Die Europäische Zentralbank in Frankfurt. (Bild: Imago/Westend 61)
Europäische Zentralbank

Wer wagt, gewinnt?

Zum ersten Mal macht die Europäische Zentralbank öffentlich, welche Firmenbonds sie kauft. Damit sorgt die Notenbank für einige Überraschungen, denn auf der Liste stehen nicht nur börsennotierte Großkonzerne mit hervorragenden Ratings.

Erstmals ist die Liste der Unternehmensanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) öffentlich. Darauf stehen viele deutsche Großkonzerne wie BASF, BMW, Volkswagen und Siemens. Im Portfolio sind aber auch Anleihen des belgischen Bierbrauers Anheuser-Busch Inbev. Zudem kaufte die Notenbank Papiere nicht börsennotierter Unternehmen wie der Robert Bosch GmbH. Während die Bundesbank die Unternehmensnamen mit in ihre Auflistung geschrieben hat, veröffentlichten viele Notenbanken der anderen Eurostaaten lediglich Listen mit ISIN-Nummern.

Milliardenschweres Kaufprogramm

Dass die EZB nicht nur Staats- sondern auch Unternehmensanleihen kauft, beschlossen die Räte im März. Ihr Anleihekaufprogramm stockten sie um 20 Milliarden auf insgesamt 80 Milliarden Euro auf. Anfang Juni haben die nationalen Notenbanken mit den Käufen begonnen, neben der Deutschen Bundesbank treten die Notenbanken in Italien, Frankreich, Spanien, Belgien und Finnland als Käufer am Markt auf, schreibt die Welt. Insgesamt kauften die Notenbanken im Namen der EZB in der vergangenen Woche 1,95 Milliarden Euro an Firmenanleihen nach 1,68 Milliarden Euro in der Woche zuvor, laut Handelsblatt.

EZB scheut kein Risiko

Die EZB darf nur bei ausgewählten Unternehmen Titel kaufen. Sie müssen von einer der vier weltweiten Ratingagenturen mindestens eine Bonitätsnote mit Investmentqualität verliehen bekommen haben. Darunter fällt mindestens ein BBB- oder eben ein noch besseres Rating. Doch die erste Bilanz zeigt, dass die EZB sehr viel weniger Anleihen von Unternehmen der A-Kategorie kauft, als ihr zur Verfügung stehen. So sind die Käufe umso effektiver, je schlechter die Bonität der gekauften Firmenanleihen ist. Von den insgesamt 440 erworbenen Schuldtiteln hat knapp die Hälfte ein Rating in der B-Kategorie, 37 davon nur noch knapp über Ramschniveau, berichtet die Welt. Kauft die EZB Anleihen, führt das zu Ausweichbewegungen bei den übrigen Investoren. Denn geht die EZB mehr Risiko ein, wagen auch die restlichen Anleger mehr.

Auch schwach benotete Firmen im Portfolio

Dass die EZB risikofreudig einkauft, wird daran deutlich, dass sie sogar Anleihen bei Unternehmen wie beispielsweise Telecom Italia kauft. Der Konzern hat von S&P und Moody’s lediglich ein Junk-Rating bewertet. Trotzdem finden sich gleich drei Anleihen des italienischen Telefonriesen im Portfolio der Notenbanker, laut Welt. Von der portugiesischen EDP Finance haben die Euro-Hüter gleich fünf unterschiedliche Anleihen erworben. Die ähnlich schwach benotete Teollisuuden Voima aus Finnland findet sich mit zwei Anleihen in den Büchern wieder.

Aber nicht nur aus dem Ausland, auch deutsche Firmen mit schwacher Bonität haben das Interesse der EZB geweckt. 15 Papiere tragen nur noch eine Note über Junk, darunter der Kali- und Düngemittelhersteller K+S, der Handelskonzern Metro, der Chemiehersteller Lanxess, der Versorger RWE und auch Anleihen einzelner privat geführter Unternehmen wie Robert Bosch, so wieder die Welt.

Angst vor Schuldenblase

Das Kaufverhalten der EZB hat Auswirkungen auf den Finanzmarkt. Seit der Ankündigung des Programms im März haben europäische Unternehmen nach Daten des Finanzdienstleisters Bloomberg Anleihen im Volumen von 88 Milliarden Euro begeben. Das weckt wiederum die Befürchtung, eine Schuldenblase könnte entstehen. Denn Firmen stecken das Geld in die Finanzierung von Übernahmen, kaufen eigene Aktien zurück oder schütten Dividenden aus.

Ratingagenturen messen Kreditwürdigkeit

Firmen werden je nach Kreditwürdigkeit von den Ratingagenturen mit Schulnoten versehen. Diese reichen vom berühmten AAA bis zu D. Das entspricht einem Zahlungsausfall. Firmen mit B-Bonität haben ein erhöhtes Risiko, ihren Verpflichtungen nicht mehr fristgemäß nachzukommen.

(Welt/Handelsblatt/AS)