Joseph Ratzinger alias Benedikt VXI. wird am Ostersonntag 90 Jahre alt. Das Bild zeigt ihn 2008 bei einer Generalaudienz in Rom. (Foto: Imago/ZUMA-Press)
Benedikt XVI.

Der „bayerische Papst“ feiert 90.

Er ist einer der größten Theologen, die je den Papstthron inne hatten: Der „bayerische Papst“ Benedikt XVI. alias Joseph Kardinal Ratzinger wird am Ostersonntag 90 Jahre alt. Sein Hauptanliegen war stets die Verteidigung der christlichen Wahrheit gegen den Relativismus. Seine Heimat vergisst ihn nicht.

„Benedikt – von Gott geschickt“, skandierten Hunderte Jugendliche beim Besuch des bayerischen Papstes in seiner Heimat 2006 – auf dem riesigen Freigelände der Münchner Messe in Riem ebenso wie auf dem Paunzhauser Feld bei Regensburg. Zehntausende Gläubige begrüßten den Pontifex als einen der ihren, jubelten ihm zu und feierten mit ihm die Messe: Der Besuch Benedikts in seiner Heimat war ganz gewiss einer der emotionalen Höhepunkte seines Pontifikats.

Von seinen Anhängern als einer der letzten Universalgelehrten und als größter Theologe auf dem Papstthron seit Gregor dem Großen (im sechsten Jahrhundert) gefeiert, von seinen Gegnern als „erzkonservativer Panzer-Kardinal“ geschmäht, ist Joseph Ratzinger / Papst Benedikt vor allem aus seiner bayerischen Heimat die Liebe entgegengebracht worden, die er verdiente.

90. Geburtstag passend am Ostersonntag

So auch jetzt, zu seinem 90. Geburtstag, der symbolträchtig auf den Ostersonntag fällt: Sehr viele Bayern machen sich direkt auf den Weg nach Rom oder wünschen dem emeritierten Papst aus der Ferne alles Gute. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wird am Ostermontag zur persönlichen Gratulation in den Vatikan fahren, mit ihm 30 Mann Gebirgsschützen – Joseph Ratzinger ist Ehrenmitglied der Kompanie Tegernsee. Selbstverständlich wird auch sein Bruder Georg Ratzinger, selbst bereits 93 Jahre alt, nach Rom kommen.

Tief verwurzelt im Glauben hat er uns Gläubigen Halt und Orientierung gegeben.

Horst Seehofer

Mit „Weisheit und Umsicht“ habe Benedikt seine Kirche geführt, würdigt Bayerns Regierungschef  den Jubilar. „Tief verwurzelt im Glauben hat er uns Gläubigen Halt und Orientierung gegeben.“ Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU), der stets sehr engen Kontakt zu Joseph Ratzinger hielt, lobt in einem Brief: „Sie haben mich in meinem Bemühen, Politik aus christlicher Verantwortung zu gestalten, sehr bestärkt und haben mir die Kraft gegeben, diesen Weg weiter zu gehen.“ Bayerns Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU), die ebenfalls am Ostermontag nach Rom fährt, schreibt, Benedikt habe „seiner Kirche und den Gläubigen immer Kraft, Orientierung und Richtung und, wie er selbst einmal sagte, als einfacher und bescheidener Arbeiter im Weinberg des Herrn wichtige Impulse in der Glaubenslehre gegeben“.

Glaube und Vernunft, Zeugnis der Wahrheit

Den Theologen Ratzinger, neben Julius Kardinal Döpfner und Karl Rahner die prägende Figur des Zweiten Vatikanischen Konzils, trieben stets zwei Hauptfragen um: Die Versöhnung von Glaube und Vernunft sowie die Verteidigung der christlichen Glaubenswahrheit gegen Relativismus und den Einfluss weltlicher und politischer Belange.

Die Konfrontation von Ratzingers klarer, stets geschliffen formulierter Theologie mit der sich rasch ändernden Welt bewirkte, dass vor allem in der veröffentlichten Meinung der einst gefeierte progressive Konzilstheologe zum geschmähten „erzkonservativen Panzer-Kardinal“ mutierte. Ratzinger selbst war von der ausbleibenden Belebung der Kirche nach dem Vatikanum enttäuscht, zugleich nahm er Fehlentwicklungen wahr, die sich – seiner Auffassung nach zu Unrecht – auf das Konzil beriefen.

Gegen Politisierung der Theologie

Dabei scheute der persönlich schüchterne und introvertierte Theologe keinen intellektuellen Konflikt. Die aggressive 68er Studentenrevolte erlebte Professor Ratzinger in Tübingen als Schock und zog an die Uni Regensburg um. Später verhinderte er als Münchner Erzbischof die Berufung des linken „politischen Theologen“ Johann Baptist Metz zum Professor. Als Präfekt der Glaubenskongregation arbeitete Kardinal Ratzinger die Fragwürdigkeit der zum Sozialismus neigenden südamerikanischen Befreiungstheologie heraus. Die Politisierung von Kirche und Theologie war Ratzinger immer ein Graus.

