Erster Aufnahmeort für viele Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Deutschland: Das Aufnahmezentrum im oberbayerischen Freilassing. (Bild: Imago)
Asylpolitik

„An einer Begrenzung führt kein Weg vorbei“

Aus dem neuen BAYERNKURIER-Magazin: „Ohne ehrenamtliche Helfer wäre das System längst zusammengebrochen“, sagte Berchtesgadens Landrat Georg Grabner über den nicht abreißenden Zustrom von Flüchtlingen. Sein Landkreis versucht täglich, die Herausforderung zu meistern – und fühlt sich dabei immer wieder im Stich gelassen. Ein Besuch im Aufnahmezentrum von Freilassing.

„Ganz ehrlich: Den Leuten steht’s bis oben“. Georg Grabner nimmt kein Blatt vor den Mund. Seit Monaten bestimmen die ankommenden Flüchtlinge den Arbeitsalltag des Landrats im Berchtesgadener Land. Im Landratsamt überlagert die Behandlung der Flüchtlinge, die von der naheliegenden Grenze in Salzburg nach Freilassing kommen, die gesamte Arbeit der Angestellten – von den ehrenamtlichen Helfern vor Ort und den Polizeibeamten im Landkreis ganz zu schweigen.

Wie viele Flüchtlinge täglich kommen, ist nicht abzuschätzen

Angefangen hatte alles vor einigen Wochen. „Ich bekam einen Anruf, in dem man mir sagte, dass bis zu einem gewissen Zeitpunkt eine bestimmte Zahl an Flüchtlingen ‚unterzubringen seien‘“, erzählt Grabner. Daraufhin machte man sich im Landkreis auf die Suche nach einer passenden Immobilie – und wurde in einem leerstehenden früheren Modehaus in Freilassing fündig. „Dann ging alles sehr schnell“, erzählt Grabner. Das Haus wurde angemietet, die ersten Flüchtlinge kamen. Seitdem kommen täglich Flüchtlinge in Freilassing an. Wie viele es jeden Tag sind, kann man dabei allerdings nie abschätzen. „Zwischendurch ist die Einrichtung fast leer“, erzählt der Landrat. „Aber das kann sich binnen weniger Minuten ändern.“ Insgesamt hat die Freilassinger Halle eine Kapazität von etwas über 1.500 Menschen. Wer hier ankommt, wird erfasst, erhält eine medizinische Erstversorgung, bei Bedarf Kleidung, und ein Bett – bevor es dann mit Sonderzügen zu den verschiedenen Erstaufnahmezentren in ganz Deutschland geht.

Die Menschen, die ihre Zeit neben Arbeit und Familie für die Hilfe der Ankommenden aufwenden, können irgendwann auch nicht mehr.

Georg Grabner, Berchtesgadener Landrat

Dabei stützt sich die Arbeit vor Ort – neben der Arbeit durch die Bundespolizei – in erster Linie auf freiwillige Helfer. „Und das kann es eigentlich nicht sein“, schimpft Georg Grabner. Organisationen, wie die freiwillige Feuerwehr oder das THW leisteten hervorragende Arbeit – „doch die Menschen, die ihre Zeit neben Arbeit und Familie für die Hilfe der Ankommenden aufwenden, können irgendwann auch nicht mehr.“ Die Malteser etwa waren von Anfang an dabei, mit einem eigenen Stand in der Freilassinger Flüchtlingseinrichtung halfen die Ehrenamtlichen bei der Versorgung der Flüchtlinge. „Jetzt mussten sie ihre Arbeit aber weitgehend einstellen“, erzählt Landrat Grabner. „Sie haben einfach die Leute nicht mehr zusammenbekommen – die haben alle Jobs und Familien.“ Die Aufgaben der Malteser hat mittlerweile die Bundeswehr übernommen.

Trotz des großen Einsatzes der Bevölkerung in seinem Landkreis: Zufrieden mit dem Management des Flüchtlingsansturms ist Georg Grabner nicht. Dabei gibt es zwei Baustellen: Die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene – und die Zusammenarbeit im Bund. Dass sich die Zusammenarbeit gerade mit dem direkten Nachbarn Österreich bisweilen schwierig gestaltet, zeigt auch ein Gespräch mit einem leitenden Bundespolizisten am Freilassinger Bahnhof: Auf die Frage, wie denn die Zusammenarbeit mit den österreichischen Kollegen laufe, sagt er knapp: „Gut“ – und grinst dabei vielsagend. Landrat Grabner erzählt, dass man sich regelmäßig mit den Verantwortlichen auf der anderen Seite der Grenze austausche, „doch für die ist es auch schwierig, die müssen auch von Stunde zu Stunde planen“.

Grabner: Das BAMF ist überlastet

Und auch innerhalb Deutschlands läuft es nicht rund: Das Bundesamt für Migration – kurz BAMF – ist in den Augen des CSU-Politikers ebenfalls „hoffnungslos überlastet“. Und das nicht erst seit gestern. Als Grabner damals den Auftrag bekommen hatte, eine Einrichtung in Freilassing zu schaffen, wollte er sich beim BAMF vor der Anmietung des früheren Modehauses absichern – „aber das hat einfach viel zu lange gedauert, wir hatten keine Zeit“, sagt der Landrat. „Da habe ich das Gebäude einfach so gemietet, und mir gedacht: Sollen sie mich halt einbuchten dafür“, erzählt er scherzhaft. „Es gab keine Alternative: Wir mussten handeln.“

Wir brauchen dringend hauptamtliche Helfer hier – man kann die Flüchtlingskrise nicht nur mit Ehrenamtlichen bewältigen.

Georg Grabner

Überhaupt wünscht er sich – genauso wie die meisten anderen Amtsträger in den bayerischen Grenzregionen – mehr Unterstützung aus Berlin. „Wir brauchen dringend hauptamtliche Helfer hier – man kann die Flüchtlingskrise nicht nur mit Ehrenamtlichen bewältigen“, stellt Grabner fest.

„Doch das sind nur die Probleme, die beim Eintreffen der Menschenmassen entstehen“, sagt der Landrat. Der nächste Schritt sei eine gelingende Integration der Flüchtlinge, die hier bleiben dürfen. „Und bei all den guten Projekten und Initiativen, die gerade in Bayern gestartet werden: Wir können einfach nicht alle aufnehmen“, betont Grabner. „An einer Begrenzung der Flüchtlingszahlen führt kein Weg vorbei.“

 

Bestellen Sie das neue BAYERNKURIER-Monatsmagazin! Alle Informationen finden Sie hier.