Die unerträgliche Langsamkeit des Internets: Schnelle Datenübertragung ist ein wichtiger Standortfaktor. (Bild: imago/McPhoto)
Wirtschaftstafel

Den Ausgleich suchen

Bei der 184. Münchner Wirtschaftstafel im Spatenhaus an der Oper drehte sich alles um die Landesentwicklung in Bayern. Zu Gast war Albert Füracker, der Staatssekretär im Finanz- und Heimatministerium, der mit den Anwesenden über die Umsetzung der Heimatstrategie und die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms diskutierte.

Zunächst gab Füracker einen Überblick über das neue Heimatministerium, das erst Anfang 2014 aufgebaut wurde mit dem neuen Dienstsitz in Nürnberg. Damit wurde Franken erstmals seit langer Zeit zum offiziellen „Austragungsort“ von Regierungsgeschäften. Der Staatssekretär stellte eingangs klar: „Ich bin nicht für die philosophische Bedeutung von Heimat zuständig, sondern für die technische Seite, die Struktur, die Landesentwicklung.“ Vieles, was die Menschen unter Heimat einordneten, sei aber dennoch in anderen Ministerien angesiedelt, etwa Tourismus, Landärzteversorgung oder Städtebauförderung. „Wie schaffen wir es, Heimat darüber hinaus zu gestalten?“, fragte Füracker. Das gehe hauptsächlich über die Kommunen, die Lebensverhältnisse, die Wirtschaft und das Gewerbe dort.

Gleichwertige Lebensverhältnisse

Bayern stehe in fast allen Bereichen gut bis sehr gut da, da müsse man „keine Statistik fälschen, das ist so“. Bayern habe eigentlich nur ein großes Problem, nämlich dass es einerseits insgesamt ein Zuzugsland sei, aber andererseits auch Regionen mit schwindender Bevölkerung habe. Deren Zahl sei zwar rückläufig – von 71 Landkreisen wiesen nur noch sieben einen negativen (Ab-)Wanderungssaldo auf. Aber 20 Landkreise würden nur aufgrund ihrer Altersstruktur Einwohner verlieren. „Wir wollen und werden aber versuchen, alle Orte zu erhalten“, machte Füracker klar. „Das ist ja auch ein Verfassungsgebot.“

Um diese Aufgabe zu erfüllen, nannte der Staatssekretär vier entscheidende Faktoren und Programme:

  1. Die Neugestaltung und Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs. Heuer erhielten die Städte und gemeinden 8,5 Milliarden Euro aus dem Landeshaushalt, was nach der Neuverhandlung des Ausgleichs insbesondere strukturschwachen Gebieten zugute kommen werde.
  2. Die Behördenverlagerung, ebenfalls in strukturschwache Gebiete. „Ja, aktive Strukturpolitik kostet Geld, aber so schaffen wir es, junge Leute in diesen Regionen zu halten“, erklärte Füracker.
  3. Die Nordbayern- und die Südbayerninitiativen: Hier lobte der Oberpfälzer CSU-Bezirkschef die Dezentralisierung der Hochschullandschaft und Neugründung erst der (Fach-)Hochschulen und dann von deren Außenstellen. „Das war die wichtigste Entscheidung der letzten Jahre“, so Füracker. Damit konnten viele Arbeitsplätze und damit auch junge Leute in den ländlichen Gebieten gehalten werden.
  4. Der Ausbau der Breitbandversorgung: „Wir wissen um die Defizite, bitte geben Sie uns Zeit, denn wir wollen diese beheben“, bat der Staatssekretär. Und in Richtung der bayerischen Wirtschaft fügte er hinzu: „Bitte geben Sie nicht laufend neue Studien zum Thema schnelles Internet in Auftrag. Wir kennen die Defizite!“ Man habe auch schon viel erreicht, so sei in den Städten bereits fast 89 Prozent Breitbandversorgung erreicht, im ländlichen Raum sei der Anteil auf 32 Prozent gestiegen. Obwohl der Bund dafür zuständig sei – oder eben die Kabelversorger –, gebe Bayern zusätzlich 1,5 Milliarden Euro für den Ausbau aus, weit mehr als jedes andere Bundesland. Bei der Breitbandversorgung habe der Wettbewerb leider nicht funktioniert, da die Anbieter sich nur auf die lukrativen Regionen konzentriert hätten. „In 30 Prozent der Ausschreibungen hat sich dann nur die Telekom beworben“, lobte Füracker den oft kritisierten Konzern.

