Gemeinsam mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat das ifo-Institut das sogenannte Ökonomenpanel ins Leben gerufen, das in Zukunft jeden Monat das Meinungsbild der deutschen Volkswirtschaftsprofessoren erforschen wird. „Es geht darum, ein differenziertes Meinungsbild der deutschen Ökonomen zu aktuellen und grundsätzlichen Fragen aufzeigen zu könne“, erläutert Initiator Niklas Potrafke, Leiter des ifo-Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie.
Flüchtlingszustrom eine Chance für Deutschland?
Dieses Mal stand der Zuzug von Asylbewerbern im Vordergrund der Umfrage, und viele Wirtschaftsprofessoren machten keinen Hehl aus ihrer Skepsis: Demnach erwarten 40 Prozent „eher Nachteile für das Land“, 23 Prozent sehen „eher Vorteile“. Der Rest zeigt sich unentschieden. Die Umfrage offenbart, dass der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, möglicherweise zu viel Optimismus verbreitet hat. Laut ifo-Institut hatte er den Flüchtlingszustrom als größte wirtschaftliche Chance für Deutschland nach der Wiedervereinigung bezeichnet.
Mehrheit fordert Absenkung des Mindestlohns für niedrig qualifizierte Flüchtlinge
Eine Mehrheit der VWL-Professoren (56) hält es derweil für erforderlich, den Mindestlohn für Asylbewerber mit niedriger Qualifikation abzusenken, um sie so besser in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. 37 Prozent lehnen dies jedoch ab und geben vereinzelt zu bedenken, dass es zu Spannungen zwischen Deutschen und den Neuankömmlingen kommen könnte. So befürchtet etwa Professor Erwin Amann von der Universität Duisburg-Essen, dass eine Senkung des Mindestlohns „die Debatte über eine Verdrängung deutscher Arbeitnehmer heraufbeschwören könnte“. Größere Einigkeit gibt es dagegen bei den Ökonomen darüber, wie der Zustrom von Flüchtlingen in die EU gebremst werden sollte: 46 Prozent stimmen der Forderung nach einer besseren Sicherung der Außengrenzen des Schengen-Raums „voll und ganz“ zu, 30 Prozent stimmen dem „eher“ zu.
Inhaltlich hat mich das Ergebnis zur Finanzierung der Flüchtlingskosten überrascht. Ich teile nicht die Position, dass die Mehrausgaben durch neue Schulden oder Steuererhöhungen finanziert werden sollten
Niklas Potrafke, Leiter des ifo-Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie
Überrascht zeigte sich das ifo-Institut darüber, wie nach Meinung der VWL-Professoren die Kosten für Unterbringung, Versorgung und Betreuung der Asylbewerber finanziert werden sollten: So brachten 45 Prozent eine Neuverschuldung Deutschlands ins Spiel, 36 Prozent nannten Steuererhöhungen. 22 Prozent sprachen sich dagegen für die Reduzierung von internationalen Zahlungen sowie eine Anhebung des Rentenalters aus. Die Kürzung von Sozialausgaben präferierten 21 Prozent, 16 Prozent liebäugelten mit „anderen Sparmaßnahmen“ oder Umschichtungen im Haushalt. „Inhaltlich hat mich das Ergebnis zur Finanzierung der Flüchtlingskosten überrascht“, sagt dazu Initiator Niklas Potrafke, der sich persönlich gegen neue Schulden oder Steuererhöhungen ausspricht. Der ifo-Zentrums-Leiter plädiert für ein höheres Renteneintrittsalter oder Ausgabenkürzungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise.
Hilfspaket hilft nicht, Griechenland langfristig zu stabilisieren
Neben der Flüchtlingsproblematik war bei dem Ökonomenpanel die Meinung der Wirtschafsprofessoren zum dritten Hilfspaket für Griechenland gefragt. Das Ergebnis ist eindeutig: 70 Prozent sagen, dass das Paket nicht helfen werde, das Land langfristig zu stabilisieren. Es werde nur Zeit gekauft, Strukturproblemen würden mit dem Geld nicht gelöst. Und 50 Prozent der Ökonomen stimmten sogar zu, dass Griechenland den Euroraum mit einer Rückkehr-Option verlassen sollte.
Geldpolitik der EZB ist zu expansiv
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) stand bei der Ökonomen-Umfrage in der Kritik: Die Mehrheit von 57 Prozent sieht die Geldpolitik von EZB-Chef Mario Draghi und seinen Gefolgsleuten als zu expansiv an, 40 Prozent fordern, dass der Leitzins erhöht werden sollte.