Jeder ist sich selbst der Nächste: Europas Fundament zeigt Risse. (Bild: Fotolia/pixs:sell)
Inland

„Europa muss seinen Kern schützen!“

Die Europäische Union ist ein Projekt für Frieden und Wohlstand. Beides ist heute in Gefahr. Griechenland taumelt in den Staatsbankrott und gibt Europa die Schuld. Die Arbeitslosigkeit nicht nur in den südlichen Ländern ist zu hoch und die Wirtschaftsleistung zu schwach. Christian Forstner (Verbindungsstelle der Hanns-Seidel-Stiftung in Brüssel) befürchtet eine Aushöhlung des Europa-Gedankens.

Der Stolz Europas, seine Werte, wie sie im Lissabon-Vertrag verankert sind, scheinen in manchen Ländern Lichtjahre von der gesellschaftlichen Realität entfernt zu sein. Wo Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung gelten sollten, herrschen Korruption, Justizwillkür und skrupellose politische Machtkämpfe. Die innenpolitischen Turbulenzen der letzten Jahre in Rumänien, Bulgarien oder Slowenien sind mahnendes Beispiel, dass die EU aufpassen muss, um ihre institutionelle Kraft nicht zu einzubüßen. Nur eine starke und nach innen geeinte EU kann ihre Integrationsziele Frieden und Wohlstand erfüllen und als Gestaltungsmacht nach außen auftreten. Die EU ist ein vor allem wirtschaftlich attraktives Modell, der Binnenmarkt eröffnet viele Chancen. Doch politisch franst Europa aus, Überdehnung droht und die Zweifel an Kernprojekten der europäischen Einigung wie der Schengen- und Eurozone mehren sich. Die EU muss ihren Kern schützen und die Ränder stabilisieren. Die Instrumente dafür gibt es, sie heißen flexible Integrationsräume und ständige strukturierte Zusammenarbeit zwischen den leistungsfähigen, integrationswilligen und integrationsfähigen Staaten. Und mit den Ländern der östlichen und südöstlichen Nachbarschaft muss man die Kooperationsstrukturen verbessern, ohne einzig mit der möglichen EU-Mitgliedschaft als Reformanreiz zu werben. Die Illusion der Beitrittsperspektive kann schnell zum gefährlichen Bumerang werden. Sie höhlt den Europagedanken innerhalb der EU aus, da die Sorge groß ist, sich zu viele neue Probleme zu importieren. Und die Gesellschaften in den Beitrittsländern wenden sich enttäuscht ab, wenn ihre Annäherungswünsche von Brüssel zurückgewiesen werden.

Institutionelle Überforderung der EU

Bereits jetzt zählt die EU-Kommission 28 Mitglieder und büßte damit als Kollegialorgan im Vergleich zur EU mit 12 oder 15 Mitgliedern an Handlungsfähigkeit ein. Die Strukturreformen des letzten Jahres mit der Einrichtung von Projektteams und Vize-Präsidenten sind die Konsequenz aus dem Anwachsen des Kollegiums und der Versuch, vernünftige Arbeitsstrukturen zu schaffen. Doch was wäre, wenn die Entwicklung anhielte und das Kommissarskollegium weiter wachsen würde? Wäre das frühere Jugoslawien der EU beigetreten, hätte es einen Kommissar gestellt. Heute benennen Kroatien und Slowenien einen Kommissar, und Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kosovo, Montenegro und Mazedonien würden dies im Falle ihrer EU-Mitgliedschaft ebenso tun. Hinzu kämen noch die jeweiligen Regierungsvertreter im Rat, die Botschafter im Coreper I, Coreper II und PSK sowie die neuen Europaabgeordneten aus diesen Ländern. Europa drohte die Lähmung.

Anm. d. Red.: Coreper ist die französische Abkürzung für den Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten; Ausschuss I ist im weitesten Sinne für wirtschaftliche Fragen, Ausschuss II für politisch sensible sowie institutionelle und allgemeine Fragen zuständig. PSK ist das Politische und Sicherheitspolitische Komitee.

