Der Ort Oberau liegt eigentlich malerisch. Wenn da nicht die Bundesstraße wäre, die man von unten rechts auf den Ort zu und durch ihn hindurch führend sieht. Die Umfahrung wird rechts von der B2 in einem zweiröhrigen Tunnel um den Ort herum verlaufen und unter dem bewaldeten Bergausläufer durchführen. Bild: Imago/imagebroker
Umfahrung Oberau

Der Jahrhunderttag im Nadelöhr

Das wahrscheinlich bekannteste infrastrukturelle Nadelöhr Bayerns, das Dorf Oberau bei Garmisch-Partenkirchen, kann dank Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt bald aufatmen. Er war beim Spatenstich für die dringend notwendige Ortsumfahrung nahe dem Autobahnende der A95 München-Garmisch dabei. Im Schnitt quälen sich rund 21.200 Fahrzeuge an Werktagen durch den Ort.

Im Grunde war die Autobahn A95 von München nach Garmisch-Partenkirchen immer ein Trugbild. Denn sie endet nicht in Garmisch-Partenkirchen, sondern vorher in Eschenlohe. Dann fahren fast alle Fahrzeuge auf eine einspurigen Bundesstraße durch die Orte Oberau und Farchant, bevor sich der Verkehr in Garmisch-Partenkirchen ergießt. Denn neben dem Weg in zahlreiche Ski-und Wandergebiete ist das auch noch eine der Durchgangsrouten nach Österreich und Italien. „Ab Autobahnende der A95 bei Eschenlohe ist die B2 in der Region die wichtigste Verkehrsachse nach Österreich. Sie wird vor allem vom Reiseverkehr in den Süden vielfach genutzt“, betonte jetzt auch Bayerns Verkehrsstaatssekretär Gerhard Eck beim Spatenstich in Oberau.

Eine fast unendliche Geschichte

Eigentlich war und ist auf dieser Route fast immer irgendwie Stau, egal zu welcher Jahreszeit. Kaum ein Tourist, Skifahrer, Bergwanderer oder Italienreisender, der nicht schon an diesen Orten im Stau stand – und mit Sicherheit schon alle Einwohner der Region. Viele Jahre war das so, bevor die Umfahrung von Farchant wenigstens dort für Entlastung sorgte. Auch Garmisch-Partenkirchen soll durch die zwei Röhren Kramertunnel und Wanktunnel entlastet werden, deren erste Pläne bis in die 1970er Jahre zurückgehen. Der Kramertunnel in Richtung Fernpass/Reutte ist bereits seit 2010 im Bau, liegt derzeit aber wegen geologischen Schwierigkeiten auf Eis. Weil Grundwasser für den weiteren Vortrieb abgesenkt werden muss, wurde ein neues Planfeststellungsverfahren notwendig – gegen das mal wieder der Bund Naturschutz eine Klage führen will und damit das Projekt verzögern wird. Eine Eröffnung wird daher erst in den 2020er Jahren erwartet. Wann der Wanktunnel in Richtung Mittenwald/Innsbruck gebaut wird, steht noch nicht fest. Als sich München mit Garmisch-Partenkirchen um Olympia 2018 bewerben wollte, sollte der Antrag auf Planfeststellung für den Wanktunnel bis Mitte 2011 gestellt werden. Dazu kam es nicht, weil die Olympiabewerbung im Juli 2011 in der Abstimmung gegen das südkoreanische Pyeongchang unterlag. Auch eine erneute Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 scheiterte im November 2013, als in einem Bürgerentscheid im Markt fast 52 Prozent gegen die Bewerbung stimmten. Wenn überhaupt, ist nun erst nach 2020 mit dem Beginn der Bauarbeiten zu rechnen, zumal er im Bundesverkehrswegeplan – unverständlicherweise – nur im weiteren Bedarf mit Planungsrecht eingestuft ist. Zur Zeit wird der Tunnel laut Bundesverkehrsministerium neu bewertet. Zu der Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplans, die 2016 im Bundestag behandelt wird, werden Kosten-Nutzen-Analysen erstellt. Ob es dann eine bessere Eingruppierung für den Wanktunnel geben könnte, bleibt zu hoffen.

Über 45 Jahre haben die Oberauer für die Ortsumgehung gekämpft. Heute geht das Projekt auf die Zielgerade. Die Ortsumgehung kommt.

