Protest gegen feindliche Übernahme
In Amberg und der Tschechischen Republik haben mehr als tausend Angestellte des Autozulieferers Grammer AG gegen die feindliche Übernahme durch die bosnische Investorenfamilie Hastor protestiert. Wegen des wochenlangen Pokers droht wirtschaftlicher Schaden: Großkunden halten sich bereits mit Aufträgen zurück.
Grammer AG

Protest gegen feindliche Übernahme

In Amberg und der Tschechischen Republik haben mehr als tausend Angestellte des Autozulieferers Grammer AG gegen die feindliche Übernahme durch die bosnische Investorenfamilie Hastor protestiert. Wegen des wochenlangen Pokers droht wirtschaftlicher Schaden: Großkunden halten sich bereits mit Aufträgen zurück.

Mehr als tausend Beschäftigte des Autozulieferers Grammer haben an den deutschen und tschechischen Standorten gegen die feindliche Übernahme durch die Investorenfamilie Hastor protestiert. Der Amberger IG-Metall-Chef und stellvertretende Grammer-Aufsichtsratschef Horst Ott sagte bei einer Kundgebung in Amberg: „Wir kämpfen um unsere Arbeitsplätze“ und forderte: „Kein Monopoly auf unsere Kosten!“ Der bayerische IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler sagte: „Erfahrungen mit der Hastor-Familie zeigen, dass sie lediglich eine kurzfristige Gewinnoptimierung im Blick hat. Dadurch droht ein großer Schaden für die Kundenbeziehungen.“ Ott sagte, die aktuelle Lage für das Unternehmen sei „existenzbedrohend, und damit ist jeder einzelne Arbeitsplatz weltweit in Gefahr“. Wer daran Hand anlege, wisse jetzt, „er legt sich mit uns allen an“, sagte der Gewerkschaftler unter dem Beifall von rund 700 Beschäftigten in Amberg.

Das ist nicht im Sinne der Arbeitsplätze.

Ilse Aigner (CSU), Bayerische Wirtschaftsministerin, zur feindlichen Übernahme der Grammer AG

Laut Grammer-Geschäftsführung halten sich große Kunden bereits mit Aufträgen zurück oder drohen abzuspringen. Das Unternehmen verspüre einen deutlichen Auftragsrückgang, weil Kunden mit Vertragsabschlüssen zögerten, sagte Grammer-Chef Hartmut Müller der Nachrichtenagentur Bloomberg. Genauere Zahlen nannte Müller nicht. Viele Kunden des Unternehmens seien besorgt, künftig von einem Zulieferer abhängig zu sein, der seinerseits von der Hastor-Familie kontrolliert werde, sagte der Vorstandschef. VW, Daimler und BMW zählen zu den größten Kunden von Grammer mit weltweit rund 12.000 Mitarbeitern, davon 3000 in Deutschland.

Verlust von Kunden und Jobs

Die Hastor-Firmengruppe Prevent hatte im vergangenen Sommer die Fließbänder bei Volkswagen in Emden und Wolfsburg zum Stillstand gebracht. Die Familie hält inzwischen 20 bis 30 Prozent der Grammer-Aktien, will den Vorstandschef ablösen, die Kontrolle im Aufsichtsrat übernehmen und mehr Gewinn machen. Die Entscheidung sollen am 24. Mai die Aktionäre auf der Hauptversammlung in Amberg fällen. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) und Industrieverbände hatten gewarnt, Grammer drohe ein Verlust von Kunden und Arbeitsplätzen. Aigner betonte, wenn Grammer-Kunden bereits „über die Kündigung der Geschäftsbeziehungen nachdenken, wird klar, dass eine Übernahme durch die zur Hastor-Gruppe gehörenden Investoren Cascade und Halog Unsicherheiten und Verwerfungen bringt. Das ist nicht im Sinne der Arbeitsplätze.“

Schaden für Automobil-Standort Deutschland

Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), sagte: „Eine Übernahme von Grammer durch die Investmentfamilie Hastor weckt Sorge um die Zukunft des Unternehmens.“ Die Zulieferstruktur für die bayerische Autoindustrie sei in Gefahr. Der Kontrollwechsel würde die Kundenbeziehungen erheblich beeinträchtigen und damit die Auftragslage und künftige Entwicklung von Grammer gefährden. Der Streit von Prevent mit VW „hat dem Standort Deutschland nachhaltig geschadet. Das darf sich nicht wiederholen“, sagte Brossardt.

„Die IG Metall und die Beschäftigten werden eine feindliche Übernahme nicht akzeptieren“, sagte der Autoexperte beim IG-Metall-Vorstand, Frank Iwer. Nur an kurzfristigem Profit ausgerichtete Investoren schadeten nicht nur dem Unternehmen, „sondern auch der erfolgreichen und funktionierenden Wertschöpfungskette am Standort Deutschland“. Ihr Vorgehen gegen die für Grammer wichtige Kooperation mit dem Autozulieferer Ningbo Jifeng in China zeigt für Iwer klar, „dass es der Hastor-Familie nicht um eine gute wirtschaftliche Zukunft der Grammer AG und ihren Mitarbeitern geht“.

Auch die Bundesregierung äußerte Bedenken. „Das Wirtschaftsministerium nimmt die Sorgen und Vorbehalte der Belegschaft sehr ernst“, sagte Staatssekretär Matthias Machnig (SPD). Grammer benötige eine langfristige, tragfähige Unternehmensstrategie, und dazu „braucht es auch einen Konsens mit dem Betriebsrat und der IG Metall. Das ist bislang nicht der Fall“, sagte Machnig. Grammer macht die Hälfte seines Jahresumsatzes von zuletzt 1,7 Milliarden Euro mit Mittelkonsolen, Arm- und Kopfstützen für VW, Daimler und BMW, beliefert aber auch andere Autohersteller. Zudem baut Grammer Sitze für Traktoren, Baumaschinen, Lastwagen und Züge.