Stabilisierungsprogramme

Gleichwohl gilt: Sicherheit und Stabilität in Europa wird maßgeblich von der Lage auf dem Balkan abhängen, die hohen Migrationszahlen aus der Region unterstreichen dies. Gradmesser der Entwicklung auf dem Westbalkan ist es, inwieweit regionale Kooperationsprojekte in Angriff genommen und ob Impulse für Wirtschaftswachstum gesetzt werden können. Dazu sind innerstaatliche Reformen notwendig, um die reformorientierten Kräfte in der Zivilgesellschaft durch einen nachhaltigen politischen Transformationsprozess von der Irreversibilität des Systemwandels zu überzeugen. Europa muss sich in der Region engagieren, die letztes Jahr von Berlin initiierten jährlichen Westbalkan-Konferenzen sind richtige Schritte zur Unterstützung der Reformprozesse und dienen dazu, die Entscheidungsträger in der Region an die Umsetzung ihrer Reformversprechen zu ermahnen und zugleich die europäischen Perspektiven offen zu halten. Das Schicksal des weitgehend unbefriedigenden Balkan-Stabilitätspaktes aus dem Jahr 1999 darf sich nicht wiederholen.

Ein Blick auf die Lage in den einzelnen Ländern verdeutlicht die Dimension der Herausforderung:

  • In Bosnien-Herzegowina bleibt die Regierungsfähigkeit hinter Anspruch und Erwartungshaltung zurück, der Einfluss der EU ist sehr begrenzt.
  • In Mazedonien zieht die Veröffentlichung von Tonbandmitschnitten von Regierungsgesprächen die gesamte politische Klasse nach unten, ethnische Rivalitäten flammen auf und kriminell-terroristische Gruppen fassen Fuß.
  • Montenegro ist zwar technisch auf einem stabilen EU-Annäherungskurs, bleibt aber politisch in den Händen des autoritär regierenden Milo Dukanovic und wurde zum beliebten Investitionsstandort für russisches Kapital.
  • Albanien ist von Clan-Strukturen geprägt, die sich unversöhnlich gegenüberstehen.
  • Im Kosovo gibt es zahlreiche Hinweise auf eine Verschmelzung von Politik und Organisierter Kriminalität.
  • In Serbien hat Ministerpräsident Alexander Vucic sein Land auf einen verlässlichen Europakurs gebracht und überzeugende Signale zur regionalen Versöhnung gesendet. Eine innenpolitische Liberalisierung ist aber kaum zu erkennen.
  • Die Situation in Osteuropa sieht nicht erfreulicher aus. Die Spannungen mit Russland verfestigen sich, der Minsk-Prozess zur Stabilisierung der Ukraine stockt, die Ukraine ist faktisch bankrott und die oligarchischen Strukturen sind immer noch ein dominantes Merkmal in Politik und Wirtschaft.
  • Moldawien pendelt zwischen Annäherung an die EU oder Russland, die Regierung steckt in der Krise und Korruption scheint ein nicht in den Griff zu bekommendes Übel.

Diese Instabilitäten muss Brüssel ins Kalkül ziehen, wenn man von der europäischen Perspektive der südosteuropäischen und osteuropäischen Länder spricht. Es wird großer Anstrengungen bedürfen, diese Räume zu stabilisieren, man wird Rückschläge verkraften müssen, viel Geduld, Regionalkenntnis und einen langen Atem brauchen, und vor allem: Die EU muss ihre Erweiterungspolitik in Einklang mit der Realität vor Ort bringen. Institutionelle Überforderung der EU, fehlende Akzeptanz von Erweiterungen in den EU-Gesellschaften und nicht vorhandene Beitrittsreife in den Kandidatenländern sind die prägenden Rahmenfaktoren heute. Umso dringlicher ist es, die vorhandenen Instrumente zu nutzen, die eine positive Wirkung auf die regionale Entwicklung haben. Der EVP kommt als politische Brücke nach Europa eine wichtige Funktion zu. Wenn sie diese Aufgabe im Sinne eines richtig verstandenen europäischen Interesses erfüllen will, muss sie über ihren eigenen Schatten springen. Nicht die EVP ist das schützenswerte Gut, sondern die EU. Die Zahl der Mitgliedsparteien in der EVP nahm in den letzten Jahren eine inflationäre Entwicklung, teils aufgrund von fragmentierten Parteien wie in Italien, zum großen Teil aber aufgrund von neuen Mitgliedern aus Osteuropa. Die EVP sollte ihren stabilisierenden Einfluss jetzt aktiv wahrnehmen und sich offen zeigen gegenüber den Kooperationswünschen der serbischen SNS und den ukrainischen Parteien Block Poroschenko des Präsidenten und der Partei Volksfront des Ministerpräsidenten. Eine rasche und positive Positionierung der EVP zu diesen Parteien kann die Stabilisierungspolitik der EU maßgeblich flankieren und der Desillusionierung angesichts fehlender EU-Beitrittsperspektiven entgegenwirken.