Die Landesentwicklung

Thema war auch das Landesentwicklungsprogramm (LEP), das erst 2013 neu aufgestellt wurde. „Wenn man für 2056 teilweise völlig verschiedene Kommunen in Bayern einen gemeinsamen Plan macht, dann erhält man von niemand Lob“, sagte Füracker. „Unser Dilemma ist: Wir sollen etwas regeln, das für alle gilt.“ Darum habe man nicht wieder alles neu machen, sondern nur die noch offenen Fragen lösen wollen. Und: „Wir wollten die Kommunen in ihrer Entscheidungshoheit stärken, ähnlich wie bei der 10H-Regelung für Windräder.“ So seien Gewerbegebiete an Autobahnausfahrten nicht nur sinnvoll, sondern auch meistens der Wunsch sowohl der Bürger (wegen des Anliefer- und Einkaufsverkehrs), als auch eines Großteils der Wirtschaft. Große Märkte oder Möbelhäuser seien aber bewusst von diesen Bereichen ausgenommen worden. Zudem müsse man natürlich auch Umwelthindernisse berücksichtigen.

Das schützt die Bürger, erhöht die Akzeptanz und reduziert die Klagen.

Albert Füracker

Bei neuen oder zu ersetzenden Stromleitungen sei es das Ziel der Staatsregierung, diese Trassen „aus den Orten raus“ zu verlegen, mit entsprechendem Abstand zur Wohnbebauung. „Das schützt die Bürger, erhöht die Akzeptanz und reduziert die Klagen“, erklärte der Staatssekretär.

Wirtschaftsfreundlicher arbeiten

Gastgeber Heinrich Traublinger, langjähriger Landtagsabgeordneter und Ehrenpräsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern sowie des Bayerischen Handwerkstages, forderte eine wirtschaftsfreundlichere Politik ein. „Gerade der CDU muss man in vielen Punkten der Wirtschaftspolitik mittlerweile die Frage der Glaubwürdigkeit stellen.“ Und nannte als Beispiele die Reform der Erbschaftssteuer und die Abschaffung des Bargeldes. Zudem gefährde die Niedrigzinspolitik der EZB Arbeitsplätze und Unternehmen. Ganz allgemein fehlten „Gesamtkonzepte“ für die Wirtschaftspolitik.

Bei der Fortschreibung des LEP gebe es Probleme mit dem Umweltschutz, so Traublinger. Zudem werde jedes Gewerbe, das verloren gehe, schon jetzt durch Verbraucher- und Lebensmittelläden ersetzt. Einerseits schaffe jede Umgehungsstraße ein Gewerbegebiet außerhalb der Kommunen und andererseits werde die Verödung der Innenstädte beklagt. Das passe alles nicht so recht zusammen.

Lob gab es ebenso wie Kritik von den anwesenden Unternehmens- und Verbandsvertretern. Hans-Martin Rummenhohl, Leiter des Verbindungsbüros Bayern der Deutschen Telekom AG, begrüßte, dass es jetzt zentrale Ansprechpartner im Ministerium gebe und zugleich die Beratung der Kommunen für Breitbandprojekte auf die Landesvermessungsämter regionalisiert wurde. Martin Aigner, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Bayern, sah die Hochstufung einiger Kommunen zu Mittel- oder Oberzentren als problematisch, „weil jede Hochstufung eine Ausweitung der Handelsflächen nach sich zieht und damit mehr große Wettbewerber zum Nachteil des Mittelstandes“ anziehe. Füracker bestätigte dieses Problem, sagte aber auch, dass es viele Kommunen gebe, die gar keine Einkaufsläden hätten. „Dann kommt eine der großen Supermärkte und will bauen, aber nur ab einer bestimmten rentablen Größe. Die ist dann aber nicht erlaubt.“ Darum wolle man den Kommunen hier mehr Gestaltungsmöglichkeiten geben. Sie wüssten meist besser, welche Probleme und Bedürfnisse es vor Ort gebe.