Eine Woche vor den Wahlen in Sachsen und Brandenburg holt die SPD die Vermögenssteuer aus der Mottenkiste. (Bild: imago images / Joko)
Vermögenssteuer

Vor der Wahl: SPD-Neiddebatte

Als „alten Hut und Irrweg” kritisiert Ministerpräsident Markus Söder SPD-Pläne für eine Vermögensteuer. Kurz vor Wahlen in Ostdeutschland entfacht die SPD eine Neiddebatte mit Plänen − die sie nur mit Linken und Grünen realisieren könnte.

Die Pläne der Bundes-SPD für eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer stoßen bei Bayerns Staatsregierung auf scharfe Kritik. „Die Vermögenssteuer ist ein alter Hut und ein Irrweg. Immer wieder zieht ihn die SPD aus der Tasche − immer wieder ohne Erfolg”, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Sonntag kurz vor Beginn der Unionsklausur in Dresden der Deutschen Presse-Agentur in München. Eine Vermögenssteuer sei weder sinnvoll noch umsetzbar, so Söders klare Absage: „In einer sich abkühlenden Konjunktur führt dies zu einer massiven Belastung von Mittelstand und Arbeitsplätzen. Es ist genau das falsche Signal zur falschen Zeit.“

Die Vermögenssteuer ist ein alter Hut und ein Irrweg.

Markus Söder, Ministerpräsident

Deutschland brauche angesichts von Konjunkturdellen und Negativzinsen derzeit genau „das Gegenteil: endlich Steuersenkungen”, betonte Söder. Daher sei seine Antwort auf den SPD-Vorschlag ein klares Nein. Stattdessen schlage die CSU einen vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags und eine deutliche Senkung der Unternehmenssteuer auf internationales Niveau vor. „Dazu sollte das Klimapaket ein Konjunkturprogramm für neue Technologien gerade beim Automobil sein.”

Wahl in Sachsen und Brandenburg

Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg am kommenden Sonntag droht der SPD der Absturz ins Nichts. Genau eine Woche vor den Wahlen hat nun der kommissarische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel die Wiedereinführung der Vermögenssteuer ins Gespräch gebracht. Mit einer Vermögenssteuer von einem Prozent will er bei sogenannten Reichen zehn Milliarden Euro abschöpfen. An diesem Montag wird das SPD-Präsidium das Konzept diskutieren. Freibeträge sollten sicherstellen, dass die Steuer erst ab einem bestimmten Vermögenswert greift, hatte Schäfer-Gümbel in der Rheinischen Post erklärt. Ab welchem Vermögen, sei noch nicht festgelegt.

Ein Konzept, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu ruinieren.

Albert Füracker, Bayerns Finanzminister

Am heutigen Mittag wollte Schäfer-Gümbel die Pläne gemeinsam mit dem sächsischen Wirtschaftsminister und SPD-Spitzenkandidaten Martin Dulig öffentlich vorstellen. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) signalisierte Zustimmung. Aufschlussreich und bedrohlich: Auch Vizekanzler Olaf Scholz befürwortet die Pläne.

Konzept gegen den Wirtschaftsstandort

Die CSU wirft den Sozialdemokraten vor, mit solchen Plänen Deutschland schwer zu schaden. „Sollte die SPD tatsächlich vorhaben, alle Unternehmen mit einer Vermögensteuer zu überziehen, wäre das im Ergebnis ein Konzept, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu ruinieren”, sagte Bayerns Finanzminister Albert Füracker der Augsburger Allgemeinen (Samstag). Eine Vermögensteuer werde es mit Bayern nicht geben.

Stattdessen forderte Füracker Steuersenkungen: „Zeiten höchster staatlicher Steuereinnahmen und einer drohenden konjunkturellen Abschwächung erfordern gezielte Steuersenkungen für alle Steuerzahler, insbesondere auch für die Unternehmen.”

Ewige Neiddebatte.

Hubert Aiwanger (FW), Bayerns Wirtschaftsminister

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) schloss sich der Kritik Fürackers an: „Dieses Land muss die ewige Neiddebatte endlich hinter sich lassen, Leistung wieder mehr honorieren und Eigentum schützen”, sagte Aiwanger am Samstag laut Mitteilung. Die SPD vergifte das politische Klima und schade dem Land, wenn sie kurz vor Landtagswahlen einen solchen Vorschlag präsentiere.

„Sozialistische Neidsteuer“

Kritik kam auch vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Dessen Präsident Eric Schweitzer forderte Erleichterungen für die Wirtschaft. „Der Vorstoß der SPD zur Wiederbelebung der Vermögensteuer passt aus Sicht der Unternehmen nicht in die aktuelle Debatte”, sagte er der Passauer Neuen Presse (Samstag). „Angesichts der deutlichen Eintrübungen der Konjunktur sowie der großen Investitionserfordernisse durch Digitalisierung und Demografie muss es eher darum gehen, Unternehmen steuerlich zu entlasten.”

