Im Nebel ruhet noch die Welt: Die Osterseen in der Nähe von Seeshaupt, aus dem neuen Vilsmaier-Film "Bayern - sagenhaft". (Bild: Perathon Filmverleih)
Film

Steinlupfer und Hopfenzupfer

Joseph Vilsmaier zeigt in seiner neuen Kino-Dokumentation seine Heimat unter dem doppeldeutigen Titel „Bayern – Sagenhaft“: Sagen und Legenden treffen auf Groß- und Einzigartiges. Ein jahreszeitlicher Überblick über die Schönheit im Freistaat.

Feste, Bräuche und Traditionen gehen oft auf uralte Sagen, christliche Legenden und historische Ereignisse zurück. Sagenhaft im Sinne von einmalig ist aber auch vieles in Bayerns Kunst und Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Sport. „Sagenhaft“ bedeutet im Volksmund eben auch: unerklärlich, großartig und einzigartig. „Es gibt kaum ein Land, das sich so mit seiner Tradition und Geschichte identifiziert wie Bayern“, sagt Texter Hannes Burger. Auf der Suche nach Bräuchen und Sagen ist Regisseur Joseph Vilsmaier für seinen neuen Film „Bayern – sagenhaft“ quer durch den Freistaat gereist und hat daraus eine Liebeserklärung an seine bayerische Heimat gemacht.

Bayern im Orbit

Beginnend in einer bayerischen Raumstation mit Astronautin und Hauptfigur Monika Gruber, die nebenbei Kabarettistin und Schauspielerin ist, geht der Film in ruhiger Folge über die sieben „Kontinente“, nämlich Bayerns sieben Bezirke. „Außerhalb von Bayern gibt’s kein Leben, und wenn, dann kein solches“, teilt Gruber der Bodenstation im Biergarten mit. Der Film zeigt, warum das so ist.

Von Wölfen und Enziangrabern

Er startet im Januar mit der Vertreibung des Bösen aus Bayern durch Böllerschützen, Benediktiner-Mönche und Polizei. Später folgen auch Perchten und Krampusse sowie Rinchnachs Wolfsaustreiber. Wie schon in seinem ersten Film „Bavaria – Traumreise durch Bayern“ zeigt Vilsmaier grandiose Bilder, hier von Paraglider-Skiakrobaten, Löwen-Dressur im Circus Krone oder dem Mufaz-Fasching in Bad Tölz. „Schrei doch net aso!“, singt Haindling zu dem Umzug, gleich widerlegt von den Teilnehmern.

Außerhalb von Bayern gibt’s kein Leben, und wenn, dann kein solches.

Monika Gruber

Über die Monate hinweg hangelt sich die Dokumentation, begleitet von Monika Grubers augenzwinkerndem Humor, durch den Freistaat. Nockherberg, Steinlupfen, Heumandl, Isar-Floßfahrten, Hopfenzupfer-WM in der Hallertau, Glasmacher im Bayerischen Wald, Porzellanmanufakturen im Fichtelgebirge, Enziangraber und Lederhosenmacher in Berchtesgaden treffen auf LKW-Produzenten in Augsburg, Raumfahrt in Unterhaching, Chemiedreieck in Burghausen, BMW-Selbstfahrautos, FC Bayern und das größte OP-Zentrum in Großhadern. Laptop und Lederhose eben.

Formel 1 für Rindviecher

Neuschwanstein trifft auf Würzburger Residenz, Abensbergs Hundertwasserturm, die Walhalla, Bambergs Klein-Venedig, Lindaus Hafen mit der bayerischen Gebirgsmarine, Wiesents Himalaya-Park und Ansbachs Rokoko-Festspiele. Es ist ein weltoffenes Bayern: Mettens Benediktinerabtei und jüdische Synagogen in Ansbach und München, die Wallfahrt zur Schwarzen Madonna in Altötting, Bayerische Juden oder jüdische Bayern mit Kippa in Lederhosen, Fronleichnams-Prozessionen über den Staffelsee, Christkindlmärkte wie in Nürnberg, Leonhardi-Ritte, Sankt-Martins-Umzug in Grafenau, Shalom und Grüß Gott. Der legendäre Wirt Richard Süßmeier tritt selbstironisch als Napoleon auf, in Unterfranken wird der Weinlese über die Schulter geschaut, in Iphofen beim Erntedank.