Frustration über Athen

Die Folgen früherer Fehlentscheidungen holen Brüssel derzeit im Verhältnis zu Griechenland ein. Die Aufnahme in die Währungsunion erfolgte unter falschen Vorzeichen und hätte letztlich nicht geschehen dürfen. Die Korrektur dieses Fehlers beschäftigt die Eurozone spätestens seit Ausbruch der internationalen Finanzkrise 2008, das fruchtlose Krisenmanagement mit Griechenland führte in Brüssel in den letzten Wochen spürbar zu Frustration und Verstimmung. Dieser Stimmungsumschwung war selbst den Griechenlandfreunden Jean-Claude Juncker und Martin Schulz anzumerken, die die griechische Regierung nach dem Abbruch der Verhandlungen und dem Ansetzen des Referendums deutlich kritisierten. Offensichtlich hatte man in Brüssel die ideologisch motivierte Kompromissunfähigkeit und den klassenkämpferischen Rigorismus des griechischen Ministerpräsidenten und des Finanzministers unterschätzt. Im Zuge der Gespräche über das Rettungsprogramm verspielte die griechische Regierung all ihr Vertrauen. Der Rücktritt des griechischen Finanzministers war ein Bauernopfer und zugleich die logische Konsequenz der zerrütteten Beziehungen, er zeigt auch die Bedeutung vernünftiger Arbeitskontakte nach Brüssel. Wer Brüssel verprellt, bringt europapolitisch kein Bein auf den Boden.

Das „Blame Game“ beginnt

Frustriert über Athen ist inzwischen auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der sich in der Rolle des ehrlichen Maklers zwischen den Geldgebern und Athen sah und sich die politische Forderung von Alexis Tsipras zu eigen machte, dass das Reformpaket keine Angelegenheit von Technokraten sei, sondern auf der höchsten Ebene der Staats- und Regierungschefs behandelt werden müsse. Unglücklich agierte Junckers Kabinettschef Martin Selmayr, als er vor den entscheidenden Krisengipfeln Ende Juni twitterte, es stünde zwar, gleichsam einer Zangengeburt, ein schwieriger Prozess bevor, aber der griechische Vorschlag sei eine gute Ausgangsbasis.

Verständlicherweise will keiner derjenige sein, der den Stab über Griechenland als erster bricht.

An Statur gewann hingegen der niederländische Finanzminister und Vorsitzender der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, den viele zu Amtsbeginn als finanzpolitisch weich einstuften. Dijsselbloem erwies sich aber als ein die Einhaltung der Maastrichter Stabilitätsregeln fordernder und auf Solidität bedachter Finanzpolitiker, der am europäischen Grundsatz keine Zweifel aufkommen ließ, dass es für Griechenland nur Geld gegen Reformen gebe und die mit den Geldgebern vereinbarten Ertragsziele nicht beliebig von Athen nach unten korrigiert werden können. In Brüssel beginnt jetzt das „Blame Game“: Wer ist der Schuldige in der Griechenland-Tragödie? Verständlicherweise will keiner derjenige sein, der den Stab über Griechenland als erster bricht. Die deutsche Bundeskanzlerin gilt in einer nicht nur in Athen anzutreffenden Sicht fälschlicherweise als diejenige Politikerin, die angeblich mit ihrem rigiden Sparkurs, dem Beharren auf den Stabilitätskriterien und der unflexiblen Austeritätspolitik das Scheitern des griechischen Reformkurses zu verantworten hat. Viele, und keineswegs nur linke Kreise in Brüssel, beklagen, dass es keine europäische Antwort auf die Finanzkrise gegeben habe, sondern das Krisenmanagement über zwischenstaatliche Vereinbarungen lief. Auf dem Weg zu einer politischen Union, die zu solidarischen Transferzahlungen an die schwächeren Mitgliedsstaaten bereit sei, sei die EU in den letzten Jahren nicht vorangekommen. Erstaunlich ist das Abrücken von Tsipras seitens des üblicherweise sehr viel Verständnis für griechische Befindlichkeiten zeigenden EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz. Aber Brüssels obersten Sozialdemokraten treibt ähnlich wie Sigmar Gabriel die Sorge um, dass ein Erfolg von Syriza die Linke in ganz Europa und besonders in Deutschland befeuert und die Sozialdemokraten aufreibt zwischen populistischen Linken und finanzpolitisch verantwortungsbewussten konservativen Parteien.

