America-First-Politik: US-Präsident Donald Trump kündigte das Abkommen mit dem Iran und verhängte Strafzölle auf Importe. (Foto: Picture alliance)
Trump

Amerikas neue Unberechenbarkeit

Gastbeitrag Unter Präsident Donald Trump befinden sich die USA im globalen Nahkampf, schreibt der Leiter des US-Büros der Hanns-Seidel-Stiftung in Washington D.C., Christian Forstner. Es stellt sich die Frage, ob "America first" nicht "America alone" bedeutet.

Emmanuel Macron trat pompös auf, Angela Merkel konzentrierte sich ganz auf Donald Trump. Unterschiedliche Taktik, gleiche Message: Das Iran-Abkommen soll nicht aufgekündigt werden und die angedrohten hohen Zölle auf Stahl- und Aluminium müssen vom Tisch. Aber das Ergebnis war enttäuschend: Die USA steigen aus dem Iran-Abkommen aus, die Importzölle kommen verspätet, dafür zusammen mit Quoten. Der Einfluss des Auslands auf die Trump-Administration ist begrenzt. Macron versuchte es mit imposantem Auftreten, Merkel mit nüchternem Arbeitsstil, Japans Ministerpräsident Abe setzt auf ein joviales Verhältnis zu Trump. Erfolgreich war keiner der drei.

Trumps Weltbild macht in seiner Administration Schule: Die USA befänden sich in einem globalen Wettbewerb, in dem es keine Freunde, nur Feinde gebe.

Christian Forstner

Was zählt, sind einzig die Interessen der USA

Ebenso unklar wie der strategische Umgang mit der Trump-Administration ist auch die begriffliche Charakterisierung der US-Außenpolitik. Da die US-Regierung eine globale Führungsrolle ablehnt, sehen manche Beobachter neo-isolationistische Traditionen. Trump spricht von America-First-Politik: Was zähle, seien einzig die Interessen der US-Bürger. Zwar betont man im Weißen Haus, dass America-First nicht America-Alone heißt. Doch einflussreiche US-Strategen wie Senator John McCain und der frühere Vize-Präsident Joe Biden geißeln America-First als dumpfen Nationalismus.

Wenig Resonanz in der Politikszene fand die Einschätzung eines „principled realism“, also eines Realismus mit Prinzipien. Damit war ein Brückenschlag zwischen den beiden grundlegenden Denkschulen der US-Außenpolitik intendiert, dem werte- und dem interessengeleiteten Handlungsansatz. Mit der Berufung von John Bolton zum Nationalen Sicherheitsberater macht jetzt ein neues Begriffspaar die Runde: militärischer Unilateralismus. Differenzen zwischen Donald Trump und John Bolton sind dabei nicht ausgeschlossen. John Bolton ist aktiven Regime-Umstürzen durch Militärinterventionen nicht abgeneigt, während Donald Trump sich aus außenpolitischen Abenteuern heraushalten will. Bolton und Trump eint der Hang zu Hard Power im Gegensatz zu Soft Power sowie die Geringschätzung multilateraler Institutionen.

Außenpolitisch stehen sich in der Trump-Administration derzeit zwei Lager gegenüber: die radikalen Veränderer und die Normalisierer.

Christian Forstner

Die Grundstrukturen der US-Außenpolitik

Mit dem Amtsantritt von Mike Pompeo sitzt jetzt ein kleiner Kreis ähnlich denkender Akteure an den Schaltstellen der außenpolitischen Macht. Als letzte Rückversicherung gegen die unkalkulierbare Zuspitzung internationaler Krisen gilt Verteidigungsminister James Mattis. Aber Trumps Weltbild macht in seiner Administration Schule: Die USA befänden sich in einem globalen Wettbewerb, in dem es keine Freunde, nur Feinde gebe. In diesem Kampf aller Länder gegen alle überlebe nur der Stärkste, es herrschten die Gesetze des Dschungels. Die Mittelklasse in den USA sieht ihr Land in diesem Kampf als Verlierer. Sie zahlten die Zeche und machten die harte militärische Arbeit, während andere Länder in der sozialen Hängematte lägen.