Alexander Dobrindt

Immerhin wird nun in der gut 3000 Einwohner zählenden Gemeinde Oberau gebaut. „Über 45 Jahre haben die Oberauer für die Ortsumgehung gekämpft. Heute geht das Projekt auf die Zielgerade. Die Ortsumgehung kommt. Der Baubeginn ist ein Jahrhunderttag für die Region und weit darüber hinaus. Damit realisieren wir einen lang erwarteten Lückenschluss“, betonte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. „Die kilometerlangen Staus in und um Oberau werden der Vergangenheit angehören.“ Weiter erklärte der Minister: „Die Ortsumgehung ist ein sichtbares Ergebnis meines Investitionshochlaufs: wir steigern die Mittel für die Infrastruktur bis 2018 um rund 40 Prozent. Das ist ein Rekordniveau. Mit dem Geld modernisieren wir unser Land, bauen Straßen, Schienen Wasserwege aus. Davon profitiert auch unsere Region.“

Längst bestand Baurecht

„Danke, Alexander Dobrindt“, steht dann auch auf zahlreichen Plakaten, die am Bauplatz und im Ort hängen. Denn schließlich hat Dobrindt schon als örtlicher Bundestagsabgeordneter ebenso für den Tunnel gekämpft wie die Bürgerinitiative VEO (Verkehrsentlastung Oberau). Am Dienstag war der Spatenstich für das 205 Millionen Euro teure Projekt, das das Nadelöhr beseitigt. Rund 200 Menschen kamen zum Festakt an der Baustelle am Ortseingang. Ende 2021 soll Eröffnung sein. Dobrindt kam mit dem bayerischen Verkehrsstaatssekretär Gerhard Eck zum ersten Spatenstich für die seit langem geplante und nicht nur von den Einheimischen herbeigesehnte Ortsumfahrung von Oberau. Kernstück der 4,2 Kilometer langen vierstreifigen Umfahrung ist ein 3 Kilometer langer Tunnel mit je zwei Fahrspuren in beide Richtungen. Bei der Trassenwahl mussten Naturschutz- und Wasserschutzgebiete berücksichtigt werden. So kommt das Trinkwasser für die Landeshauptstadt München teilweise aus der Region. Die geologischen und hydrologischen Verhältnisse in der Gebirgsregion sind für die Tunnelbauer, dies zeigte schon der Kramertunnel, eine technische Herausforderung. Teils liegen über der Trasse stark wasserdurchlässige Lockergesteinsschichten. Mit dem längst fertiggestellten Tunnel bei Farchant im Süden und dem geplanten vierspurigen Ausbau zwischen Eschenlohe und Oberau im Norden werde eine leistungsfähige Straßenverbindung von der A95 nach Garmisch-Partenkirchen geschaffen, ist sich die Autobahndirektion Südbayern dennoch sicher. Auch dieses Projekt, für das längst Baurecht bestand, wurde aber noch einmal wegen der gescheiterten Olympiabewerbung zurückgestellt. Andernfalls wäre das Geld dafür schneller geflossen.

Wir reduzieren mit dem Tunnel den Durchfahrtsverkehr in Oberaus Ortskern deutlich.

Gerhard Eck, bayerischer Verkehrsstaatssekretär

Bayerns Innen- und Verkehrsstaatssekretär Gerhard Eck setzte zusammen mit Bundesverkehrsminister Dobrindt symbolisch den ersten Spatenstich. „Damit startet eine der größten Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen in ganz Bayern“, so Eck. „Wir reduzieren mit dem Tunnel den Durchfahrtsverkehr in Oberaus Ortskern deutlich“, so Eck. Aber nicht nur die Anwohner dürften sich über diese erhebliche Reduzierung von Lärm- und Abgasen in ihrem Ort freuen. „Die Ortsumfahrung wird für Autofahrer, die von der Autobahn kommen, nördlich von Oberau beginnen. Unmittelbar an der Anschlussstelle Oberau-Nord schließt dann der zweiröhrige Tunnel an, der den Ort im Westen umfährt. Im Süden kommt die Trasse wieder an die Oberfläche und schließt an das bereits ausgebaute Teilstück bei Farchant an“, so Eck.

Vor allem an Wochenenden wälzt sich eine unaufhörliche Blechlawine durch den Ort Oberau.

Im Durchschnitt fahren nach Berechnungen der Autobahnbehörde am Tag rund 21.200 Autos, Busse und Laster auf der B2 durch Oberau. An den Wochenenden sind es deutlich mehr. Ohne den Ausbau der B 2 liegt die Verkehrsprognose im Jahr 2020 bei 30.200 Fahrzeugen am Tag.

Lange Staus auf der Bundesstraße 2 waren und sind die Folge. Was kaum jemand weiß: Die B2 ist mit 845 Kilometern die längste und eine der ältesten Bundesstraßen in Deutschland. Sie führt von Berlin über Leipzig, Nürnberg, Augsburg und München bis Mittenwald. Südlich von Eschenlohe bildet die B2 zudem die Fortsetzung der dort endenden A95.