Eine Welle der Kritik überflutet die FIFA und ihren ewigen Präsidenten Sepp Blatter seit Monaten. Bild: avd
Weltfußball

Beckenbauer vor „rechtsprechender Kammer“ der FIFA

Die Untersuchungskammer der FIFA-Ethikkommission hat ihre Ermittlungen gegen Franz Beckenbauer abgeschlossen und das Ergebnis zur rechtsprechenden Kammer weitergeleitet. Beckenbauer hatte wie alle Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees, die bei der skandalträchtigen WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 im Dezember 2010 beteiligt gewesen waren, vor der Ethikkommission aussagen müssen.

Als er dies zunächst verweigerte, wurde er im Sommer 2014 provisorisch für 90 Tage für alle Fußball-Aktivitäten gesperrt. Nach seiner danach erfolgten Aussage wurde diese Sperre aufgehoben, die Ermittlungen liefen jedoch weiter. Das Verfahren gegen Beckenbauer sei zur rechtsprechenden Kammer weitergeleitet worden, teilte das Gremium des Fußball-Weltverbands mit, ohne weitere Details zu nennen. Laut unbestätigten Medienberichten sind die Vorwürfe aber nicht schwerwiegend, sondern drehten sich lediglich um eine nicht gemeldete Reise Beckenbauers nach Katar 2009.

Auch nach den Untersuchungen gegen den Spanier Ángel María Villar Llona, Vize-Präsident der FIFA und der Europäischen Fußball-Union, wird nun ein Urteil erwartet.

WM 2006 gekauft oder nicht?

Ob die Fifa-Fahnder wegen der in den letzten Tagen vom Magazin „Spiegel“ erhobenen Bestechungsvorwürfe gegen das Organisationskomitee der WM-Endrunde 2006 in Deutschland weitere Untersuchungen gegen Beckenbauer und Präsident Wolfgang Niersbach vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) aufgenommen haben, teilte die ermittelnde Kammer nicht mit. Dabei geht es um 6,7 Millionen Euro, die das deutsche WM-Organisationskomitee im Jahr 2000 der FIFA für ein Kulturprogramm überwies. Nachdem dieses Programm abgesagt wurde, hat der DFB die Summe angeblich nicht zurückgefordert. Dies hat auch der DFB bestätigt, der noch nicht weiß, wo das Geld hingekommen ist.

Laut „Spiegel„, der dafür jedoch keine Beweise vorlegen kann, ist das Geld an den früheren Adidas-Chef Robert-Louis Dreyfus gegangen, der vor der Vergabe der WM 2006 an Deutschland angeblich schwarze Kassen der Deutschen gefüllt haben soll – von der Zeitschrift wird vermutet, um damit FIFA-Funktionäre zu bestechen. Der DFB hat diese Vorwürfe zurückgewiesen und behält sich rechtliche Schritte vor. Laut DFB steht das Geld in keinem Zusammenhang mit der WM-Vergabe. Auch den Verdacht des Stimmenkaufs wies Niersbach erneut vehement zurück. Die „Bild„-Zeitung verwies online auf eigene Recherchen, wonach Geld von Dreyfus erst 2002, also nach der Abstimmung von 2000, überwiesen worden sein soll und zwar „weder auf ein Konto des DFB noch des WM-Organisationskomitees“.

Die Abstimmung von 2000 ging 12 zu 11 für Deutschland aus (gegen Südafrika), weil das neuseeländische FIFA-Exekutivmitglied die Abstimmung verließ. Da die FIFA seit vielen Jahren mit Korruption zu kämpfen hat, ist es durchaus nicht gerade unwahrscheinlich, dass auch im Jahr 2000 Bestechung im Spiel war. Sicher ist das aber nicht.

Gegenwind auch für Blatter und Platini

Unterdessen kritisierte Chef-Aufseher Domenico Scala als erster FIFA-Insider offen den gesperrten Präsidenten Joseph Blatter und sieht „kriminelle Energie“ in der Zahlung an UEFA-Chef Michel Platini. Dass der Betrag von der vermeintlichen Verabredung 2002 bis zur Auszahlung neun Jahre später nie in den Büchern des Fußball-Weltverbands aufgetaucht sei, „ist eine schwere Unterlassung. Beide waren Mitglieder der FIFA-Exekutive und haben wissentlich jedes Jahr Finanzberichte bestätigt, die um zwei Millionen Schweizer Franken falsch waren“, sagte Scala der „Financial Times„. „Das könnte als Bilanzfälschung angesehen werden.“

Es handele sich um „einen klassischen Interessenkonflikt“, führte der Vorsitzende der Audit- und Compliance-Kommission im Interview der Nachrichtenagentur AP weiter aus. Es sei die Pflicht von Blatter und Platini gewesen, das Exekutivkomitee über die Vereinbarung ohne schriftlichen Vertrag zu informieren. Die FIFA-Ethikkommission hatte die beiden Top-Funktionäre jeweils vorläufig für 90 Tage gesperrt, ihnen droht ein langfristiger Bann. Platini betonte, dass ihm das Geld rechtmäßig zustehe.

Jedes System, das die Macht von Einzelnen verringert und gegenseitige Kontrolle schafft, reduziert das Risiko von Missbrauch.

Domenico Scala, FIFA-Aufseher

Um die skandalumtoste FIFA zu reformieren, spricht sich Scala für eine rotierende Präsidentschaft nach Vorbild der Europäischen Union aus. Jede der sechs Konföderationen könnte nacheinander einen Chef für jeweils vier Jahre nominieren, schlug der Italo-Schweizer vor. „Das würde die Macht eines einzelnen Präsidenten verringern“, erläuterte Scala seine Idee. „Jedes System, das die Macht von Einzelnen verringert und gegenseitige Kontrolle schafft, reduziert das Risiko von Missbrauch. Es würde helfen, das Netzwerk der alten Jungs zu eliminieren und die Unterschiedlichkeit des weltweiten Fußballs besser zu repräsentieren.“ Das neu geschaffene Reformkomitee unter Vorsitz von François Carrard hatte lediglich vorgeschlagen, die Amtszeit eines FIFA-Präsidenten auf zwölf Jahre zu beschränken.

(dpa/avd)