Nerv getroffen?
Die neue, nationalkonservative Regierung in Polen macht sich in Europa gerade keine Freunde. Stattdessen reagiert Warschau extrem dünnhäutig auf Kritik aus Deutschland - und lädt sogar den Botschafter zum Gespräch ein. Unterdessen protestiert der Deutsche Journalisten-Verband gegen die Entlassung polnischer Kollegen bei staatlichen Sendern - und spricht von politischer Motivation.
Kritik an Polen

Nerv getroffen?

Die neue, nationalkonservative Regierung in Polen macht sich in Europa gerade keine Freunde. Stattdessen reagiert Warschau extrem dünnhäutig auf Kritik aus Deutschland - und lädt sogar den Botschafter zum Gespräch ein. Unterdessen protestiert der Deutsche Journalisten-Verband gegen die Entlassung polnischer Kollegen bei staatlichen Sendern - und spricht von politischer Motivation.

Die Politik der neuen, nationalkonservativen Regierung in Warschau löst immer schärfere Reaktionen im In- und Ausland aus. Die Einschränkung rechtsstaatlicher Prinzipien, wie etwa die faktische Ausschaltung des Verfassungsgerichts, ruft allerorten Kritik hervor. In 20 polnischen Städten hatten sich in den vergangenen Tagen tausende Menschen versammelt, um gegen die Politik der Regierung zu protestieren – und auch in der EU, allen voran im Nachbarland Deutschland, wachsen die Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit in Polen.

DJV: „Das ist das Ende der Rundfunkfreiheit in Polen“

So teilte etwa die Unionsfraktion im Bundestag mit, man erwäge Sanktionen gegen Polen, wenn die rechtskonservative Regierung dort weiter Rechtsstaatsprinzipien wie die Gewaltenteilung oder die Pressefreiheit verletze. Besonders das neue Mediengesetz sorgt für Debatten. Unterstützung bekommen die Politiker dabei vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV). Dieser reagierte empört auf die Nachricht, dass Kollegen bei staatlichen Sendeanstalten im Nachbarland gekündigt wurden. Unmittelbar nach Inkrafttreten des Mediengesetzes am vergangenen Freitag waren leitende Redakteure mehrerer bislang öffentlich-rechtlicher Sender entlassen worden. Der Bundesvorsitzende des DJV, Frank Überall, wertete die Maßnahmen als „offenen Putsch von oben, mit dem regierungskritische Journalisten mundtot gemacht werden sollen“.

Wenn die polnische Regierung die Journalisten an die Leine nehmen will, macht sie Politik gegen die Bürger.

Frank Überall, DJV

Das sei das Ende der Rundfunkfreiheit in Polen, so der DJV-Chef. Überall verwies darauf, dass die Demonstrationen in mehreren polnischen Städten am vergangenen Wochenende gezeigt hätten, welch hohen Stellenwert die Freiheit der Medien in der Bevölkerung genieße. „Wenn die polnische Regierung die Journalisten an die Leine nehmen will, macht sie Politik gegen die Bürger.“

Polen reagiert dünnhäutig

Die Kritik, gerade aus Deutschland, scheint in Polen allerdings einen Nerv getroffen zu haben. Denn die PiS-Partei reagiert mitunter dünnhäutig auf die Vorwürfe. Politiker der Regierungspartei sprechen sogar von „antipolnischen Äußerungen“ – der deutsche Botschafter in Warschau, Rolf Nikel, wurde für Montag sogar zu einem Gespräch ins Außenministerium gebeten. Nach Angaben von Ministeriumssprecher Artur Dmochowski soll es um die Äußerungen deutscher Politiker über Polen gehen. Bei dieser Einladung handelt es sich nach Botschaftsangaben zwar nicht um eine förmliche Einbestellung – die Botschaft nach Berlin ist dennoch eindeutig.

Der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz warf unterdessen Deutschland und anderen westlichen Staaten Einmischung in die Souveränität seines Landes vor. „Wir werden unser Programm umsetzen, sagte er in einer polnischen Fernsehsendung. Polen werde sich nicht von Deutschland „über Demokratie und Freiheit belehren“ lassen.

„Mut zu Sanktionen“

Hierzulande allerdings bleibt man bei den kritischen Tönen gegenüber dem Nachbarn. Unions-Fraktionschef Volker Kauder etwa sagte dem Spiegel: „Wenn Verstöße gegen die europäischen Werte festzustellen sind, müssen die Mitgliedstaaten den Mut zu Sanktionen haben.“ Es sei absolut richtig, dass die EU-Kommission sich jetzt die Lage genau anschaue. Die EU-Kommission berät am 13. Januar über die Lage in Polen.

Prüfung der polnischen Rechtsstaatlichkeit durch die EU

Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung wird die EU-Behörde schon bei diesem Treffen eine eingehende Prüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen auf den Weg bringen. Eine Sprecherin der Behörde sagte, das Kollegium werde eine Orientierungsdebatte zu der Situation in Polen und dem Rechtsstaatsmechanismus führen. „Alle weiteren Schritte werden davon abhängen.“ EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte bereits vergangene Woche in allgemeiner Form ein Rechtsstaat-Verfahren in Aussicht gestellt.

Vorbild Putin?

Unterstützung erhält Juncker dabei von der EVP-Fraktion im Europaparlament. Deren Vorsitzender Manfred Weber (CSU) nannte die Entwicklungen in Polen „höchst  problematisch“. Die Entscheidungen der Regierungspartei PiS, die Rechte des Verfassungsgerichts einzuschränken und in die Unabhängigkeit der Medien einzugreifen, machten sorgenvoll, teilte Weber auf seinem Facebook-Profil mit. „Damit werden von der polnischen Regierung zentrale europäische Prinzipien und Werte zur Debatte gestellt.“ Dennoch habe man großes Vertrauen in die polnische Bürgerschaft, die mit der Situation richtig umgehen werde.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warf der Warschauer Regierung dagegen sogar „gelenkte Demokratie nach Putins Art“ vor. Die polnische Regierung betrachte ihren Wahlsieg als Mandat, das Wohl des Staates dem Willen der siegreichen Partei unterzuordnen, sagte der SPD-Politiker

Polens „Beißreflex“ gegen Kritik aus Berlin

Gerade beim neuen Mediengesetz scheint in Polen eine Art „Beißreflex“ gegen die Kritik aus Deutschland zum Vorschein zu kommen: So nahm etwa Polens Justizminister Zbigniew Ziobro in einem Schreiben an den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger Stellung zur Kritik an dem Gesetz. „Das Mediengesetz, an dem die polnische Regierung arbeitet, sieht bedeutend demokratischere Lösungen vor (als in Deutschland)“, heißt es in dem offenen Brief. In deutschen Rundfunkräten gilt nach Meinung des Politikers: „Wer die Macht hat, hat das Radio.“ Die Zahlen sprechen hier allerdings eine andere Sprache: Die deutschen Rundfunkräte sollen verhindern, dass die öffentlich-rechtlichen Sender unter den Einfluss des Staates oder der jeweiligen Regierungspartei geraten. Das Bundesverfassungsgericht legte fest, dass höchstens ein Drittel der Mitglieder Vertreter des Staates oder der Parteien sein dürfen.