Auch die vbw, Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., weist die steuerpolitischen Forderungen der SPD nach einer Vermögenssteuer mit Nachdruck zurück. „Nur ein einfaches, wettbewerbs- und leistungsgerechtes Steuerrecht hat einen positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum. Dazu gehören die Entlastung des Steuerzahlers, Anreize für erfolgreiches Wirtschaften der Unternehmen, eine Reduzierung der Steuerbürokratie sowie mehr Rechtssicherheit. Substanzbesteuerungen haben genau die entgegengesetzte Wirkung: Sie schaden unserem Standort, vertreiben Unternehmen und Investitionen und kosten Arbeitsplätze“, erklärt vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. „Statt populistischer Forderungen muss die Besteuerung so gestaltet werden, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Unternehmen gezielt Vermögen aufbauen und bewahren können. Anders geartete steuerpolitische Forderungen sind für Bayern standort- und zukunftsfeindlich und daher klar abzulehnen.“

SPD ohne Wirtschaftskompetenz

FDP

Der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, erklärte zu dem SPD-Konzept: „Offensichtlich hat die SPD auch ihre letzten Reste an Wirtschaftskompetenz verloren. Die Einführung einer Vermögensteuer würde Investitionen, Beschäftigung und Wirtschaftswachstum in Deutschland dämpfen.” Er sprach von einer „sozialistischen Neid-Steuer”.

Verfassungsgericht gegen Vermögenssteuer

Tatsächlich hat es bis 1996 in Deutschland eine Vermögenssteuer gegeben. Sie brachte zuletzt etwa neun Milliarden DM ein − also etwa 4,5 Milliarden Euro. Schäfer-Gümbel will mit seinem Plan also ordentlich draufsatteln. Problem: Das Bundesverfassungsgericht hat 1995 entschieden, dass eine unterschiedliche Besteuerung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen durch eine Vermögenssteuer nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar sei. Obwohl es das Vermögenssteuergesetz noch gibt, wurde die Steuer darum ab 1997 nicht mehr erhoben.

Die Argumente gegen die Vermögenssteuer sind zahlreich: Zinsen und andere Vermögenserträge unterliegen bereits der Einkommenssteuer. Wenn sie anschließend noch einmal − oder wiederholt − noch einer Vermögenssteuer unterworfen würden, bedeutete dies eine Doppelbesteuerung. Bei der Einkommenssteuer geht es immer um tatsächliche Erträge. Bei einer Vermögenssteuer auch um geschätzte Soll-Erträge. Dabei kann es leicht zu einer Überbesteuerung kommen, also einer Besteuerung von Erträgen, die es tatsächlich gar nicht gibt.

Die teuerste Steuer

Die Vermögenssteuer ist umständlich und hochbürokratisch und hat darum besonders hohe Verwaltungskosten: Grundstücke und Immobilien müssen unter hohem Personalaufwand jedes Jahr neu mühsam geschätzt und bewertet werden. Ebenso Wertobjekte wie Gemälde, Antiquitäten oder das Silberbesteck der Großmutter. Was alles ein tiefes Eindringen in die Privatsphäre erforderte.

Die Vermögenssteuer ist zwangsläufig ungerecht. Denn Steuerzahler werden ungleich behandelt: Altersersparnisse von Selbständigen werden einbezogen. Versorgungsansprüche von Beamten und Arbeitnehmern dagegen nicht. Eine Firma muss sie auch dann zahlen, wenn das Geschäft nicht gut läuft.

SPD wie Linkspartei

In der politischen Mitte steht die SPD mit ihren Vermögenssteuerplänen allein und isoliert. Realisierbar wäre die Rückkehr zur Vermögenssteuer nur im Bündnis mit Grünen und Linken. Genau das bahnt sich schon an. Beim Schäfer-Gümbel-Plan für eine Vermögenssteuer von einem Prozent wird es dabei aber nicht bleiben. Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, erklärte denn auch den Kurs der SPD für eine Reichtumsbesteuerung sofort für richtig. Allerdings fordert die Linke eine vielfach höhere Besteuerung, die jährlich rund 80 Milliarden Euro einbringen soll. Die Linke spricht ganz konkret von einer Vermögensteuer von fünf Prozent auf alle Vermögen oberhalb von einer Million Euro.

Früher oder später wird man über eine Fusion von SPD und Linkspartei reden müssen.

Neue Zürcher Zeitung am Sonntag

Interessant: Die Neue Zürcher Zeitung am Sonntag sieht schon die Vereinigung von SPD und Linkspartei kommen. Die SPD müsse mit den Linken Themen und Wähler teilen, so das Schweizer Wochenblatt. Die Überschneidungen zwischen beiden Parteien seien so groß, dass es geradezu anstrengend sei, die Unterschiede deutlich zu machen: „Früher oder später wird man über eine Fusion von SPD und Linkspartei reden müssen.” Nur diesmal würde es keine Zwangsvereinigung sein wie in der DDR. (dpa/BK/H.M.)