Auch Ministerpräsident Horst Seehofer ist auf Youtube - und zwar auf dem Kanal der Bayerischen Staatskanzlei. Bild: AS
Erfolgreich mit Youtube

Clicks for politics

Die Kanzlerin macht's, und auch Horst Seehofer ist dabei - Das Video-Portal Youtube bietet Politikern eine dankbare Plattform. Doch ein Streifzug durch die Kanäle der Parteien, Politiker und Youtube-Stars zeigt: hinter der Entwicklung eines erfolgreichen Formates steckt einiges. Wir stellen Beispiele von politischen Video-Blogs vor und sprechen dazu mit Politikberater Martin Fuchs.

Youtube schlägt Facebook: Die Deutschen nutzen den Video-Kanal inzwischen öfter als das soziale Netzwerk. Das zeigt der Social-Media-Atlas der Unternehmensberatung Faktenkontor. 88 Prozent der Befragten gaben an, in ihrer Freizeit Youtube zu nutzen, ein Prozent weniger klickt sich regelmäßig durch Facebookseiten – laut Social-Media-Atlas die niedrigste Quote seit 2012. Anders bei Youtube. Im Vergleich zum Vorjahr nutzen dreimal so viele die Videoplattform ähnlich wie das klassische Fernsehprogramm. Dabei gewinnt vor allem das Mobilgerät an Bedeutung: Mehr als die Hälfte aller Youtube-Aufrufe erfolgt darüber. Und im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Wiedergabezeit mit durchschnittlich 40 Minuten pro Sitzung verdoppelt.

Nicht nur Reichweite zählt

Kein Wunder also, dass sich dort inzwischen neben Schminkanleitungen auch Clips aus dem Politikeralltag finden lassen. Nicht nur medienbegeisterte Teenager, auch Politiker, Parteien und klassische Institutionen setzen auf die Plattform. Doch Reichweite ist nur ein Aspekt. Bevor Politiker oder Institutionen den Kanal als Sprachrohr nutzen muss klar sein: Mit welcher Strategie will ich meine Zielgruppe erreichen?

Auch wenn Youtube klassisches Fernsehen immer mehr abhängt, hinkt der Vergleich. Die entscheidende Frage für Politiker ist: wen will ich dort erreichen?

Martin Fuchs, Politikberater und Blogger

Bestseller Rethorik

Ein Streifzug durch die Kanäle der Parteien und einzelner Politiker zeigt, dass hinter der Entwicklung eines erfolgreichen Formates einiges steckt. Als einer der ersten begann CDU-Generalsekretär Peter Tauber vor fünf Jahren damit, regelmäßig einen Podcast auf seinem Kanal Hurra hochzuladen. Doch der relativ hohe technische Aufwand für die Produktion der Clips und durchschnittliche Aufrufzahlen von 200 bis 500 führten dazu, dass Tauber die Videoserie einstellte. Anders beim langjährigen Vorkämpfer der „Linken“, Gregor Gysi. Er gilt aufgrund seiner Rethorik – und auch bei unterschiedlichen Auffassungen in der Sache – bei vielen als Garant für Stimmung im Plenarsaal. Mitschnitte seiner Bundestagsreden haben daher auch schon einmal bis zu 335.000 Klicks.

Mit der Queen über den Dächern Berlins

Aber nicht nur Rethorik, auch Exklusivität bringt Klicks. Dazu zählt beispielsweise das Video vom Rundgang der Bundeskanzlerin mit Queen Elizabeth durch das Kanzleramt. Merkel nimmt den Zuschauer nicht nur mit auf ihre Terrasse, sondern auch das persönliche Gespräch mit der Queen ist zu hören. So entsteht das Gefühl, man schaue gemeinsam mit den beiden Damen über die Dächer Berlins. Neben Rethorik und Exklusivität, geht es auch darum, aktuell zu berichten.

Auf dem Kanal der Bayerischen Staatskanzlei werden Videos von Veranstaltungen und Reisen des Ministerpräsidenten sowie politischen Vertretern meist noch am gleichen Tag des Events hochgeladen.

YouTuber als Zugpferde

Ein weiteres Kriterium ist Prominenz. Beispielsweise hat die Bundeszentrale für politische Bildung auf Youtube eine Videoreihe ins Netz gestellt, um der Radikalisierung junger Muslime vorzubeugen. Dazu setzen sie auf Stars der deutschen Video-Szene. Einige von ihnen haben hundertausende, manche sogar Millionen Abonnenten. Zu den erfolgreichsten gehört LeFloid (2,8 Millionen Abonnenten), Dagi Bee (2,5 Millionen Abonnenten) und LionT (1,7 Millionen Abonnenten). In den 16 Clips der Bundeszentrale klären bekannte Youtuber über den Islam auf, unter ihnen LeFloid. Immerhin: die Clips haben zwischen 4300 und 117.000 Aufrufe.

