Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz stellen Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, und Bundesinnenminister Thomas de Maizière den aktuellen Bericht zur Organisierten Kriminalität vor. Foto: imago/Metodi Popow
Organisierte Kriminalität

Deutschland darf kein Rückzugsraum für Verbrecher werden

In Berlin haben Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, das aktuelle Bundeslagebild zur Organisierten Kriminalität vorgestellt. Die Zahlen sind weiterhin besorgniserregend hoch, ebenso der Einfluss ausländischer Tatverdächtiger.

Organisierte Kriminalität wird ein wachsendes Problem in Deutschland. Das machen auch die Zahlen deutlich, die Innenminister Thomas de Maizière und BKA-Präsident Holger Münch heute in Berlin für das vergangene Jahr vorlegten. Insgesamt habe es 571 Ermittlungsverfahren gegen 8700 Tatverdächtige gegeben.

Besonders in den Bereichen Rauschgifthandel sowie Eigentums- und Wirtschaftskriminalität hat das organisierte Verbrechen seine Hände im Spiel. Doch noch ein anderer Bereich lässt die kriminellen Strukturen wachsen: die Schleuserkriminalität. „Ihre Zunahme ist alarmierend, und sie ist auch mit ursächlich für die steigenden Flüchtlingszahlen“, sagte de Maizière in Berlin. Von 1500 Fällen in 2013 stiegt die Zahl im letzten Jahr auf 2149 Fälle – und das sind nur die aufgedeckten Fälle.

Verlagerung nach Osteuropa

Eine weitere Zahl, die ins Auge sticht: Zwei Drittel der Tatverdächtigen der Organisierten Kriminalität stammen aus dem Ausland, besonders aus osteuropäischen Ländern. „80 Prozent unserer Verfahren weisen internationale Bezüge auf. Organisierte Kriminalität ist global vernetzt, agiert hochkonspirativ, verschleiert illegales Vermögen und erzielt Milliardengewinne. Die Strafverfolgungsbehörden müssen in der Lage sein, Schritt zu halten“, so BKA-Präsident Münch.

Der Bundesinnenminister erklärte: „Nur wenn wir an die finanzielle Basis der organisierten Kriminalität rankommen, entziehen wir ihr nachhaltig den Boden und die Attraktivität.“

Diese Auffassung teilt auch Michael Frieser, innen- und rechtspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag:

Der Gesetzgeber muss dieser Entwicklung entschlossen entgegentreten. So muss der Zugriff auf das Vermögen und die erzielten Gewinne der Banden endlich erleichtert werden. Bei unklarer Herkunft des Vermögens muss eine vorläufige Beschlagnahme bei den mutmaßlichen Tätern möglich sein. Der Bundesjustizminister ist hier in der Pflicht, endlich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. 

Weiter sagte Frieser, Deutschland dürfe kein beliebter Rückzugsraum für Verbrecherbanden bleiben.

Einige Nationalitäten sind besonders auffällig

Nach dem Bundeslagebild kommt ein Großteil der Tatverdächtigen aus Litauen (946), der Türkei (897) und Polen (472).  Besonders stark nahm aber die Zahl der Verdächtigen aus Rumänien und Georgien zu. Im Fall der Georgier sieht das BKA einen direkten Zusammenhang zwischen dem organisierten Verbrechen und gestellten Asylgesuchen.

Obwohl Menschen aus Georgien kaum eine Chance hätten, in Deutschland Asyl zu bekommen, habe sich die Zahl der gestellten Anträge versechsfacht, sagte Holger Münch. Dahinter vermuten er und seine Kollegen einen gezielten Missbrauch des Asylrechts mit dem Ziel, in Deutschland Wohnungseinbrüche zu begehen. Innenminister de Maizière betonte: „Das ist aber ein Sonderphänomen, was Georgier angeht.“ Flüchtlinge dürften keinesfalls generell in eine kriminelle Ecke geschoben werden.

Deutsche Tatverdächtige aus dem Bereich der organisierten Kriminalität waren im vergangenen Jahr besonders im Rauschgifthandel- und -schmuggel (39 Prozent) und in Bereich Wirtschaftskriminalität aktiv (20 Prozent). Doch auch gegen Angehörige verschiedener Rockergruppen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Berlin hat mit bestens organisierten Clans zu kämpfen

Eine Akte des Berliner Landeskriminalamtes belegt nach Angaben der „Welt„, dass in der Hauptstadt mehrere arabischstämmige Clans die Unterwelt beherrschen. Die Gefahr, die von den vermutlich zwölf Clans ausgehe, sei nicht zu unterschätzen, heißt es weiter. Ganze 37 Prozent der Fälle aus dem Bereich organisierte Kriminalität aus dem letzten Jahr sollen auf ihr Konto gehen. Unter anderem der spektakuläre Überfall aus das Luxuskaufhaus KaDeWe.

Die Ermittler stießen bei ihrer Arbeit dabei immer wieder auf die gleichen Strukturen: ein großes Netzwerk auch über die Grenzen Deutschlands hinaus sowie die Bedrohung von Zeugen und Schmiergeldzahlungen. Dazu kommen noch zwei psychologische Komponenten: der fehlende Respekt vor den Kontrollinstanzen und die fehlende Anerkennung des westlichen Wertesystems.

Das Internet bietet neue Tatorte

Mit der wachsenden Bedeutung des Internets eröffnen sich den Kriminellen zudem neue Tatmittel und Deliktsfelder. Diese Auffassung teilt auch Michael Frieser:

Die anhaltende Technisierung nahezu aller Lebensbereiche des Alltags hat darüber hinaus zu einer steigenden Bedeutung des Internets als Tatmittel und -ort geführt. Die Schäden, die durch Cyber-OK-Gruppierungen verursachten wurden, beliefen sich im vergangenen Jahr bereits auf 41,1 Millionen Euro.

Auch Holger Münch sieht in der Cyber-Kriminalität eine wachsende Herausforderung für die Ermittler. „Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher flexibel und schnell auf derartige Phänomene reagieren.  Wir werden zukünftig stärker in Auswerte- und Ermittlungsprojekten zusammenarbeiten. Ziel ist, in einem überschaubaren Zeitraum sowie mit gebündelten Ressourcen und Kompetenzen ein Kriminalitätsphänomen effektiv zu bekämpfen.“