Die Mitarbeiter sind bedient: Siemens will in Bayern knapp 2000 Stellen einsparen. Bild: Imago/IPON
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Stellenabbau: Bayern steht Betroffenen zur Seite

Die negativen Auswirkungen der niedrigen Rohstoffpreise haben Bayern erreicht: Siemens will in seiner im Freistaat stark vertretenen Antriebssparte bis zu 2000 Stellen einsparen, weltweit sind 2500 Mitarbeiter betroffen. Die Staatsregierung sagt den Beschäftigten in Ruhstorf an der Rott, Nürnberg, Bad Neustadt und Erlangen ihre Unterstützung zu.

Wirtschaftsministerin Ilse Aigner nannte die Pläne des Münchner Technologiekonzerns einen „schmerzlichen Prozess, der so sozialverträglich wie möglich ablaufen muss“. Sie sagte den Menschen ihre Unterstützung zu und verwies darauf, dass sie mit Siemens bereits darüber im Gespräch sei, wie betriebsbedingte Kündigungen vermieden und wo neue Perspektiven für die betroffenen Arbeitnehmer entwickelt werden können.

Der Wachstumseinbruch auf den Rohstoffmärkten hat zu einer erheblichen Verschärfung des Wettbewerbs besonders aus dem asiatischen Raum geführt. Deshalb sind wir gezwungen, uns auf diese Verhältnisse einzustellen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Siemens-Divisions-Chef Jürgen Brandes

Der Konzern selbst teilte mit, dass er „weiter konsequent und verantwortungsvoll auf strukturelle und technologische Veränderungen in einzelnen Geschäften und Märkten reagiert“. Die zunehmende Wettbewerbsintensität in den Branchen Öl und Gas, Metall und Bergbau mache eine Neuordnung in der Siemens-Division Prozessindustrie und Antriebe (englisch PD) notwendig. „Der Wachstumseinbruch auf den Rohstoffmärkten hat zu einer erheblichen Verschärfung des Wettbewerbs besonders aus dem asiatischen Raum geführt“, sagte der PD-Divisions-Chef Jürgen Brandes. „Deshalb sind wir gezwungen, uns auf diese Verhältnisse einzustellen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern“, fügte er hinzu.

Abbau soll „sozialverträglich“ umgesetzt werden

Brandes Worten nach muss das Fertigungsnetzwerk global optimiert und die Anzahl der Fertigungsstätten für ähnliche oder gleiche Produkte reduziert werden. Betroffen sind die beiden Geschäftseinheiten „Large Drives“, zu Deutsch Großantriebe, und „Process Solutions“ (Prozesslösungen). Weltweit sollen 2500 Arbeitsplätze wegfallen, 2000 davon in Deutschland, der überwiegende Teil in Bayern. Laut eines Siemenssprechers sind davon 750 Mitarbeiter in Nürnberg, 700 in Ruhstorf, 350 in Bad Neustadt an der Saale und 150 in Erlangen betroffen. Geplant ist demnach, 1000 der genannten Stellen an einzelnen Standorten zu bündeln, der Abbau der übrigen soll „sozialverträglich umgesetzt werden“.

Einer der schwärzesten Tage für die Gemeinde.

Ruhstorfs Bürgermeister Andreas Jakob

Vor Ort ist die Entscheidung mit Bestürzung aufgenommen worden. So sprach Ruhstorfs Bürgermeister Andreas Jakob (CSU) von einem „der schwärzesten Tage für die Gemeinde“. Siemens ist in der gut 7000 Einwohner zählenden Kommune im Landkreis Passau einer der größten Arbeitgeber. Im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse äußerte sich auch Niederbayerns CSU-Bezirkschef Andreas Scheuer sehr besorgt: „Dies ist nicht nur ein schwerer Schlag für die Passauer Region, sondern für ganz Niederbayern“, sagte er. Es gehe nun darum, „eng an der Seite der Mitarbeiter zu stehen und nach Lösungen zu suchen“. Erwin Huber (CSU), Chef des Wirtschaftsausschusses im Bayerischen Landtag, zeigte sich zuversichtlich, dass die Staatsregierung „diese Phase des Umbruchs“ flankieren werde: „Der Staat wird dafür sein Förderinstrumentarium mobilisieren.“ Wirtschaftsministerin Ilse Aigner kündigte an, am kommenden Montag Ruhstorf zu besuchen, um mit den betroffenen Menschen ins Gespräch zu kommen. Bei der Kabinettssitzung am Dienstag im Kloster Aldersbach (Kreis Passau) will sie das Thema dann auf die Tagesordnung setzen. Für Mittwoch hat Ministerpräsident Horst Seehofer Wirtschaftsministerin Aigner, Sozialministerin Emilia Müller, den Chef der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit, Verantwortliche von Siemens sowie die Landräte und Bürgermeister der betroffenen Kommunen zu einem Gespräch in die Staatskanzlei geladen.

Gewinn um mehr als 20 Prozent eingebrochen

Dass es in der Division Prozessindustrie und Antriebe bei Siemens zu Einschnitten kommen könnte, stand zu befürchten. In seinem Geschäftsbericht für das abgelaufene Jahr hatte der Konzern bereits angemerkt, dass er auch 2016 für die von der Division bedienten Märkte eine verhaltene Entwicklung erwartet. Die Nachfrage der Ölindustrie sowie des Bergbaus werde voraussichtlich gegenüber dem Geschäftsjahr 2015 weiter sinken, vor allem in den vorgelagerten Märkten, hieß es damals. So kam es dann auch: Im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahrs, das bei Siemens im Oktober beginnt, ging der Umsatz in der Antriebssparte um sechs Prozent auf 2,2 Milliarden Euro zurück, der Gewinn brach um mehr als 20 Prozent ein. Die angestrebte Marge von acht bis 12 Prozent wurde mit 5,7 Prozent klar verfehlt. Damit war die Sparte die am zweitwenigsten profitable des Konzerns. Noch unerfreulicher lief es nur in der Division „Power and Gas“, die eine Marge von 4,2 Prozent erzielte. Auch ihr macht bekanntlich der niedrige Ölpreis zu schaffen.

In anderen Sparten stehen Neueinstellungen bevor

Insgesamt steht der Konzern dagegen derzeit blendend da. Wie berichtet, hatte Siemenschef Joe Kaeser bei der Jahreshauptversammlung im Januar höchst erfreuliche Zahlen im Gepäck: Der Vorstandsvorsitzende vermeldete ein Umsatzplus und einen Gewinnsprung. Und auch die Auftragsbücher füllten sich dank eines Kraftwerks-Großauftrages aus Ägypten weiter. Den Konzernumbau sehen die Verantwortlichen als abgeschlossen an. Man treibe nun den Wandel zum digitalen Industrieunternehmen voran und stelle die Weichen für Innovation und weiteres Wachstum, heißt es. Eine Milliarde Euro würden dazu in Forschung, Entwicklung, Produktivität sowie für den weltweiten Vertrieb investiert. Und auch die Zahl der Neueinstellungen soll sich in den kommenden Jahren „auf hohem Niveau einpendeln“. Man rechne jährlich mit mindestens 25.000 Neueinstellungen weltweit, rund 3000 davon in Deutschland. Für die vom Stellenabbau Betroffenen in Bayern dürfte das freilich ein schwacher Trost sein.