Das salafistische Koranverteilungsprojekt "Lies!" steht seit langem in der Kritik. Laut Joachim Herrmann gibt es Erkenntnisse darüber, dass junge Jihadisten über "Lies!" Eingang in die Szene gefunden haben. Foto: imago/Michael Schick
Salafismus

Staatsregierung verstärkt Prävention

Mit Sorge betrachtet Bayerns Innenminister Joachim Herrmann die "zunehmende Radikalisierung junger Menschen aus dem salafistischen Bereich". Um diesen Prozess vorzubeugen und den Ausstieg aus der Szene zu erleichtern, hat der Freistaat ein Netzwerk für entsprechende Maßnahmen ins Leben gerufen. Dieses wurde am Montag in München vorgestellt.

Paris, Hannover, Brüssel – der Terror durch bestimmte Strömungen des Islam bestimmt in den letzten Tagen und Wochen die Nachrichtenlage. Immer wieder ist von geplanten Anschlägen, Bedrohung und Radikalen zu lesen. Sorge bereitet den Sicherheitsbehörden dabei auch die zunehmende Radikalisierung junger Europäer. Auch in Deutschland.

„Der Salafismus bildet dabei eine ideologische Grundlage für Radikalisierungsprozesse bis hin zur Teilnahme am Jihad“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann am Montag bei einer Pressekonferenz. Bisher sind über die Bundesrepublik 750 Islamisten in die IS-Gebiete ausgereist. Aus Bayern sind bisher 75 Personen mit salafistischem Hintergrund ausgereist oder planen ihre Ausreise.

Natürliche sei nicht jeder Salafist auch ein Terrorist, betonte der Innenminister. „Es fällt dennoch auf, dass sich bei fast jedem islamistischen Terroranschlag der vergangenen Jahre – so wie auch in Paris – ein Bezug der Attentäterseite zur salafistischen Szene gezeigt hat.“

Zentrale Punkte sind Aufklärung und Sensibilisierung

Um zu verhindern, dass immer mehr junge Menschen sich in die Fänge der radikalen Strömungen des Islam begeben, setzt die bayerische Staatsregierung große Hoffnung in die Präventionsarbeit, die von vier Ministerien weiter ausgebaut werden soll.

Helfen soll dabei das „Bayerische Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk gegen Salafismus“. Die Arbeit des Netzwerkes soll schon sehr früh – am besten bereits in den Schulen ansetzen.

Die Prävention setzt an, bevor eine Radikalisierung erkennbar ist und richtet sich an alle gesellschaftlichen Gruppen. Sie zielt auf konkrete Einzelfälle von Ideologisierung und Radikalisierung.

Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister

Die Schwerpunkte des Netzwerkes liegen in der Beratung von Betroffenen und Angehörigen und in der Unterstützung für Aussteiger aus der Szene. Außerdem wird es Fortbildungsangebote für Schulen, Polizei und Justiz geben. Das dazugehörige „Kompetenzzentrum für Deradikalisierung“ ist beim Landeskriminalamt angesiedelt und hat seine Arbeit am 1. September aufgenommen. Hier liegt die Schwerpunktarbeit vor allem in der Koordination der Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen.

Auch die Polizei soll in die Präventionsarbeit eingebunden werden. Hier liegt der Schwerpunkt besonders auf der Zusammenarbeit mit muslimischen Einrichtungen. In Schulungen sollen die Beamten eine erweiterte interkulturelle Kompetenz erhalten.

Auch das Sozialministerium unter Führung von Emilia Müller wird seinen Beitrag zur Präventionsarbeit leisten und setzt dabei auf die Zusammenarbeit mit dem Verein ufuq. Der Verein wurde 2007 in Berlin gegründet und ist im Rahmen der freien Jugendhilfe bundesweit als Ansprechpartner für Präventionsarbeit mit Blick auf Islam und Salafismus tätig. „Wir müssen verhindern, dass unsere Jugendlichen anfällig sind für Versprechen radikaler Ideologen“, sagte die Sozialministerin.

Kontaktstelle beim Ministerium

Die Mitarbeiter der Anlaufstelle von ufuq in Augsburg soll „Hilfestellung im Umgang mit Salafismus anbieten“, sagte Müller. Neben Jugendeinrichtungen, Verbänden oder Schulen, können sich auch religiöse Einrichtungen, Behörden oder Jobcenter mit Beratungsanliegen an den Verein wenden. Zusätzlich soll es auch Workshops für Jugendliche in Bayern geben.

Das ist umso wichtiger, als Salafisten nicht die besseren Sozialarbeiter sein dürfen, indem sie Jugendlichen Raum geben für die Fragen und Ängste, die diese andernorts nicht diskutieren können.

Emilia Müller, bayerische Sozialministerin

Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll in die Arbeit des bayerischen Netzwerks eingebunden werden. Und zwar als Kontaktstelle (auch telefonisch), an die sich Ausstiegswillige oder ihre Angehörigen wenden können.

Zielgruppe der Präventionsmaßnahmen seien, so Emilia Müller, vor allem Jugendliche – mit oder ohne Migrationshintergrund und jedweder religiösen Prägung.

Gefängnis als Rekrutierungsstelle für den „Heiligen Krieg“

Auch die bayerische Justiz muss sich dem Thema Radikalisierung stellen. „Die Sorge, dass Salafisten oder Islamisten gezielt versuchen könnten, in Justizvollzugsanstalten potentielle Kandidaten für den Jihad anzuwerben, nehmen wir schon seit längerer Zeit sehr ernst“, so Justizminister Winfried Bausback.

Zum 1. Dezember wird daher eine zentrale Koordinierungsstelle und Leitung einer Islamwissenschaftlerin eingerichtet. Sie soll dabei helfen, einzelne Gefangene sicherheitsrechtlich zu bewerten und die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden zu verdichten. Darüber hinaus soll auch die das Angebot der muslimischen Gefängnisseelsorge ausgebaut werden.

Bildung als Lösungsansatz

Auch das Kultusministerium will sich an der Erweiterung der Präventionsarbeit in Bayern beteiligen. Dabei setzt Minister Ludwig Spaenle auf die Zusammenarbeit zwischen 18 sogenannten Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz und der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildung. Man müsse alles dafür tun, um junge Menschen von der Werteordnung der Bundesrepublik und des Freistaates zu überzeugen, sagte Spaenle in München.

Dabei soll auch der Ausbau der Islamkunde an bayerischen Schulen helfen. Dadurch habe man die Möglichkeit, dass der Islam richtig eingeordnet werde.

Es ist mir ein zentrales Anliegen, auf dem Gebiet der Prävention möglichst frühzeitig anzusetzen, bereits bevor eine Radikalisierung erkennbar ist. Hier sind Fächer wie Sozialkunde, Religion und Ethik ebenso gefordert wie der Islamische Unterricht in Verantwortung des Freistaats Bayern für muslimische Kinder.

Ludwig Spaenle, bayerischer Kultusminister