Nord gegen Süd

Im Zuge des Griechenland-Krisenmanagements formierten sich in Brüssel zwei unterschiedliche Lager: Eine Gruppe um nord- und osteuropäische Staaten schließt ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone nicht mehr aus. Zu dieser Gruppe gehören u.a. die Niederlande, Finnland, die baltischen Staaten und die Slowakei. Die nordeuropäischen Länder fordern die Durchsetzung der vereinbarten Stabilitätskriterien ein, erinnern an die nationalstaatliche Eigenverantwortlichkeit bei den Schuldenbergen (Aufbau und Abbau) und verweisen auf die EU-Verträge, wonach kein Staat für die Schulden eines anderen haftet. Die osteuropäischen Staaten machen jetzt vermehrt auch gerechtigkeitspolitische Argumente geltend, da der Lebensstandard und die Kaufkraft in der Slowakei oder in Estland keineswegs höher sind als in Griechenland und es in den dortigen Gesellschaften kaum vermittelbar ist, wenn man die unbefriedigende Budgetkonsolidierung in Griechenland finanzieren muss. Und Vertreter aus Bulgarien und Rumänien fühlen sich durch den Fokus auf Griechenland mit ihren eigenen Problemen, zu deren Lösung sie auch EU-Hilfe brauchen, vernachlässigt.

Ein Marshall-Plan für den Süden Europas.

Den Grexit-Befürwortern steht das Süd-Lager aus Frankreich und Italien entgegen, das sämtliche Flexibilisierungsklauseln des Stabilitätspaktes nutzen will, um den griechischen Patienten in der Währungsunion und am Leben zu halten. Diese Gruppe befürwortet einen Marshall-Plan für den Süden und speziell für Griechenland, um die Wirtschaft in den Krisenregionen wieder in Gang zu bringen, und setzt auch einen weiteren Schuldenschnitt bzw. eine Schuldenkonferenz für Griechenland auf die Agenda. Die EU-Kommission tendiert tendenziell zum Lager derjenigen, die Griechenland in der Eurozone halten wollen. Schließlich ist die EU-Kommission die Hüterin der Verträge, und in diesen steht, dass der Euro die Gemeinschaftswährung der EU ist und die Mitgliedsstaaten bis auf Großbritannien und Dänemark dem Ziel verpflichtet sind, den Euro bei Erfüllung der Konvergenzkriterien einzuführen. Das Ausscheiden aus der Währungsunion ist vertragsrechtlich nicht vorgesehen und würde juristisches Neuland bedeuten, vor dem die EU-Kommission zurückschreckt.