Im zweiten Jahr der Trump-Administration schälen sich einige Grundstrukturen des außenpolitischen Handelns Amerikas heraus:

  • Donald Trump propagiert einfache populistische Lösungen für komplexe Sachverhalte. Das Weiße Haus denkt nicht in den Kategorien von Win-win-Situationen oder internationalen Wertschöpfungsketten.
  • Die Spitze der Trump-Administration ist weitgehend beratungsresistent. Die Entscheidungsprozesse laufen nicht von unten nach oben. Der Präsident und seine Chef-Berater treffen populistische Entscheidungen, Richtschnur ist Trumps politischer Instinkt. Nachgeordnete Stellen in der Administration müssen sich dann mit der Schadensbegrenzung begnügen.
  • Einigendes Band in der Trump-Administration ist die Auffassung vom Deep State, den man ausdünnen muss. Small Government lautet die Losung. Aus diesem Grund bleiben auch zahlreiche Spitzenpositionen in der Administration bewusst unbesetzt.
  • Der Verhandlungsstil unterscheidet nicht zwischen Freunden und Gegnern. Man greift zu erpresserischen Mitteln, um permanenten Druck aufzubauen und um selbst immer in einer dominanten Verhandlungsposition zu sein.
  • Die Trump-Administration verkörpert eine Deal-Making-Mentalität, der nachhaltige Ansätze zur Stärkung einer globalen Ordnungspolitik wesensfremd sind. Im Vordergrund stehen kurzfristige Vereinbarungen, die sich innenpolitisch als Umsetzung von Wahlkampfversprechen vermarkten lassen.
  • Es werden voneinander getrennte Politikbereiche vermischt, sodass der außenpolitische Gegner ständig unter Zugzwang steht. Beispiel China: Das Land wird als Währungsmanipulator unter Druck gesetzt, zudem steht die Drohung eines Handelskriegs im Raum. Zugleich soll China Teil der internationalen Drohkulisse gegen Nordkorea bleiben. Beispiel Deutschland: Der Handelskonflikt mit der Bundesrepublik nimmt zu. Sollten die deutschen Militärausgaben sich nach den Vorstellungen der USA entwickeln, sind Ausnahmen von hohen Importzöllen aber offenbar vorstellbar. Beispiel Mexiko: Der Nachbar wird während der NAFTA-Nachverhandlungen wegen seines schwachen Grenzschutzes an den Pranger gestellt.

Die Kritik an Deutschland wird nicht abreißen. Die Sicht in Washington ist: Deutschland muss militärisch und sicherheitspolitisch mehr tun, der Leistungsbilanzüberschuss ist zu groß, das Migrationsmanagement ungenügend und die Russland-Politik zweifelhaft. Die Nord-Stream-2-Pipeline ist für Washingtons politische Klasse ein No-Go.

Trumps Auftrag: Kein „Weiter so“

Donald Trump wurde ins Amt gewählt mit einem klaren Auftrag: Kein „Weiter so“. Seine Politik ist beliebter als seine Person. Innenpolitisch wird sich die politische Konfrontation verschärfen. Die Demokraten werden bei den Zwischenwahlen das Repräsentantenhaus zurückerobern, den Senat wohl kaum. Doch das bedeutet noch lange nicht den Anfang vom Ende der Trump-Administration.

Wahlen in Amerika sind nur formal gesehen landesweite Wahlen. Faktisch handelt es sich um Hunderte von Lokalwahlen. Ein Abdriften der Demokraten nach links kommt Donald Trump zupass. Gegen einen linken Demagogen, der das republikanische Feindbild-Klischee bedient, wird Donald Trump gerne antreten. Außenpolitisch stehen sich in der Trump-Administration derzeit zwei Lager gegenüber: die radikalen Veränderer und die Normalisierer. Es ist unklar, wer sich durchsetzen wird.