Alt oder jung, ärgerlich oder fröhlich? Dank der vom Fraunhofer-Institut IIS entwickelten Software genügt der Kamera ein Blick, um das herauszufinden. Bild: Fraunhofer IIS/Jens Garbas
Fraunhofer-Gesellschaft

Technik von morgen schon heute

Wie werden technologische Entwicklungen die Welt von morgen verändern? Seit 30 Jahren arbeitet das Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen IIS mit Hauptsitz in Erlangen daran, diese Zukunft zu gestalten.

„Dass eine Forschungseinrichtung wie unsere stets innovativ sein muss, versteht sich von selbst“, sagt Professor Albert Heuberger, der das größte der deutschlandweit 66 Fraunhofer-Institute und -Forschungseinrichtungen seit 2011 leitet. Alleine der Umstand, dass lediglich 30 Prozent des jährlich 120 Millionen Euro umfassenden Budgets mittels Grundfinanzierung gedeckt sind – alles andere wird durch die eigene Forschung finanziert – mache dies nötig. Dies geschieht an den mittlerweile zehn Standorten – Ilmenau, Coburg, Dresden, Bamberg, Würzburg, Waischenfeld, Erlangen, Fürth, Nürnberg, Deggendorf – und mit rund 880 Mitarbeitern, die überwiegend im wissenschaftlichen Bereich tätig sind.

Erfinder des mp3-Formats

Zusammen mit seinen Auftraggebern entwickelt das IIS dabei in sechs Forschungsfeldern ambitionierte Lösungen, etwa für die Audiotechnik und sichere Kommunikationssysteme, für Energie-Managementsysteme und die Medizintechnik. Die „Holgerson Eagle Cam“ ist eines der neuesten Forschungsprojekte und einer der Nachfolger der wohl bekanntesten Entwicklung des IIS, dem mp3-Format für Audiodateien. Mit einem Gewicht von nur 17 Gramm, liefert die Kamera hochauflösende natürliche Bilder, etwa direkt vom Rücken eines Adlers.

Das Ergebnis wird man noch in diesem Jahr auf der Kinoleinwand bestaunen können. Eines der aktuell spannendsten Forschungsprojekte liege im Bereich der Lokalisierung, so Albert Heuberger, der zugleich Inhaber des Lehrstuhls für Informationstechnik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist. „Wir arbeiten im Bereich der Satellitennavigation an einer deutlich höheren Genauigkeit als bisher, etwa um fälschungssichere Zeit- und Ortsstempel erzeugen zu können.“ Bis dato arbeiteten beispielsweise GPS-Navigationsgeräte nach dem Prinzip der Hypothesenbildung. „Das Navigationsgerät schließt letztlich nur daraus, dass sich ein Fahrzeug beispielswiese auf dieser oder jener Straße befinden muss, weil das bisherige Fahrtverlauf und Standort darauf hindeutet“, so Heuberger.

T-Shirt mit Messtechnik für EKG und Atmungserfassung

Die Folge: eine Genauigkeit von lediglich fünf bis 50 Metern. Diese Ungenauigkeit soll nach dem Willen der Forscher in Zukunft ebenso der Vergangenheit angehören, wie eine Crashanalyse, die zwangsläufig auf Zerstörung beruht. Dass mit Blick auf einen möglichen „Dual-Use“, also einen doppelten Verwendungszweck, etwa gerade eine punktgenaue Lokalisierungstechnologie auch in ethisch fragwürdigen Einsatzbereichen zu Anwendung kommen könne, führe man sich stets vor Augen. „Wir treffen immer eine Einzelfallentscheidung und haben dahingehend auch schon Forschungsanfragen abgelehnt“, sagt Heuberger.

Ausschließen könne man einen solchen Einsatz aber freilich nie, man müsse sich vielmehr ganz aus der Forschung verabschieden, wenn man solche Gedankengänge auf die Spitze treibe. Entwicklungen, wie das „FitnessSHIRT“ des Fraunhofer IIS, das ausgestattet mit Messtechnik für EKG und Atmungserfassung etwa dabei helfen kann, die Sicherheit von Einsatzkräften bei Lösch- und Rettungseinsätzen zu erhöhen, oder eine Software, die alleine anhand eines Kamerabildes erkennt, ob ein Mensch ein Mann oder eine Frau, alt oder jung, ärgerlich oder fröhlich ist, sind dagegen längst Realität. Zu wissen, wie jemand auf Gezeigtes reagiert – ist vor allem für die Werbewirtschaft von unermesslichem Wert. Mit den Einnahmen aus solchen Lizenzmodellen – Kunden zahlen dafür, dass von Fraunhofer entwickelte Know-how nutzen zu dürfen – und der Auftragsforschung erwirtschaftet das IIS mit 18 Prozent den größten Teil des Ertrags der gesamten Fraunhofer-Gesellschaft.

Neuer Forschungscampus des Fraunhofer IIS

Damit das so bleibt und mit stetig neuen Entwicklungen weitere Einnahmen erzeugt und diese wiederum in neue Projekte fließen können, hat das IIS auch in seine eigene Zukunft investiert. Am 11. Mai wird in Waischenfeld in der Fränkischen Schweiz der Forschungscampus des Fraunhofer IIS eröffnet. „Er bietet eine innovative Arbeitsumgebung, in der es möglich ist, unkompliziert und unkonventionell gerade im Rahmen von Projekten wissenschaftlich zu arbeiten, zu forschen, zu testen, zu tagen und diese konzentriert vor­anzutreiben“, sagt Heuberger.

Schließlich gelte es, sich immer wieder neu zu behaupten und stets nachhaltige und ambitionierte Lösungen anzubieten. Gemäß dem Leitbild des Fraunhofer IIS, als anwendungsorientierte Forschungseinrichtung technologisch vorauszudenken, Ideen voranzutreiben und Impulsgeber für Technologie und Anwendungen von morgen zu sein.