Die steigende Zahl der Flüchtlinge macht auch immer mehr Politikern der Grünen und der SPD Sorgen. Foto: imago/Pixsell
Flüchtlingskrise

Rot-grüne Kommunalpolitiker unterstützen Seehofers Position

"Wir schaffen das" - Mit diesem Satz wollte Angela Merkel in der Flüchtlingskrise für Zuversicht sorgen. Jetzt, keine acht Wochen später, schlagen die Kommunen und Gemeinden Alarm - sie sind mit der Zahl der Flüchtlinge heillos überlastet. Dabei kommen die Hilferufe nicht nur aus der Union - auch Kommunalpolitiker von SPD und Grünen fordern mehr Engagement aus Berlin.

Wenige Wochen ist es her, da schallte Angela Merkels Satz „Wir schaffen das“ durch die Bundesrepublik. Mut wollte die Kanzlerin damit verbreiten, Motivation wecken und Energien freisetzen. Deutschland könne alle Probleme, die die Flüchtlingskrise mit sich bringt, meistern. Mit ihrem Optimismus erinnerte sie dabei ein wenig an Barack Obamas Slogan „Yes, we can!“ während seines ersten Wahlkampfes um das Amt des amerikanischen Präsidenten. Auch dieser Slogan entpuppte sich schnell als der Realität nicht gewachsen.

Als zehntausende Flüchtlinge Anfang September am Münchner Hauptbahnhof ankamen, wurde Merkels Satz in die Tat umgesetzt. Hauptamtliche und ehrenamtliche Helfer, aber auch spontan entschlossene Bürger zogen an einem Strang, um die Ankommenden bestmöglich zu versorgen. Man schaffe das schließlich.

Kommunalpolitiker schlagen Alarm

Jetzt, keine acht Wochen später, ist die Realität eine andere. Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge ist so hoch wie nie zuvor, besonders die bayerischen Grenzregionen zu Österreich werden an manchen Tagen nahezu überrannt. (der BAYERNKURIER berichtete.)

Die Nächte sind kalt und neblig, der Winter steht vor der Tür, in den meisten Gemeinden sind die Unterbringungsmöglichkeiten nahezu oder vollständig ausgeschöpft und die Helfer arbeiten an der Belastungsgrenze. Schaffen wir es immer noch?

„Wir schaffen es nicht.“ Dieser Satz von Boris Palmer (Grüne) lässt aufhorchen – denn damit stellt er sich klar gegen die Linie seiner Partei. Doch Palmer ist nicht nur Mitglied der Grünen, sondern auch Oberbürgermeister im baden-württembergischen Tübingen. Er erlebt die Herausforderungen, die die Versorgung der Flüchtlinge mit sich bringt, jeden Tag. Palmer sagt klar: „Über 10.000 Flüchtlinge pro Tag kann man nicht mehr reden.“  Die Politik müsse handeln, sonst implodiere das Aufnahmesystem und der soziale Frieden.

Viele kommen nicht mehr aus Angst um ihr Leben, sondern auf der Suche nach einem neuen Leben. Hoffnungen wecken und dann nicht erfüllen zu können, wäre ein menschliches und gesellschaftliches Drama.

Boris Palmer (Grüne), Oberbürgermeister von Tübingen

Der 43-Jährige ist der festen Überzeugung, dass Deutschland an einer Begrenzung der Aufnahme neuer Flüchtlinge nicht vorbeikomme – und stellt sich damit auf eine Linie mit den Forderungen der CSU. Eine Begrenzung sei auch im Interesse der Flüchtlinge, die schon auf dem Weg nach Deutschland seien.

Kritik aus der SPD: Dingolfings Landrat fordert Lösungen

Die Politiker an der Basis sind alarmiert  – parteiübergreifend. Nicht nur der Grüne Boris Palmer, sondern auch Heinrich Trapp, Landrat von Dingolfing und Mitglied der SPD. Die Kommunalpolitiker erfahren in ihren Regionen jeden Tag hautnah, wie schwer es ist, Merkels „Wir schaffen das“ in die Tat umzusetzen. Jedoch nicht weil es an der Hilfsbereitschaft der Menschen vor Ort fehlt – sondern weil die Reserven nahezu aufgebraucht sind. Sachliche und menschliche.

Und genau das ist es, was Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer der Bundeskanzlerin vermitteln möchte. Denn eine gute Integration von hunderttausenden Flüchtlinge aus unterschiedlichen Kulturkreisen könne nur gelingen, wenn man die Zuwanderung lenkt und auch begrenzt.

Das bekommen unsere freiwilligen Helfer unangenehm zu spüren.

Heinrich Trapp (SPD), Landrat von Dingolfing

Ein weiteres Problem, darauf weist Heinrich Trapp hin, sei die Integrationswilligkeit mancher Flüchtlinge. Manche von ihnen hätten eine „unangemessene Anspruchs-Haltung“, so der SPD-Politiker. Wohnung, Arbeit, Essen – das alles wollen sie schnell. Dagegen seien die angebotenen Sprachkurse teils schlecht besucht.

Der Politiker erwartet von den Flüchtlingen das Einlösen einer „Bringschuld“, die sie gegenüber Deutschland hätten.

Treffen mit Merkel und Gabriel

Am Freitag wird sich Seehofer in der Staatskanzlei mit Thomas Kreuzer (CSU), Markus Rinderspacher (SPD), Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Margarte Bause und Ludwig Hartmann (beide Grüne) zusammensetzen, um die aktuelle Lage in Bayern genau zu erörtern – um die anderen Parteien auf den Kurs der CSU einzuschwören und ein Zusammenarbeit über alle Parteien hinweg zu erreichen. Denn nur gemeinsam ist eine Lösung der Flüchtlingskrise möglich – diesen parteiübergreifenden Konsens forderte auch Ministerpräsident Seehofer in seiner Regierungserklärung im Landtag in der vergangenen Woche.

Sonntags steht dann in Berlin der Koalitionsgipfel mit Angela Merkel und Sigmar Gabriel auf dem Programm. Dort will Seehofer mit den anderen Parteichefs endlich konkrete Vereinbarungen treffen, um den Kommunen in ganz Deutschland – und besonders den stark betroffenen bayerischen Grenzregionen – eine echte Entlastung zu verschaffen.

CDU-Kommunen auf Seehofers Seite

Die Kommunalpolitiker der CDU sind längst auf Seehofers Seite, das haben nicht nur verschiedene Briefe an die Kanzlerin gezeigt. In einem weiteren Brief an den Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier (CDU), der der Zeitung „Welt“ vorlag, schreibt der Vorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU, Ingbert Liebing, der auch Vorsitzender der CDU in Schleswig-Holstein ist: „Das System von Schengen setzt sichere EU-Außengrenzen voraus. Solange dies nicht gewährleistet ist, halte ich die Sicherung der nationalen Grenzen für notwendig.“ Wie Seehofer fordert auch der Vorsitzende der Unionskommunalpolitiker ein Signal von Kanzlerin Merkel. „Über die bisherigen Maßnahmen hinaus halte ich gerade das Signal für wichtig, dass es eine grenzenlose ungesteuerte Zuwanderung nicht geben kann. Dieses Signal brauchen wir dringlich und schnell.“ Bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit des Zustroms von Flüchtlingen kämen „die Kommunen, die Helferinnen und Helfer und der Staat insgesamt an die Leistungsgrenzen.“ Um den Zustrom faktisch zu begrenzen, schrieb Liebing im Namen der Kommunen, „müssen wir national alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen“ – weil die bisher beschlossenen Maßnahmen kurzfristig nicht helfen und die Kommunen entlasten würden.