Deutschland als Vermittler

Deutschland versucht, zwischen diesen Lagern zu vermitteln und im Drama um Griechenland Lösungen zu finden, die keine endgültigen Entscheidungen bedeuten, sondern Zeitgewinn verschaffen. Eine Politik des „Weitermachens wie bisher“ scheint also die wahrscheinlichste Variante. Es ist offen, ob ein Kompromisspaket bestehend aus überzeugenden Reformschritten aus Athen, aus der Vereinbarung einer Schuldenkonferenz zur Tragfähigkeit der griechischen Schulden und aus Milliarden schweren Investitionsprojekten in den nächsten Jahren zur Belebung der Wirtschaft für alle beteiligten Seiten eine akzeptable Lösung darstellt, die zumindest Zeit bis Herbst verschafft. Und dann kann die Welt schon wieder ganz anders aussehen. Zugleich gilt es ein wachsames Auge darauf zu haben, dass die Stimmung in Deutschland zu kippen scheint und die Bereitschaft zu weiteren Hilfskrediten für Griechenland in Politik und Gesellschaft spürbar zurückgeht. Und eine weitere Entwicklung muss Sorge machen: Gerade erst wurde nach anfänglichem Stottern der deutsch-französische Motor wieder ins Laufen gebracht, gemeinsame Papiere zu Wirtschaftsreformen zeugen davon; auch das eng aufeinander abgestimmte Krisenmanagement im Ukraine-Konflikt belebte die Achse Berlin-Paris. Doch in der Eurokrise zeigte sich erneut, dass Frankreich eher dem Süden zuzurechnen ist, wenn es um die harten Fragen der Budgetsolidität und Regelkonformität geht.

Die nationalen Egoismen überwiegen.

So unbefriedigend die zahlreichen Griechenland-Sitzungen in Brüssel verliefen, so uneinheitlich präsentierte sich die EU auch in der Migrationsfrage. Zur Vereinbarung von verbindlichen Quoten bei der Aufnahme sowie der Umsiedlung von Flüchtlingen gab es keinen Konsens unter den Mitgliedsstaaten, was Matteo Renzi zu scharfen Worten an die Adresse seiner Kollegen veranlasste. Die dramatischen Gipfelsequenzen im Juni zeigten: Der Ruf nach europäischen Lösungen ist zwar laut, doch die nationalen Egoismen überwiegen.

Weiterentwicklung der EU

Vor lauter Gipfeln in Brüssel ging unter, dass zum planmäßigen Europäischen Rat im Juni ein 5-Präsidenten-Bericht zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion vorgelegt wurde. Manche Beobachter in den Hauptstädten weigern sich zwar, den EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz als Mitautor zu akzeptieren. Doch Schulz hat auch mit Unterstützung von Jean-Claude Juncker seine Mitwirkung am Bericht der Präsidenten des Europäischen Rates, der EU-Kommission, der Euro-Gruppe und der EZB durchgesetzt. Der Bericht strukturiert die Weiterentwicklung der Eurozone in drei Phasen, deren erste bis 2017 dauert und in der die vorhandenen Instrumente zur Erreichung struktureller Konvergenz umgesetzt werden. In der 2. Stufe werden die Zielvorgaben verschärft und ein Krisenabsorptionsmechanismus geschaffen. In der 3. Periode ist dann die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion erreicht und die Eurozone verfügt über eine stabile und attraktive Finanzarchitektur, zu deren Kernelementen eine Bankenunion, eine Kapitalmarktunion und eine Fiskalunion mit eigenem Krisenbudget gehören. Mit dem Bericht wird das Augenmerk richtigerweise auf das Problem wachsender Divergenzen in der Eurozone gelegt, die dringend aktive Gegenmaßnahmen erfordern. Die Straffung der Koordinierungsmechanismen und die schärferen Anforderungen an die Haushaltsdisziplin sind richtige Konsequenzen aus der Finanzkrise der letzten Jahre. Zugleich werden aber auch Solidarmaßnahmen auf den Weg gebracht, die der Umwandlung der EU in eine bisher vor allem auch in Deutschland abgelehnte offene Transferunion den Weg bahnen. Die angeregte europäische Einlagensicherung lenkt von den nationalen Verantwortlichkeiten bei der Stabilisierung des Bankensektors ab und verlagert strukturelle nationale Risiken auf andere Mitgliedsstaaten. Und ein Einstieg in eine europäische Arbeitslosenversicherung, die eventuell ab einem gewissen Prozentsatz aus dem Krisenbudget kofinanziert werden könnte, kann nicht zu den Zielen der Währungsunion zählen.

Europa steht derzeit gewaltig unter Druck, intern und extern

Wer zulässt, dass die EU weiter ausfranst, und wer nationale Verantwortlichkeiten in der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik aushebeln und vergemeinschaften will, wird die EU nicht stärken, sondern schwächen. Die EU hat schon genug Gegner in europaskeptischen Parteien, sie braucht keine das europäische Projekt gefährdenden Vorschläge aus den eigenen Brüsseler Reihen mehr.