Idee: Klöckner bekommt Stylingtipps

Auch Merkel entschied sich im Sommer 2015 für ein Interview mit LeFloid. Zwar erntete er für seine Art der Interviewführung reichlich Kritik, doch das Video kann sich mit über 4,5 Millionen Klicks sehen lassen. Politikberater Fuchs rät allerdings dazu, nicht ausschließlich auf den Einkauf prominenter Youtuber zu setzen. Videos sollten vor allem geschickt platziert werden. So könnte sich eine Politikerin beispielsweise von einer Dagi Bee Schminktipps geben lassen und gleichzeitig mit ihr über das Thema Schwangerschaftsverhütung sprechen. Auf diese Weise könnten politische Botschaften gezielt eine Plattform bekommen, adressiert an eine bestimmte Zielgruppe.

Storytelling leicht gemacht

Ungewohntes erregt Aufmerksamkeit. Landtagsabgeordneter Patrick Dahlemann (SPD) zerlegte während einer NPD-Demo auf offener Bühne die Argumente der rechtsextremen Partei. Das Video vom November 2013 hat inzwischen knapp 270.000 Aufrufe. Ungewöhnlich ist es auch, Situationen aus einem anderen Blickwinkel zu erzählen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft startete Ende Januar 2016 den Versuch mit einem eigenen Videoblog mit Einblicken in ihren Politikeralltag. Mit durchschnittlich 7000 Aufrufzahlen pro Clip kommt das unmittelbare Format – gerade wegen der angepeilten Authentizität – gar nicht schlecht an. Doch mit vier bis acht Minuten sind die Clips sehr lang. 1:30 Minuten gelten als optimal, drei Minuten sollten möglichst nicht überschritten werden.

Fuchs zweifelt deshalb daran, ob die Serie der Ministerpräsidentin auf Dauer Erfolg verspricht. Hauptbestandteil sind spontane Statements, direkt in die Kamera gesprochen. Entweder auf dem Weg zum Termin oder vom Schreibtisch aus. Doch Monologe sind oft ein Garant für gelangweiltes Abschalten.

Perspektivwechsel gefragt

Gewöhnlich werden Politiker gezeigt, wie sie Firmen besuchen, Gespräche führen, oder sich in Ansprachen direkt an den Zuschauer wenden. Doch wie wäre es, das Geschehen aus ihrer Perspektive zu erleben? Dazu müsste die Kamera sehr nah am Politiker sein, auch über die Schulter blicken und der Akteur würde dadurch in den Hintergrund treten. Solche Elemente lassen sich beispielsweise in dem Portrait über Bayerns Europaministerin Beate Merk in Brüssel („Bayerns Stimme in Brüssel“) finden. Hier fehlt der angesprochene Blickwinkel aus ihrer Perspektive, vielmehr ist es ein Blick auf sie und ihre Arbeit.

Spielwiese Youtube

Rethorik, Exklusivität, Aktualität, Prominenz und Ungewohntes – fünf Aspekte, die Videos Klicks bringen. Zu guter Letzt sind es natürlich auch Emotionen, die sie populär machen. Als beispielsweise eine libanesische Schülerin im Sommer 2015 während einer Diskussionsrunde mit Merkel in Tränen ausbricht und von der Kanzlerin getröstet wird, geht der Clip durch die Medien. Damit sich allerdings dauerhafter Erfolg einstellt, braucht es ein ansprechendes Format. Die Chronik des Youtube-Kanals der Bundesregierung zeigt, dass sich auch die Kanzlerin in den letzten Jahren mit verschiedenen Formaten versuchte.

Entscheidend ist, immer wieder mit verschiedenen Formaten Kernaussagen zu präsentieren, Dialoge und Streitgespräche zu führen statt Monologe zu halten und mal den Blickwinkel wechseln.

Martin Fuchs, Politikberater und Blogger

Welche Möglichkeiten Youtube Politikern zur Verbreitung ihrer Messages bietet, diskutiert Martin Fuchs auch auf der Social Media Week Ende Februar 2016 in Hamburg. Wichtig ist natürlich auch, was sich die Akteure selbst zutrauen. Doch gerade die Videoplattform bietet den Reiz, sich immer wieder neu zu erfinden und Konzepte auszuprobieren.

Auf seinen Blogs hamburger-wahlbeobachter.de, Martin-fuchs.org und pluragraph.de veröffentlicht Martin Fuchs Analysen der Social-Media-Aktivitäten von Organisationen, Politikern und anderen nicht-kommerziellen Institutionen. Er berät Regierungen, Parlamente, Parteien, Politiker und Verwaltungen in digitaler Kommunikation und hat als Politik- und Strategieberater einige Jahre in Brüssel und Berlin gearbeitet.