Der Saal 600, Schauplatz der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse 1946-1949. (Foto: Wolfram Göll)
Saal 600

Wiege des Völkerstrafrechts wird Museum

Der Schauplatz der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, der heutige Schwurgerichtssaal 600, wird voraussichtlich 2018 in ein Museum umgewandelt. Justizminister Bausback, Oberbürgermeister Maly und Akademiedirektor Rackwitz haben eine Nutzungsvereinbarung unterzeichnet.

Einer der berühmtesten Gerichtssäle der Welt wird eine neue Funktion erhalten: Mit der Unterzeichnung einer Nutzungsvereinbarung haben der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU), Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) und der designierte Direktor der „Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien“, Klaus Rackwitz, die Zukunft des Saales 600 im Ostflügel des Nürnberger Justizpalasts geregelt.

In dem bis heute als Schwurgerichtssaal genutzten Raum fanden von 1946 bis 1949 die internationalen Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher des NS-Staates statt, etwa Hermann Göring, Rudolf Hess und Albert Speer. Daher gilt der Saal als „Wiege des modernen Völkerstrafrechts“. In absehbarer Zeit, voraussichtlich 2018, wird er in ein Museum umgewidmet – und zwar in Verantwortung der Stadt Nürnberg. Wesentlich rascher indes, Mitte Juni, bezieht die vor zwei Jahren gegründete „Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien“ ihre Räume in unmittelbarer Nachbarschaft des Saales 600, im selben Gebäude.

Saal 600 wird komplett in der bisherigen Form erhalten

Der genaue Termin der Umwidmung des Saales 600 hängt davon ab, wie rasch das neue Strafgerichtszentrum auf der Westseite des heutigen Justizpalastes fertig wird. Demnächst, im Herbst 2016, soll Richtfest sein. Nach Fertigstellung zieht das Schwurgericht in die neuen Räume, und der Saal 600 wird frei für die neue Nutzung. Die umgebenden kleineren Sitzungs- und Seminarräume im Ostflügel des Justizpalastes sollen gemeinsam vom Gericht, der Stadt und der Akademie genutzt werden.

Der Saal soll baulich in der bisherigen Form erhalten werden. Auf einer mobilen Großleinwand sollen von Zeit zu Zeit Szenen der Kriegsverbrecherprozesse wiedergegeben werden. Neben Bausback, Maly und Rackwitz nahmen der frühere Bundesbauminister Oscar Schneider, die Nürnberger Kulturreferntin Julia Lehner (beide CSU), der stellvertretende CSU-Landtagsfraktionschef Karl Freller sowie der Präsident des Oberlandesgerichts Nürnberg, Christoph Strötz, an der Feierstunde teil.

Der Saal 600 ist das historische Gewissen Nürnbergs.

Markus Söder, bayerischer Finanzminister

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU), der die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Umwidmung geschaffen hatte, musste dem Treffen wegen einer kurzfristigen Sitzung des Vermittlungsausschusses zur Erbschaftsteuer in Berlin fernbleiben. Schriftlich erklärte er: „Der Saal 600 ist das historische Gewissen Nürnbergs. Mit der Überlassung zeigt Bayern seine historische Verantwortung für die Stadt der Menschenrechte. Dies ist nur möglich, weil wir als Freistaat den Neubau der Justiz finanzieren.“

Justizminister Bausback nannte den Saal 600 den „Geburtsort des modernen Völkerstrafrechts“ auf Grundlage der Menschlichkeit und der Menschenrechte, sowie „einen der schönsten und bekanntesten Gerichtssäle der bayerischen Justiz“. Bausback unterstrich die „immense überregionale Bedeutung des Saales“ . Die sieben damals aufgestellten völkerrechtlichen Grundsätze gälten bis heute und würden etwa in den Kriegsverbrecherprozessen in Den Haag sichtbar, so Bausback. Daher habe es nahegelegen, die Akademie Nürnberger Prinzipien unentgeltlich in unmittelbarer Nähe unterzubringen.

Zehntausende Besucher, aber kein Museum

„Normalerweise baut man zuerst ein Museum, und dann wirbt man um Besucher. Hier war es genau andersherum“, erzählte Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD). „Zuerst kamen buchstäblich zehntausende Besucher aus aller Welt und standen meistens vor verschlossenen Türen. Und erst dann, ab 2006, wurde hier das Memorium für die Besucher geschaffen.“ In den zehn Jahren seit der Einrichtung der Ausstellung „Nürnberger Memorium“ oberhalb des Saals 600, in dem die Kriegsverbrecherprozesse dokumentiert werden, seien bereits 460.000 Besucher gekommen, zwei Drittel davon aus dem Ausland, so Maly.

Wenn ich hier reinkomme, hab ich die Bilder vom Kriegsverbrecherprozess im Hirn.

Ulrich Maly, Nürnberger Oberbürgermeister

„Wenn ich hier reinkomme, dann hab ich die Bilder vom Kriegsverbrecherprozess im Hirn“, bekannte Maly. „Die Angeklagten auf ihren Bänken, die Ankläger, die Richter.“ Der Oberbürgermeister kündigte an, in absehbarer Zeit werde auch die Auspuff-Reparaturwerkstatt vor dem Gebäude verschwinden und Platz machen für einen repräsentativen Eingangs-Pavillon.

Nürnberger Akademie ist Beitrag zur Entwicklung des Völkerstrafrechts

„Ich will nie wieder erleben, dass Richter und Staatsanwälte sagen, wir haben so viel mit Mord, Totschlag, Korruption zu tun, dass wir keine Zeit haben für dieses schwierige und komplizierte Rechtsgebiet des Völkerstrafrechts“: Mit diesen Worten umriss der Direktor der Akademie, Klaus Rackwitz, das eigentliche Ziel seiner Institution. Sie soll nach seinem Willen ein „Bindeglied“ sein zwischen juristischer Forschung und juristischen Praktikern, die das Völkerstrafrecht in die Tat umsetzen sollen.

Rackwitz nannte die Akademie einen „Beitrag zur Fortentwicklung des internationalen Strafrechts“. Die Notwendigkeit dafür belege die Aussage eines Richters am Oberlandesgerichts Stuttgart vom Frühjahr 2016, der zu zu Beginn eines Völkerstrafrechtsprozesses erklärt habe: „Im Grunde ist dieser Prozess nicht führbar.“ Die Akademie solle dazu beitragen, dass solche Prozesse leichter führbar würden, so der designierte Akademiedirektor.

Ohne Oscar Schneider kein Memorium im Saal 600

Rackwitz, der sein Amt am 15. September antritt, war bei der Gründung des Internationalen Kriegsverbrechertribunals in Den Haag Leiter der „Advanced Group“ und danach Leiter der obersten Anklagebehörde ebendort. Justizminister Bausback nannte Rackwitz die „beste denkbare Besetzung für dieses Amt“.

Besonders dankte Bausback dem früheren Bundesbauminister Oscar Schneider, dem Ehrenvorsitzenden des CSU-Bezirksverbandes Nürberg-Fürth-Schwabach. „Ohne Oscar Schneider wäre der heutige Tag nicht möglich gewesen.“ Der frühere Bauminister hatte 2006 die Initiative zur Einrichtung des heutigen Memoriums ergriffen, als würdigen Erinnerungsort für die „Wiege des Völkerstrafrechts“.