Wer bauen will, muss seit 21. März dieses Jahres noch mehr eigenes Geld mitbringen. Die EU will die Bürger mit der in Deutschland umgesetzten Immobilienkreditrichtlinie vor Überschuldung schützen. Der Schuss droht nach hinten loszugehen. (Bild: Imago/Thomas Eisenhuth)
Immobilienkredite

Rentnern droht Verlust des Eigenheims, und die SPD schaut zu

Es war zu befürchten: Nicht nur die hohen Immobilienpreise zerstören vielen Deutschen den Traum vom Eigenheim, sondern auch eine schlampig umgesetzte neue Richtlinie der EU zur Immobilien-Kreditvergabe. Die Wohnbaukredite sind drastisch zurückgegangen, und Rentner bangen um ihre eigenen vier Wände. Das von der SPD regierte Justizministerium schaut in aller Ruhe zu.

Der Baum brennt schon lichterloh, doch im Bundesjustizminsterium sieht man das nicht so: Ein Sprecher von Justizminister Heiko Maas (SPD) kündigte diese Woche mit Blick auf die zurückgegangenen Wohnbaukredite an, dass der Minister zunächst den Dialog fortsetzen will, „um prüfen zu können, ob sich die teilweise vorgetragenen Probleme bestätigen und ob Handlungsbedarf besteht“.

Gesamtvermögen zählt nicht mehr

Für den Rentner, der sein Haus renovieren muss, dessen monatliche Einnahmen aber nicht dafür ausreichen, den notwendigen Kredit abzustottern, dürften diese Worte wie blanker Hohn klingen. Die in Deutschland umgesetzte EU-Richtlinie sieht unter anderem vor, dass die Banken bei Vergabe von Baudarlehen nicht mehr das Gesamtvermögen ihrer Kunden im Auge haben, sondern nur das Einkommen und das frei verfügbare Geld. Familien mit befristeten Arbeitsverträgen und auch Senioren mit geringer Rente schauen deshalb in die Röhre; selbst dann, wenn der benötigte Kredit nur einen geringen Teil des Gebäudewerts ausmacht.

Wenn Immobilieneigentümer Haus oder Wohnung nicht mehr zur Kreditrückführung einbringen können, wird ihr Grund- und Immobilienvermögen faktisch entwertet.

Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB)

Am 21. März dieses Jahres war die Richtlinie inkraft getreten. Und schon sechs Monate danach zeigt sich, was sie anrichtet: „Seit Inkraftreten der Richtlinie werden bei einzelnen Banken 20 bis 25 Prozent mehr Kreditanträge abgelehnt“, berichtet Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). „2016 wurden von März bis Juni nach Zahlen der Bundesbank 13 Prozent weniger Wohnbaukredite ausgereicht als im gleichen Zeitraum im Vorjahr“, sagte Gros nun dem Münchner Merkur. Schon im April hatte der GVB-Chef im Interview mit dem Bayernkurier vor den Folgen der Umsetzung der EU-Immobilienkreditrichtlinie gewarnt: „Wenn Immobilieneigentümer Haus oder Wohnung nicht mehr zur Kreditrückführung einbringen können, wird ihr Grund- und Immobilienvermögen faktisch entwertet. Oder anders gesagt: Die Bürger werden bei der Verfügung über ihr Vermögen bevormundet“, erklärte Gros, der schon damals forderte, dass der Gesetzgeber diesen Eingriff in die persönliche Freiheit korrigieren muss: „Wir werden nicht müde werden, darauf zu drängen.“

EU will Bürger vor Überschuldung schützen

Die EU hatte es mit ihrer Richtlinie wie so oft gut gemeint, war aber zu weit über das Ziel hinausgeschossen: Die Bürger sollten vor einer Überschuldung geschützt werden, und die Banken wurden dazu verdonnert, ganz genau hinzusehen, ob ein Bauherr sein Darlehen noch zu Lebzeiten samt Zins und Tilgung zurückzahlen kann. Als Indikatoren werden dazu die „statistische Lebenserwartung“ und die finanzielle Situation des Einzelnen zu Rate gezogen. Ein Senior mit magerer Rente, der mehrere 100.000 Euro für die Renovierung seines Eigenheims benötigt, hat da schlechte Karten. Ihm bleibt im schlimmsten Fall nichts anderes übrig, als sein Haus zu verkaufen.

Österreich hat Richtlinie verbraucherfreundlicher umgesetzt

Nicht ganz unschuldig an der Entwicklung ist freilich auch die Bundesregierung selbst: Sie hat nur eine Richtlinie der EU umgesetzt und vorgesehene Erleichterungen etwa bei Renovierungen schlicht weggelassen. „Eine Eins-zu-Eins-Umsetzung“ hätte schon geholfen, so GVB-Chef Gros im Münchner Merkur. Sparkassenpräsident Ulrich Netzer verweist derweil auf Österreich, das deutlich cleverer vorgegangen ist: „Österreich hat die europäische Richtlinie wesentlich verbraucherfreundlicher umgesetzt“, so Netzer, der wie Gros fordert, dass jetzt auch Deutschland nachbessern müsse.