Wandel der Medienbranche

Nicht mehr nur Sender, sondern auch Empfänger

Mainz – ARD und ZDF wollen in Zukunft transparenter mit Fehlern in der Berichterstattung umgehen und starten daher neue Portale im Internet. Damit reagieren die Sender auf die Kritik von Zuschauern, unter anderem an Berichten zur Ukraine-Krise. Damit zeigt sich auch bei den Öffentlich- Rechtlichen, wie sehr sich das Verhältnis zwischen Medien und Publikum gewandelt […]

Mainz – ARD und ZDF wollen in Zukunft transparenter mit Fehlern in der Berichterstattung umgehen und starten daher neue Portale im Internet. Damit reagieren die Sender auf die Kritik von Zuschauern, unter anderem an Berichten zur Ukraine-Krise. Damit zeigt sich auch bei den Öffentlich- Rechtlichen, wie sehr sich das Verhältnis zwischen Medien und Publikum gewandelt hat.

Beim ZDF etwa gibt es ab sofort eine Rubrik auf der Website heute.de, über das Zuschauer mit der Redaktion der Nachrichtensendung in Verbindung treten können, um auf eventuelle Fehler hinzuweisen. ZDF-Chefredakteur Peter Frey sagte, 2er 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche sende, „analog, digital und online“, dem unterliefen trotz aller Anstrengungen von Redaktion und Korrespondenten gelegentlich auch Fehler. „Diese wollen wir schnell korrigieren.“ Transparenz sei hier das beste Mittel gegen Verschwörungstheorien und Manipulationsvorwürfe“, so Frey in einer Pressemitteilung.

Unter 1000 Beiträgen rund um den Konflikt auf der Krim und im Osten der Ukraine hatte das ZDF insgesamt sechs Stellen gefunden, an denen Fehler oder Ungenauigkeiten in der Berichterstattung festgestellt worden waren. So erschien Ende 2014 ein Bild auf heute. de, auf dem vermeintlich russischen Panzer in der Ukraine zu sehen waren. Später räumte das ZDF ein, das Foto zeige in Wirklichkeit georgische Panzer und stamme aus dem Jahr 2009. In einem anderen Beitrag zitierte ein Redakteur eine Ukrainerin, die über den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko schimpfte. Wegen eines Versehens am Schneidetisch sei jedoch ein anderer OTon der Frau zu hören gewesen. Einer der führenden Kritiker an derartigen Berichten ist die Bürgerinitiative „Ständige Publikumskonferenz“. Der Verein mit Sitz in Leipzig bombardiert seit seiner Gründung die Öffentlich- Rechtlichen mit Beschwerdewellen – vor allem die Berichterstattung zur Ukraine- Krise ist ihnen ein Dorn im Auge.

Genau diesen Vorwürfen wollen die Verantwortlichen beim „Ersten“ und „Zweiten“ entgegentreten. Dabei legen beide Sendeanstalten größten Wert auf ihre journalistische Sorgfalt und Ausgewogenheit. „Bei keinem der angeprangerten Berichte steckte eine böse Absicht dahinter“, heißt es etwa beim ZDF. Die Flut der verfügbaren Bilder überfordere aber viele Medien bisweilen. Durch die sozialen Medien sei es außerdem viel einfacher geworden, bewusst manipulierte Informationen und Bilder zu verbreiten, um Unsicherheit zu schüren und Propaganda zu betreiben, so das ZDF. Daher hat der Sender auf der Website heute.de eine gänzlich neue Rubrik namens „Korrekturen“ eingerichtet. Vorbild ist dabei die US-Tageszeitung New York Times, die Richtigstellungen schon seit Jahren im Netz unter einer eigens angelegten Rubrik veröffentlicht. Beim ZDF stammt die jüngste Korrektur übrigens vom 15. März: In einer Kultursendung hatte man ein Foto von John Lennon und Yoko Ono als 25 Jahre alte bezeichnet – in WIrklichkeit war das Bild 45 Jahre alt.

Bei der ARD setzt man sich mit dem Tagesschau-Blog schon seit 2006 mit Zuschauerbeschwerden über Berichte in der Nachrichtensendung auseinander. Doch mit der Ukraine- Krise hat sich auch hier die Zahl der Beschwerden vergößert. Ein Stein des Anstoßes etwa war ein Tagesthemen-Beitrag vom Mai 2014. Der Korrespondent hatte den Tod zweier Menschen durch Schüsse in Krasnoarmeysk in der Ostukraine den Separatisten zugeordnet, es war aber laut ARD ein ukrainisches Freiwilligen- Bataillon. Der Bericht wurde danach zurückgezogen und ist online nicht mehr verfügbar.

Der Hamburger Blogger und Medienexperte Klaus Hofmann sieht die Auseinandersetzung der Öffentlich-Rechtlichen als weiteren Beleg für das veränderte Verhältnis zwischen Medien und Publikum. „Journalisten sind heute nicht mehr nur Informationsverbreiter, sondern auch Informationsempfänger“, sagt Hofmann. Auch Nachrichtensendungen wie heute oder Tagesschau könnten keine Einbahnstraßen mehr sein. „Dank der schier unbegrenzten Möglichkeiten des Publikums, sich auch anderer Quellen zu bedienen – zumeist im Internet – müssen sich auch die öffentlich-rechtlichen Redaktionen stärker mit Rückmeldungen des Publikums auseinandersetzen. „Das muss aber nicht immer nur Kritik sein“, stellt Hofmann fest. Seiner Meinung nach profi tieren sowohl die Medien als auch das Publikum gleichermaßen von dem veränderten Verhältnis. „Denn was für die Medien gilt – dass sich nicht mehr nur Sender, sondern auch Empfänger sein sollen – gilt auch für das Publikum. Informationen, Hinweise oder Tipps von Zuschauern, Lesern oder Zuhörern können immens wertvoll für die journalistische Arbeit sein“, betont der Medienexperte. Aus der Einbahnstraßen-Information werde im Medienwandel ein Geben und Nehmen.

Wie intensiv sich die Zuschauer beteiligen, zeigen die Zahlen der „Fehler-Rubrik“ bei der Tagesschau. Rund 2000 Kommentare gib es dort ARDAngaben zufolge pro Tag. Hinzu kommen noch etwa 500 Mails. Beim ZDF sind die Zahlen ähnlich. Sich mit den Zuschauern so intensiv auseinanderzusetzen, bedeutet zwar mehr Arbeit für die Redakteure – gleichzeitig aber schafft dies auch eine engere Beziehung zwischen dem Medien und seinem Publikum. „Früher war, etwa bei Zeitungen, die Leser-Blatt- Bindung ein wichtiger Faktor“, erklärt Klaus Hofmann. „Bei der Fülle an Informationsquellen, die es heute gibt, müssen die Medien neue Wege gehen, um sich ein treues Publikum zu erkämpfen.“ Besonders wichtig sei es dabei, den Zuschauern, Lesern oder Zuhörern auf Augenhöhe zu begegnen und deren Anregungen und Kritik ernst zu nehmen.