Malen als Stressbewältigung. (Bild: Imago/Westend61)
Buntstifte

Ausmalen, knipsen, hochladen

Deutschland ist im Ausmalfieber. Immer mehr Erwachsene greifen nach Feierabend zum Buntstift, malen Muster aus und präsentieren ihre Ergebnisse auf Instagram. Den bayerischen Stifte-Herstellern beschert der Zeichen-Boom blendende Geschäfte.

Die starke Nachfrage nach Malbüchern für Erwachsene und anderen Kreativ-Produkten hat dem Stiftehersteller Faber-Castell im abgelaufenen Geschäftsjahr 2015/16 den höchsten Umsatz in der Firmengeschichte beschert. Die Verkaufserlöse kletterten im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent auf 631 Millionen Euro. So konnte die Firma mit Sitz im mittelfränkischen Stein in einzelnen Bereichen zweistellig zulegen.

Zeichenanfänger statt Hobbykünstler

Trotz Digitalisierung sei die Nachfrage nach Produkten zum Schreiben, Zeichnen und Malen ungebrochen. Als Beispiel nannte das Unternehmen den Ausmal-Boom, den Malbücher für Erwachsene zur Stressbewältigung ausgelöst hätten. Auch Konkurrent Staedtler verzeichnet bei klassischen Schreibgeräten und Künstlerprodukten eine starke Nachfrage. Die Käufer sind nach Angaben einer Sprecherin weniger Hobbykünstler, sondern eher absolute Mal- und Zeichenanfänger, die ihre exotischen Vögel, fantasievollen Blüten und magischen Muster anschließend gern auf Instagram zeigen. Staedtler konnte seinen Umsatz im vergangenen Jahr ebenfalls steigern – um 14 Prozent auf 322 Millionen Euro.

Stiftehersteller fahren Sonderschichten

Die größtenteils in Mittelfranken ansässigen Firmen fahren wegen des Ausmal-Booms allesamt Sonderschichten. Bei Staedtler und der Nürnberger Bleistift-Fabrik Lyra gibt es bereits Pläne, die Produktion auszuweiten. Dort wird der „Run“ auf die Stifte vor allem mit Doppelschichten und Samstagsarbeit abgefedert. Mit Investitionen in den Maschinenpark und einer Aufstockung des Personals weite man die Produktion derzeit auch aus, so ein dortiger Sprecher.

Auch Stabilo-Schwan setzt auf Sonderschichten. Der mittelfränkische Hersteller verzeichne „durch den weltweiten Megatrend Malen“ ein zweistelliges Umsatzwachstum bei Bunt- und Fasermalern. „Die Sonderschichten laufen im Rahmen unserer flexiblen Arbeitszeitmodelle“, erklärte eine Sprecherin des Unternehmens. Faber-Castell rechnet damit, dass der Trend anhält. Das aktuelle Geschäftsjahr deute bereits auf einen positiven Verlauf wie bereits im abgelaufenen Geschäftsjahr hin, hieß es in Stein bei Nürnberg.

Eine Schottin ist Ausmal-Star

Der derzeitige Boom kommt für die Branche relativ unerwartet. Sie hatte zuletzt mit den Auswirkungen der Digitalisierung zu kämpfen: Immer weniger Menschen schreiben per Hand und brauchen demzufolge Stifte. Oder vielleicht doch nicht? Malen nach Zahlen, Mandala-Malen, Malbücher – der Trend zum Ausmalen gilt dieses Jahr als farbenfroher Protest gegen Selbstoptimierung und Smartphone-Stress. Star der gegenwärtigen Ausmal-Szene ist die schottische Illustratorin Johanna Basford.

Die Designerin studierte Textildesign am „Duncan of Jordanstone College of Art and Design“ der University of Dundee und schloss 2005 das Studium mit einem Portfolio aus monochromen Seidendrucken und Zeichnungen ab. 2013 brachte sie das Malbuch für Erwachsene „Secret garden: an inky treasure hunt and coloring book“ heraus. Das Buch verkaufte sich auf dem englischsprachigen Markt bis Mitte 2015 rund 1,4 Millionen Mal. Im Jahr 2015 folgte das weitere Malbuch „Enchanted Forest“. Basfords Bücher werden als Anti-Stress-Produkte gekauft und entsprechend beworben.

dpa/AS