Abgas und kein Ende: Neben VW sind jetzt auch gegen andere Hersteller Vorwürfe bekannt geworden. Bild: Imago/Gerhard Leber
VW-Abgasskandal

Eine Extrawurst für die USA

Während sich VW in den USA im Abgasskandal mit einem Vergleich eine Atempause verschafft, bläst dem Konzern in der Heimat der Wind scharf entgegen: Auch hierzulande wollen Besitzer manipulierter Diesel-Autos Entschädigungen. Unterdessen müssen nach einer Überprüfungsaktion durch Verkehrsminister Alexander Dobrindt auch andere Hersteller Dieselfahrzeuge zurückrufen.

630.000 Autos der Marken Audi, Mercedes, Opel, Porsche sowie Volkswagen werden von den Herstellern freiwillig zurückgerufen, erklärte der Verkehrsminister heute in Berlin. Auch ausländische Marken, darunter zum Beispiel Renault, haben demnach ähnliche Zusagen gegeben. Die Technik zur Abgasreinigung muss bei bestimmten Temperaturen geändert werden. Manipulationsvorwürfe werden keinem Hersteller gemacht. Sie haben die Abgastechnik ihrer Fahrzeuge lediglich so eingestellt, dass die Filter erst ab einer bestimmten Außentemperatur arbeiten. Die verwendeten Abschaltvorrichtungen sind laut Dobrindt nach EU-Vorgaben möglich. Es gebe aber Zweifel, ob diese Vorrichtungen zum Schutz von Bauteilen tatsächlich notwendig seien.

Größter Verlust der Unternehmensgeschichte erwartet

Illegal ist freilich, was VW weltweit mit seiner Schummelsoftware in Dieselfahrzeugen gemacht hat. Nach dem Vergleich in den USA drohen den Wolfsburgern immerhin keine milliardenschweren Strafzahlungen. Doch die Euphorie war bei den VW-Anlegern nach zwischenzeitlichen Kursgewinnen schnell wieder dahin. Schließlich macht der „Deal“ in Übersee den Skandal nicht vergessen, und die Wiedergutmachung wird für die Wolfsburger sehr teuer. Vor der heutigen Aufsichtsratssitzung waren Summen von mehr als 16 Milliarden Euro im Gespräch, 6,7 Milliarden hatte der Konzern bereits im vergangenen Jahr für die „Dieselthematik“ zurückgelegt, VW schreibt den größten Verlust seiner Geschichte.

Amerikaner können Autos zurückgeben

Die 570.000 Autofahrer, die in den USA an der Nase herumgeführt wurden, sollen nun umfassend entschädigt werden: Der zuständige Bundesrichter Charles Breyer erklärte am Donnerstag, dass ihnen VW anbietet, die Autos zurückzukaufen oder zu reparieren; die Amerikaner haben die Wahl. Leasing-Verträge für betroffene Autos können zudem von den Kunden aufgelöst werden, und obendrauf erhalten alle noch eine „substantielle finanzielle Abfindung“. Wie hoch diese Summe sein wird, blieb zunächst offen, spekuliert wurde mit bis zu 5000 Dollar je Auto. Die Details sollen in den kommenden Wochen ausgehandelt werden.

Die sich nun abzeichnenden Regelungen in den USA werden in Verfahren außerhalb der USA keine rechtlichen Wirkungen entfalten.

Volkswagen

Für Empörung sorgt derweil in Deutschland die Mitteilung von Volkswagen, dass „die sich nun abzeichnenden Regelungen in den USA in Verfahren außerhalb der USA keine rechtlichen Wirkungen entfalten werden“. Mit anderen Worten: Nur die Amerikaner erhalten die Extrawurst. In Deutschland warten bekanntlich etliche Besitzer auf die Umrüstung ihrer manipulierten Dieselautos, zurückgeben können sie sie wohl nicht. Entschädigungszahlungen gelten ebenfalls als unwahrscheinlich, schließlich sind allein in Deutschland gut zwei Millionen Kunden betroffen. Ihnen allen eine Wiedergutmachung zu bezahlen, würde den Konzern extrem teuer kommen. Mit Blick auf den Deal in den USA fühlten sich dann auch gleich viele VW-Fahrer im Heimatland des Autoherstellers heute „als Kunden zweiter Klasse“.

In Deutschland keine Sammelklagen möglich

Auch vor Gericht haben es die genarrten VW-Käufer in Deutschland weitaus schwieriger als ihre Leidensgenossen in Übersee, wo Sammelklagen möglich sind. Die Politik will reagieren: So sprachen sich die Verbraucherschutzminister von Bund und Ländern heute zum Abschluss ihrer Jahreskonferenz dafür aus, gesetzliche Regelungen für Musterklagen zu schaffen. Für die vom VW-Skandal Betroffenen dürfte das freilich zu spät kommen.

Auch Daimler gerät in den USA unter Druck

Unterdessen gerät auch Daimler wegen seiner Diesel-Abgase in den USA immer stärker unter Druck. Zivile Sammelklagen sind bereits anhängig, jetzt wollen die US-Behörden Daimlers Diesel-Modelle ganz genau unter die Lupe nehmen und haben Messungen angeordnet. Den Schwaben wird von Umweltverbänden vorgeworfen, dass die Autos auf den Prüfständen die zulässigen Stickoxid-Werte einhalten, sie auf der Straße jedoch um ein Vielfaches überschreiten. Der Stuttgarter Konzern teilte am heutigen Freitag mit, dass er vollumfänglich mit den US-Behörden kooperieren werde. „Etwaigen Hinweisen auf Regelverstöße wird das Unternehmen konsequent nachgehen und die erforderlichen Maßnahmen selbstverständlich treffen“, hieß es. Zugleich ließ der Konzern aber wissen, dass er die Sammelklagen für unbegründet halte und sich dagegen mit sämtlichen juristischen Mitteln zur Wehr setzen werde. Die Anleger reagierten trotzdem nervös, der Kurs der Daimler-Aktie brach heute zeitweise um bis zu sieben Prozent ein, auch weil obendrein noch ein Gewinnrückgang vermeldet wurde.

Razzien bei PSA Peugeot Citroen

Der Verdacht, manipuliert und Zahlen geschönt zu haben, erhärtete sich indes auch bei Herstellern in Frankreich und Japan. So bekam etwa PSA Peugeot Citroen Besuch von der Behörde für Verbraucherschutz und Betrugskontrolle (DGCCRF), die an fünf Standorten Razzien durchgeführt haben soll. Dem französischen Autobauer werden ebenfalls Abgasmanipulationen vorgeworfen, bei drei Modellen seien „schädliche Abweichungen“ festgestellt worden, hieß es diese Woche. PSA erklärte, dass die Autos in allen Ländern, in denen die Firma aktiv sei, die Schadstoffbestimmungen einhalten.

Mitsubishi gibt Schummelei beim Verbrauch zu

Zugegeben, geschummelt zu haben, hat unterdessen Mitsubishi. Demnach soll der Spritverbrauch bei 600.000 in Japan verkauften Kleinstwagen höher sein, als vom Hersteller angeben. Darunter sind auch Modelle von Nissan, die Mitsubishi für seinen Mitbewerber herstellt. Getrickst wurde ganz einfach mit einem unzulässigen Reifendruck, heißt es. Die Folgen der Schummeleien sind ähnlich dramatisch wie bei VW. Die Mitsubishi-Aktien verloren innerhalb von zwei Tagen mehr als ein Drittel an Wert.