Unternehmen etwa mehr Entgeltflexibilität, also Differenzierungsmöglichkeiten und erfolgsabhängige Bestandteile beim Entgelt; Arbeitszeitflexibilität, um durch flexible Arbeitszeitmodelle, Zeitkonten oder Arbeitszeitkorridore schnell und ohne Mehrkosten die Betriebszeiten an die Auftragslage anpassen zu können; Personalflexibilität, um über Instrumente wie Zeitarbeit oder Befristung ihren Personalbedarf schnell und einfach anpassen zu können; Wertschöpfungsflexibilität, weil die Frage, welche Tätigkeiten ein Unternehmen selbst ausführt und welche fremdvergeben werden, freier unternehmerischer Entscheidung vorbehalten bleiben muss.

Der Gesetzentwurf zu Zeitarbeit und Werkverträgen sieht weniger Flexibilität und stattdessen mehr Regulierung vor. Diese Vorschläge schaden unserem Standort.

Bertram Brossardt

Brossardt: „In unsicheren Zeiten muss man sich anpassen können, muss man flexibel sein.“ Problem: Die Wirklichkeit sieht anders aus. Der aktuelle Berliner Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles zu Zeitarbeit und Werkverträgen sieht weniger Flexibilität und stattdessen mehr Regulierung vor. Brossardt: „Diese Vorschläge schaden unserem Standort.“