Papst Franziskus hat im Vatikan den Bischofs-Gipfel zum Missbrauchskandal eröffnet. (Foto: Imago/epd)
Vatikan

Den Missbrauchsopfern eine Stimme geben

Papst Franziskus hat im Vatikan ein internationales Bischofstreffen zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche eröffnet. Zu Beginn berichteten fünf Missbrauchsopfer von ihrem Schicksal. Der Papst forderte „konkrete und effektive Maßnahmen“.

Papst Franziskus hat von den Spitzen der katholischen Kirche zu Beginn des internationalen Bischofstreffens „konkrete und wirksame Maßnahmen“ gefordert. „Das heilige Volk Gottes schaut auf uns und erwartet von uns nicht einfache und offensichtliche Verurteilungen, sondern die Umsetzung konkreter und effektiver Maßnahmen“, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche in der Synodenaula des Vatikans. „Hören wir den Schrei der Kleinen, die Gerechtigkeit verlangen.“ Der Papst erinnerte die Chefs der Bischofskonferenzen der Welt an ihre Verantwortung und verlangte „Mut und Konkretheit“, um das „Übel“ des sexuellen Missbrauchs zu bekämpfen.

Die Jungfrau Maria möge uns erleuchten, um diese schweren Wunden zu heilen, die der Skandal der Pädophilie sowohl den Kleinen als auch den Gläubigen zugefügt hat.

Papst Franziskus

An dem historischen Treffen nehmen bis Sonntag neben den etwa 110 Chefs der nationalen Bischofskonferenzen auch Vertreter der römischen Kurie und der Orden teil. „Die Jungfrau Maria möge uns erleuchten, um diese schweren Wunden zu heilen, die der Skandal der Pädophilie sowohl den Kleinen als auch den Gläubigen zugefügt hat“, sagte der Papst.

Opfer schildern ihr Leiden

Zu Beginn des viertägigen Treffens, nach dem Eröffnungsgebet, berichteten fünf Opfer sexuellen Missbrauchs – vier Männer und eine Frau – per Videoeinspielung von ihren Erlebnissen. Eine Frau aus Afrika schilderte, wie sie seit dem Alter von 15 Jahren von einem Priester über 13 Jahre lang immer wieder vergewaltigt wurde. Weil er keine Kondome oder andere Verhütungsmittel zuließ, sei sie dreimal schwanger geworden. Der Priester habe sie jedes Mal zur Abtreibung gezwungen. Sie habe sich nicht wehren können, weil sie von ihm wirtschaftlich abhängig gewesen und geschlagen worden sei, wenn sie sich weigerte.

Ein Ziel muss sein, dass alle Bischöfe begreifen, das ist eine Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen.

Reinhard Kardinal Marx

Über das Nicht-Reagieren seines Bischofs berichtete ein Ordensmann aus Osteuropa, der erst als Erwachsener von dem Missbrauch durch einen Priester in seiner Jugendzeit erzählen konnte. Erst der Nuntius habe reagiert und ihm auch geglaubt. Doch anschließend habe der Bischof ihn scharf angegriffen.

In sozialen Netzwerken wurde im Vorfeld der Konferenz über mögliche Zusammenhänge zwischen Homosexualität von Klerikern und sexuellem Missbrauch diskutiert, denn der Großteil der Opfer sind Buben und junge Männer. Debatten gab es auch, welche Umstände und Strukturen die Straftaten begünstigt haben.

Druck auf Opfer

Schon in den 1980er Jahren kamen erste Missbrauchsfälle durch Geistliche ans Licht. In den vergangenen Jahren wurde der Druck auf die Kirche und den Papst nach Skandalen in Deutschland, Irland, Chile und den USA immer größer. Viele Gläubige haben sich deshalb von der Kirche abgewandt, viele Opfer leiden zusätzlich an der Vertuschung nach dem Missbrauch. „Keiner hat mir zugehört, keiner hat mein Weinen gehört, ich frage mich, warum hat Gott mir nicht zugehört“, verlas der deutsche Pater Hans Zollner, der den Gipfel mit vorbereitet hat, zum Auftakt.

Die Erwartungen sind hoch, dass Franziskus endlich einen Weg aus der Krise findet. Der deutsche Kardinal Reinhard Marx erhofft sich von dem Treffen Impulse nicht nur für die Kirche, sondern für die gesamte Gesellschaft. „Ein Ziel muss sein, dass alle Bischöfe begreifen, das ist eine Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen. Überall, in der Kirche und in der Gesellschaft natürlich auch“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in Rom. Das „furchtbare Übel des sexuellen Missbrauchs“ müsse überwunden werden.

Setzt der Vatikan die Null-Toleranz-Politik durch?

Opferverbände verlangen, dass der Papst seine immer wieder angekündigte Null-Toleranz-Politik jetzt wirklich durchsetzt. Gefordert wird eine Änderung des Kirchenrechts dahingehend, dass pädophile Geistliche nicht mehr als Priester arbeiten dürfen. Kritische Theologen sprechen sich darüber hinaus für eine Gewaltenteilung und stärkere Zusammenarbeit mit staatlichen Ermittlern aus.

In der Kirche gebe es keine unabhängige Verwaltungsinstanz, die Priester oder Bischöfe kontrolliere, kritisierte der Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt, Ansgar Wucherpfennig, im Deutschlandfunk. Er sprach sich für die Einrichtung einer Wahrheitskommission und für unabhängige Berater an der Seite der Bischöfe aus, die Fälle an die Staatsanwaltschaft weiterleiten könnten.

Verantwortung, Rechenschaftspflicht, Transparenz

Die Zeit der „salbungsvollen Worte“ sei vorbei, sagte Matthias Katsch vom deutschen Opferschutzverband Eckiger Tisch. Er war verärgert, dass der Papst bei einem Vorabtreffen zwischen Opfern und dem Vorbereitungskomitee am Tag vor der Eröffnung nicht dabei war. „Das Treffen selbst war enttäuschend, weil die Organisatoren eigentlich nicht recht sagen konnten, was der Zweck war.“ Auch andere Opfer kritisierten, dass sie von der Konferenz ausgeschlossen worden seien.

In Arbeitsgruppen sollen bis Sonntag die drei Themen Verantwortung, Rechenschaftspflicht und Transparenz besprochen werden. Die Konferenz endet mit einer Messe und einer Abschlussrede des Papstes in der prächtigen Sala Regia im Vatikan. Bindende Beschlüsse können die etwa 190 Teilnehmer auf der Konferenz nicht fassen. Auch eine Abschlusserklärung steht nicht auf der Agenda.