Viel Tracht ist zu sehen in Vilsmaiers Film, aber auch zünftiges Feiern und Lebensfreude: in Münchens Eisbach, beim kraftstrotzenden Maibaum-Aufstellen, bei rasanten Schlittenhunderennen im Allgäu, dem Reinheitsgebots-Jubiläum in Aldersbach, der Landshuter Hochzeit, der Wiesn mit ihrer generalstabsmäßigen Küchenarbeit und beim wahnwitzigen Münsinger Ochsenrennen – der „Formel 1 für Rindviecher“, inklusive Grubers Sportreportage. Für Vilsmaier selbst war das das Skurrilste am ganzen Film.

Das Gute siegt

Das Böse wird am Ende natürlich besiegt, nicht nur beim Further Drachenstich oder beim Kaltenberger Ritterturnier, die beide mit den wahrscheinlich beeindruckendsten Bildern des Films glänzen dürfen. Mindestens sieben gefühlte bayerische Jahreszeiten dürfen im Film auch noch bestaunt werden.

Wer wissen will, was er an Bayern eigentlich hat, warum das Land so lebenswert ist, der sollte diesen Film anschauen. Menschen aus allen sieben Bezirken zeigen, was die gemeinsame bayerische Lebensphilosophie von „Leben und leben lassen“ bedeutet und warum nicht nur das ganze Land, sondern jede Stadt und jedes Dorf so stolz ist auf seine Geschichte und sie gerne nachspielt. Wenn man unbedingt etwas kritisieren will an diesem wunderbar unterhaltsamen Film, so ist es nur die etwas zu große Ober- und Niederbayernlastigkeit des Films. Denn natürlich gibt es überall Festivals oder Orte, die man auch noch als sagenhaft einordnen könnte, wie beispielsweise die Ausstellung „Hexen, Werwölfe und Untote“ in Kulmbach, die Dinkelsbühler Kinderzeche, das Africa Festival in Würzburg, die Kaspar-Hauser-Geschichte, die Schwandorfer Felsenkeller, der Rothenburger Meistertrunk oder das Nördlinger Ries. Auch im Bereich „Laptop“ wäre noch viel zu finden. Aber der Umfang des Filmes ist natürlich begrenzt.

Das ist mein Film.

Joseph Vilsmaier

Der Film ist ohne fremde Gelder entstanden, ohne Förderung. Laut Vilsmaier haben nur vier Personen mitgewirkt, vier Jahre lang immer wieder bei den Einzelereignissen gedreht und aus 25 Stunden Filmmaterial 90 Minuten zusammengeschnitten – die sich lohnen. „Das ist mein Film“, betont der Regisseur. Mitgewirkt haben der ehemalige Nockherberg-Autor und Journalist Hannes Burger als oft ironischer Texter, der Musiker Hans-Jürgen Buchner alias Haindling für die Musik und natürlich Monika Gruber mit ihrem Charme und ihrer „frechen Goschn“, für die sie ins Weltall verbannt wurde.

„Wir wissen schon, dass es in Bayern auch Probleme und Konflikte gibt“, fasst Erfolgsregisseur Joseph Vilsmaier („Herbstmilch“, „Schlafes Bruder“) zusammen: „Aber in den 90 Minuten ‚Bayern – Sagenhaft‘ soll man sich einfach nur zurück lehnen und ‚Spaß an der Freud‘ haben.“

„Bayern – Sagenhaft“ startet am 26. Oktober 2017.