Aus den vier Kühltürmen des Kernkraftwerks Cruas steigen Dampfwolken auf. An dem Bild wird sich in Frankreich so schnell nichts ändern. (Bild: Imago/Kickner)
Renaissance der Kernkraft

Geld für französisches Atom-„Monopoly“?

Überlegungen der EU-Kommission, an der Nuklearenergie festzuhalten und sie in Europa sogar auszubauen, sorgen für Entsetzen bei den Gegnern der umstrittenen Technologie. Es wird vermutet, dass es vor allem darum geht, die ehrgeizigen Klimaziele umzusetzen und sich von russischem Gas unabhängig zu machen. Doch auch der Vorwurf, taumelnde Energieriesen auffangen zu wollen, wird laut.

Die Grünen-Fraktion im Europaparlament hat sich auf die französischen Energie-Konzerne Areva und EDF (Electricité de France) eingeschossen: Das „fragwürdige Projekt“ solle nur diese Firmen „aus der Pleite retten“, schimpfte die Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms auch mit Blick auf das Strategiepapier aus Brüssel, das die Kernenergie stärkt. Beide Konzerne seien in die roten Zahlen gerutscht, weil die beiden einzigen Neubauten in der EU seit Tschernobyl sich zu einem ökonomischen Desaster entwickelt hätten, sagte Harms der „Hannoverschen Neuen Presse“.

Geld aus Fonds für strategische Investments?

Das neue EU-Papier zur Atomkraft ist Medienberichten zufolge recht vage gehalten und lässt viel Platz für Interpretationen. Von der Entwicklung sogenannter Mini-Reaktoren, die spätestens 2030 zum Einsatz kommen sollen, ist die Rede, und von besseren Rahmenbedingungen für Investitionen. Geld soll unter anderem aus dem Europäischen Fonds für strategische Investments (EFSI) kommen, den Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bekanntlich mit satten 315 Milliarden Euro auffüllen möchte.

Franzosen stecken seit Fukushima in der Klemme

Nicht ungelegen käme das freilich den französischen Energiekonzernen, die nach wie vor am Tropf der Kernenergie hängen: EDF betreibt in Frankreich 58 Atomreaktoren, Areva zählt zu den weltweit führenden Unternehmen der Nuklearbranche. Seit der Katastrophe in Fukushima steckt vor allem der Areva-Konzern, an dem der französische Staat direkt und indirekt mit 87 Prozent beteiligt ist, schwer in der Klemme. Nach einem Bericht der Zeitung „Die Welt“ schlug 2014 ein Verlust von 4,8 Milliarden Euro zu Buche, 2015 lag das Minus bei zwei Milliarden Euro. Präsident François Hollande und seine sozialistische Regierung stellten einen Rettungsplan auf. Der ebenfalls zum Großteil staatliche Stromversorger EDF erklärte sich bereit, die Kraftwerksparte Areva NP für 2,5 Milliarden Euro zu übernehmen, an der auch einmal Siemens beteiligt war. Die Münchner hatten bereits 2011 die Reißleine gezogen. Rund 1,62 Milliarden Euro musste Areva für den 34-Prozent-Anteil der Deutschen hinblättern, die sich bekanntlich in dem Jahr gänzlich aus der Kernenergie verabschiedeten. „Das Kapitel ist für uns abgeschlossen“, sagte der damalige Konzernchef Peter Löscher im September 2011.

Projekt in Finnland beschert Areva Milliarden-Verlust

Siemens hat seitdem eine Wende hin zu Erneuerbaren Energien vollzogen, Areva und EDF hängen weiter im Atomzeitalter fest. Und in dem lief es in den vergangenen Jahren überhaupt nicht rund: Der mit drei Milliarden Euro veranschlagte Areva-Bau eines Europäischen Druckwasserreaktors (EPR) in Finnland hat sich erheblich verzögert und verteuert. Mit drei Milliarden Euro war er einst veranschlagt und sollte 2009 in Betrieb gehen. Nun wird von einer Fertigstellung nicht vor 2018 ausgegangen und damit verbundenen Verlusten für Areva in Höhe von 5,5 Milliarden Euro. Für EDF wird es in den kommenden Jahren ebenfalls richtig teuer: Es gilt, die 58 Atomreaktoren instand zu halten und zu renovieren, damit die Sicherheit gewährleistet ist. Mit Kosten in Höhe von 100 Milliarden Euro rechnet der französische Rechnungshof in den nächsten zehn Jahren dafür.

Umstrittene Kapitalerhöhung

Die Regierung Hollande steckt ebenfalls in der Klemme, weil sie ihre Energie-Konzerne nicht so einfach mit weiterem Kapital ausstatten kann. Zum einen müsste der französische Staat Brüssel davon überzeugen, als „marktwirtschaflich handelnder Investor“ aufzutreten, zum anderen ist die Frage, wo das Geld überhaupt herkommen soll. Die französische Staatsverschuldung betrug zuletzt 95,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Areva sitzt derweil auf einem Schuldenberg von 37,4 Milliarden Euro. Zuletzt war von einer Kapitalerhöhung von fünf Milliarden Euro die Rede, von der der Staat drei Milliarden tragen soll. Französische Medien sprechen mit Blick auf die Energiekonzerne schon länger von einer „tickenden Zeitbombe“ und werfen Frankreich vor, mit Steuergeldern „Monopoly zu spielen“.

Staatskonzern hofft auf „Hinkley Point C“

Frankreich dürfte also durchaus daran gelegen sein, dass die Kernenergie in der EU eine Renaissance feiert: 14 Mitgliedsstaaten verfügen derzeit über 131 Meiler, weitere sind in Planung. Darunter auch das umstrittene „Hinkley Point C“ in Großbritannien, das die Franzosen unter Federführung von EDF bauen sollen. Es soll in zehn Jahren ans Netz gehen. Die Briten wollen damit den Ausstieg aus der Kohlekraft vorantreiben. Die Kosten des Projekts sollen bei 23 Milliarden Euro liegen, rund ein Drittel davon erhofft man sich von chinesischen Investoren.