Für die Konsumenten eine tolle Sache, für die Branche ein polarisierendes Thema: Die Musik-Streaming-Plattform Spotify.
Streaming-Dienst Spotify

Die Zukunft der Musikbranche?

Kaum eine Branche war in den vergangenen Jahren von digitalen Change-Prozessen so stark betroffen wie die Musikindustrie. Musik-Streaming-Anbieter wie Spotify werden immer beliebter, aber das Unternehmen schreibt Verluste – und die Kritik von Seiten der Künstler und Plattenfirmen wächst.

Streamingdienste sollten die Zukunft der Musikbranche sichern. Einfacher und billiger Zugang zu Musik für die Internetnutzer versprechen Anbieter wie Spotify ihren Kunden. Jetzt hat das Unternehmen neue Zahlen vorgelegt – und die beweisen: Für die Branche – und damit am Ende auch für die Musikliebhaber sind Streamingdienste eher Fluch als Segen.

Die Idee klingt zunächst einmal gar nicht so schlecht: Man lädt sich ein Programm auf seinen Computer, meldet sich an, und hat mit einem Click Zugang zu Millionen von Songs aller möglicher Künstler – in hoher Qualität, und nur gelegentlich unterbrochen von dem einen oder anderen Werbespot. Zusätzlich hat man als User das gute Gefühl, die Künstler nicht um ihr wohlverdientes Geld zu prellen – denn sie werden an den Einnahmen von Unternehmen wie Spotify beteiligt. Für die Künstler selbst haben Streamingplattformen außerdem die Möglichkeit, andere Hörerschichten zu erreichen, die per Zufall auf ihre Musik stoßen – und vielleicht zu Fans werden. So weit, so gut.

Der Künstler verdient pro Stream gerade einmal 0,164 Cent

Jetzt hat Spotify neue Bilanzzahlen vorgelegt. Die gute Nachricht: Das Unternehmen hat seinen Umsatz massiv gesteigert, um satte 45 Prozent auf 1,3 Milliarden US-Dollar. Die schlechte Nachricht: Die Verluste, die das Unternehmen schreibt, sind noch stärker gewachsen als der Umsatz. 197 Millionen Dollar verlor Spotify im Jahr 2014. Der offizielle Grund: höhere Ausgaben für die Entwicklung neuer Produkte und die internationale Expansion.

Viele Experten aber sehen in den jüngsten Zahlen einen Beleg dafür, dass das Geschäftsmodell des Streamingdienstes langfristig nicht funktionieren kann. „Bei genauer Betrachtung ist das Musikstreaming ein Projekt, bei dem am Ende alle Beteiligten Nachteile haben“, sagt etwa der Frankfurter Medienexperte und Branchenkenner Klaus Esser. Seiner Meinung nach sind die Künstler die größten Verlierer. Denn: „Der Tantiemenschlüssel – also der Prozentsatz, den ein Künstler jedes Mal erhält, wenn ein User sein Werk auf Spotify anhört, ist verschwindend gering.“

Heißt im Klartext: Für Musiker und Komponisten kann der Streamingdienst die Einnahmen durch CD- oder MP3-Verkäufe nicht im Ansatz kompensieren – pro Stream eines Songs erhält der Künstler gerade einmal 0,164 Cent. Zum Vergleich: Verkauft ein Künstler ein Album mit 13 Liedern auf CD, bleiben ihm im besten Fall rund 3 Euro. Wird es gestreamt, sind es rund 0,02 Euro. Das Album müsse also rund 145 mal gestreamt werden, damit der Künstler auf einen ähnlichen Ertrag kommt.

Genau hier liegt auch das Problem für die darbende Musikbranche: Nach den massiven Einbrüchen der CD-Verkäufe mit dem Aufkommen der digitalen MP3s hatten sich die Plattenfirmen endlich auf den neuen digitalen Markt eingestellt. Die Gewinne, die man mit Platten- oder CD-Verkäufen aber generierte, konnten schon die MP3 Dateien nicht mehr gewährleisten. Das Ergebnis: Die Branche schrumpfte, viele kleinere Plattenlabels gingen insolvent, die großen Plattenfirmen schlossen sich zu noch größeren Plattenfirmen zusammen, Mitarbeiter wurden in großem Stil entlassen.

Bei den Kunden wird Spotify immer beliebter

Mit dem Aufkommen der legalen Streamingplattformen – allen voran dem Branchenprimus Spotify – verband die Industrie die große Hoffnung auf neue Absatzwege und eine bessere Zukunft. Für sie sind die neuen Bilanzzahlen umso ernüchternder. Denn der gesteigerte Umsatz zeigt: Bei den Musikliebhabern ist Spotify durchaus beliebt. Im Wirtschaftsdeutsch heißt das: Die Zielgruppe nimmt das Produkt an. Kein Wunder: Bei Spotify erhalten die User zunächst einmal kostenlos Zugang zu Musik. Gegen bestimmte monatliche Gebühren hat der Kunde dann von mehreren Geräten aus Zugang zu den Songs, die Werbespots fallen dafür weg. Für den Endkunden also ein sinnvolles Geschäft.

„Ich kann es den Musikliebhabern nicht verdenken, wenn sie Plattformen wie Spotify nutzen“, sagt Klaus Esser. „Dennoch sollte allen klar sein: Die Plattenfirmen verdienen mit den Streams kaum Geld – und die unter Vertrag stehenden Künstler schon gar nicht.“ Das habe am Ende auch wiederum Auswirkungen für die Konsumenten. „Wer mit der Musik kein Geld verdient, wird irgendwann keine neue Musik mehr veröffentlichen“, stellt Esser fest. Der Experte betont aber auch, dass er Spotify nicht für eine grundlegend schlechte Sache für die Branche hält. „Streamdienste können als Werbemittel für Musik genutzt werden. Hier kann der Fan erst einmal unverbindlich in die Musik reinhören, ohne ein Album oder einen Song gleich kaufen zu müssen – ein Teaser, wie man in der Branche sagt.“

Echte Musikliebhaber sollten Musik nach wie vor kaufen

Danach aber sollten echte Musikliebhaber die Musik, die ihnen gefällt, auch wirklich kaufen, findet Esser. „Um einen Künstler  wirklich zu unterstützen gibt es nur zwei Wege: Auf Konzerte zu gehen, oder die Veröffentlichungen zu kaufen. Alles andere ist eine Art musikalische Freibiermentalität“, stellt Esser fest. Er persönlich glaubt aber, dass die meisten Konsumenten auch in Zukunft Musik kaufen werden – trotz Spotify. Denn: „Wenn mir ein Lied besonders wichtig ist, möchte ich es auch besitzen.“