1999 bewirkte er den Ausstieg der deutschen Bischöfe aus dem staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung. Ratzinger befürchtete, dass die Beratungsscheine als „Lizenz zum Töten“ missbraucht werden könnten: Darunter leide die Klarheit des kirchlichen Glaubenszeugnisses, lautete seine Begründung. Vor allem dieser Konflikt sorgte für tiefe Verletzungen in der deutschen Kirche. Katholische Laien – auch viele CSU-Politiker – organisierten mit dem Verein „Donum Vitae“ ersatzweise Beratungsstellen, die die umstrittenen Scheine weiter ausstellten.

Theologische Klarheit ermöglicht ökumenischen Dialog

Gleichzeitig öffnete die theologische Klarheit Ratzingers aber auch den Raum für ernsthafte Dialoge mit anderen Konfessionen und Religionen. So geht die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999 mit der evangelisch-lutherischen Kirche in Augsburg eindeutig auf seine Vorarbeit zurück – diese war der Hauptstreitpunkt der Reformation gewesen. Die Annäherung an die Orthodoxie, die ihren Höhepunkt bei den Besuchen Johannes Pauls II. in Rumänien und Griechenland fand, geht ebenfalls entscheidend auf ihn zurück.

Im Grunde war er immer Professor und wäre das am liebsten geblieben.

Wolfgang Beinert

Er erwies sich gleichzeitig als brillant argumentierender Zeitkritiker, der wortreich und scharfsinnig den Anspruch der Wahrheit gegen den modernen Relativismus verteidigt: Abtreibung, Homo-Ehe, all dies waren für ihn Grundfragen, die nicht der demokratischen Mehrheitsentscheidung unterworfen werden können, weil sie dem gottgegebenen Naturrecht und der Schöpfungsordnung widersprächen.

Der Lehrer

Die Wahl zum Papst 2005 bezeichnete Benedikt in der Rückschau aufs Konklave als „Fallbeil“, das auf ihn zukam. Benedikt blieb sich auch auf dem Papstthron treu und fungierte nun als oberster Kirchenlehrer. Ratzingers früherer Assistent und späterer Nachfolger als Dogmatiker in Regensburg, Wolfgang Beinert, sagt: „Im Grunde war er immer Professor und wäre das am liebsten geblieben“, und verweist auf Benedikts Spitznamen „Prof. Dr. Papst“.

„Gott ist die Liebe“

Als Papst bemühte sich Benedikt, die Kirche vom Image der Verbote-Institution zu befreien und die positive Macht des Glaubens an Gott, den er mit der Liebe schlechthin identifizierte, herauszustellen. „Wer glaubt, ist nie allein“, dieses Motto des Besuchs Benedikts in seiner bayerischen Heimat 2006, passte dazu. 2011 besuchte der Papst offiziell Deutschland und hielt im Bundestag in Berlin eine großartige Rede, die Vizepräsident Singhammer so würdigt: „Diese Ansprache ist in die Geschichte des Deutschen Bundestages eingegangen als eine epochale Rede, welche eine dauerhafte Grundlage für richtiges Handeln politischer Verantwortlicher setzt.“

Unvergessen blieb auch eine andere Rede: Bei seinem Besuch 2006 hielt Benedikt XVI. an der Universität Regensburg eine Vorlesung. Darin zitierte er eine Aussage des byzantinischen Kaisers Manuel II., aus der die Medien jedoch nur dieses Stück herausgriffen: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“ Später ließ der Papst klarstellen, dass er sich diesen Satz eben nicht zu eigen gemacht habe, sondern es ihm nur um eine entschiedene Zurückweisung religiös motivierter Gewalt gegangen sei.

Die Widrigkeiten bei der Führung der Institution Kirche, die vatikanischen Intrigen und Affären sowie vor allem der weltweite Pädophilenskandal, der die Kirche mehr beschädigte als alles andere, ließen Benedikt im Amt sichtlich altern. Es zeigte sich: Während Johannes Paul II. 25 Jahre lang Weltpolitik und Weltmission betrieben hatte, hatte sich der vatikanische Apparat selbständig gemacht, Seilschaften und Klüngel zogen die Fäden. Diese vatikanische Verwaltung komplett neu zu organisieren, dazu fehlte Benedikt offenbar die Kraft. Er zog die Konsequenz und trat 2013 freiwillig zurück – als erster Papst seit Coelestin V. im 13. Jahrhundert.