Energie unter der Erde: Tiefgarage beim Nürnberger Stromhersteller N-Ergie mit Emonvia-Ladeboxen. (Foto: Emonvia)
Mobilität

In die Arbeit zum Aufladen

Die Verkehrswende nimmt Tempo auf. Unternehmen können mit Gewinn in die E-Mobiltät einsteigen: Das Start-up Emonvia baut ihnen die technische Infrastruktur, um ihren Mitarbeitern Energie für die Pendelei per Stromauto zu liefern.

Früher drehten in diesem Backsteinbau im einstigen Münchner Industriegebiet Obersendling Hunderte Arbeiter dicke Zigarren, dünne Stumpen, feine Glimmstengel in Papier. Das Laster stirbt langsam aus. Heutige Raucher steigen mehr und mehr auf E-Zigaretten um. In die weitläufigen Hallen der alten Villiger-Tabakfabrik ist längst ein junges Unternehmen eingezogen, das vom Ende einer weiteren Unsitte profitieren will: Auch das Zeitalter, in dem benzingetriebene Autos die Städte mit Abgasen verqualmen, nähert sich erkennbar seinem Ende. Das Start-up „Emonvia“ will großen Unternehmen den Umstieg in die E-Mobilität ebnen.

Tradition im Wandel

Noch sind in Bayern gerade mal rund 20.000 Elektro-Pkw zugelassen, verschwindend wenige im Verhältnis zu den fast acht Millionen Verbrennern. Doch mit erstaunlicher Selbstgewissheit ventiliert Emonvia-Chef Eduard Schlutius, 23, seine Prognose: „Im nächsten Jahr nimmt die Elektromobilität richtig Fahrt auf.“ Woher er diese Gewissheit nimmt? Bis Ende dieses Jahres führen große Autohersteller wie Audi, BMW und VW neben kleinen Stromflitzern auch echte Limousinen im Sortiment. Die Reichweiten der Batterien erreichen mittlerweile respektable Kilometer-Werte. Und die Politik in Berlin und München fördert die Anschaffung abgasfreier Vehikel – vom E-Bike über Elektroroller bis hin zu Autos.

Der Jungspund auf der Münchner Start-up-Terrasse im loftigen Fabrikgebäude will diesen Wandel mitbetreiben. Schlutius liefert dabei aber auch ein Beispiel, wie eine fast hundertjährige Traditionsfirma umsteuert und in dieses Zukunftsfeld aufzubrechen versucht. Sein Vater Stefan Schlutius führt den mittelfränkischen Kabel- und Sicherungshersteller ABL in Lauf, der 1925 die klassische Steckdose, den sogenannten Schuko-Stecker, erfand. Aus der Herstellung von Leitungsschutzschaltern zieht sich die Firma längst zurück – um auf E-Mobilität umsteigen. Zusammen mit dem Nürnberger Stromversorger N-Energie hat der Papa rund fünf Millionen Euro in „Emonvia“ investiert. Ein Dutzend junger Ingenieure, Programmierer, Produktentwickler und Marketingleute werkeln nun mit Sohn Eduard in München am Aufbruch.

Firmen als Stromverkäufer

Nach Ansicht des Juniors sind die öffentlichen Ladesäulen in bayerischen Städten für die Elektrowende „gar nicht so entscheidend“. Auch wenn ihre Zahl inzwischen auf mehr als 4.000 geklettert ist. Viel wichtiger werden aus Schlutius‘ Perspektive die großen Unternehmen, zu denen viele Menschen mit dem Wagen pendeln. „Dort stehen die dann acht Stunden lang auf dem Parkplatz“, sagt er, „genug Zeit, um ein E-Mobil effizient aufzuladen.“ Unternehmen, die selbst Photovoltaik auf den Werkshallen installieren oder den Strom viel günstiger als Endkunden aus dem Netz beziehen, könnten ganz nebenbei zum Stromverkäufer werden. Bei denen wäre der Sprit aus dem Kabel fast zur Hälfte des Preises an einer  öffentlichen E-Ladesäule zu  haben.

Im nächsten Jahr nimmt die Elektromobilität richtig Fahrt auf.

Eduard Schlutius, Start-up-Manager

Neben der Mutterfirma N-Ergie hat Schlutius bereits fünf Kunden überzeugt. Darunter ein gestandenes Industrieunternehmen in Oberfranken. Beim Flaschen- und Flacon-Hersteller Hein-Glas hat „Emonvia“ seine Referenzanlage installiert: sogenannte Wallboxen, an die Mitarbeiter E-Autos zur Beladung anhängen können: sowohl die Firmenwagen, mit denen sie zwischen den Heinz-Glas-Standorten hin- und herfahren, als auch ihre Privatautos. Der Arbeitgeber kann ihnen den Strom über Bonussysteme verkaufen, die Abrechnung wickelt „Emonvia“ über ein Kartensystem ab.

Dass Firmen sich anfangs nur ungern mit so einem Umstieg auf ein Nebenthema beschäftigen, weiß Schlutius inzwischen: „Deshalb bieten wir eine ganzheitliche Lösung an“ – von der Installation der Technik bis zur Abrechnung des geflossenen Stroms. In der Wirtschaftsstruktur aus Mittelständlern und Konzernen, wie sie in ganz Bayern zu finden ist, stecke das Potenzial für den E-Durchbruch, glaubt er. Eine Photovoltaikanlage laufe eben hauptsächlich tagsüber bei Sonnenschein, zur besten Arbeitszeit, und liefere praktisch kostenlos Energie. „In Zukunft gehört die firmen­eigene E-Tankstelle zum normalen Mitarbeiterservice, wie heute schon die Kantine“, behauptet er.

Papaya und Zapfsäule

Heinz-Glas hat erst mal mit drei Lade-Wandboxen im Firmenparkhaus angefangen. „Aber die rüsten nach und nach auf“, sagt Schlutius, „und die ersten Mitarbeiter schaffen sich selbst ein E-Auto an, sobald sie beim Arbeitgeber merken, wie problemlos das Ganze läuft.“ Bedenken bezüglich Reichweite oder Ladezeit lösen sich schnell auf. Und die Firma merkt ebenso flott, dass sich der Umstieg auf nachhaltige Energienutzung auch öffentlichkeitswirksam verkaufen lässt. Heinz-Glas wirbt bereits damit, dass die Abwärme im Werk Kleintettau in ein benachbartes Gewächshaus fließt, in dem tropische Früchte wie Papaya oder die Surinam- Kirsche gedeihen.

Neuerdings weist die Firma auch auf ihrer Internetseite auf die zukunftsorientierte Nutzung von Ökostrom hin. Wenn noch mehr Industrieunternehmen diesen Weg gehen, ist es tatsächlich nicht mehr weit, bis der Qualm aus Auspuffrohren nach und nach zu Schall und Rauch der mobilen Geschichte wird.