Das Wichtigste zuerst: Es ist durchaus möglich, Moore zu renaturieren, die Tier- und Pflanzenvielfalt auf spröde Ackerflächen zurückzubringen. Das sieht man etwa am Hochwasserrückhaltebecken „Baierner Flecken“ im Donaumoos. Kleine Wassertümpel stauen sich dort am Boden zwischen den Gräsern, dazwischen sprießen lila Blumen hervor. Ein Kiebitz fliegt über die Fläche, schlägt mit den Flügeln. Es raschelt leise, wenn der Wind über Schilf und Rohrkolben streicht. Man hört Frösche quaken und Grillen zirpen.
Der Torfschwund
Seit dem Jahr 2010 wird das Becken am Rande der oberbayerischen Gemeinde Ehekirchen (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) nicht mehr landwirtschaftlich genutzt. „Die Natur holt sich den Flecken sehr schnell zurück“, sagt Michael Hafner, Geschäftsführer des Donaumoos-Zweckverbands. Das Donaumoos gilt als größtes Niedermoor Süddeutschlands. Hier laufen zahlreiche Maßnahmen, um das Moor vor dem Austrocknen zu bewahren. Dabei habe man einiges erreicht, sagt Hafner: „Vor 25 Jahren war hier kein Quadratmeter Naturschutzgebiet.“
Bis 1790 war das Donaumoos ein weitgehend unzugänglicher Sumpf mit einer Fläche von rund 180 Quadratkilometern. Ab dem Jahr 1790 wurde das Donaumoos systematisch durch die Anlage von fast 500 Kilometern Kanälen und Gräben entwässert und mit der Besiedlung und der landwirtschaftlichen Nutzung begonnen. Durch die folgende Austrocknung des Moores (Moorsackung) sowie durch das Jahrzehnte währende Torfstechen (vorwiegend als Brennstoff oder als Blumenerde) verlor das Donaumoos im Schnitt 3 Meter Auflage und mehr als 60 Quadratkilometer Moorfläche. Die Entwässerungsgräben wurden immer tiefer gegraben, bis die Höhe des Donau-Pegels dies unmöglich machte. Damit ging auch die Speicherfunktion bei Hochwasser verloren. 1997 wurde schließlich unter Einbeziehung aller Beteiligter ein Konzept zur Renaturierung erarbeitet, teilweise sogar Ackerflächen wiedervernässt. Aufstauversuche, um den Grundwasserstand im Torfkörper wieder anzuheben, den Abbau des Moorkörpers zu stoppen und ein Wachstum des Moores zu ermöglichen, werden wissenschaftlich untersucht und ausgewertet. Das „Haus im Moos“ in Kleinhohenried-Karlshuld, eine Umweltbildungsstation, informiert über das Donaumoos.
Ein Schwamm als Wasserspeicher
Der Moorschutz wird also schon seit vielen Jahren im Freistaat betrieben. Dennoch geht es vielen Mooren in Bayern nicht gut. Zu gravierend waren die vor rund 200 Jahren angefangenen Entwässerungsmaßnahmen. Und in der jüngeren Geschichte kam hinzu, dass auf den gewonnenen Flächen intensiv Landwirtschaft betrieben wurde. Teilweise wurden die Flächen auch bebaut.
Trocknet diese Torfschicht aus, verliert sie ihre Wasserspeicherfähigkeit.
Christine Margraf, BN
Erst seit den großen Hochwassern ab den 90er Jahren wurde auch vielen Bürgern die Bedeutung der Moore bewusst. Denn die Torfschicht der Moore funktioniert wie ein Schwamm – und weniger Torf speichert bei Regen weniger Wasser. Das habe fatale Folgen, sagt Christine Margraf vom Bund Naturschutz (BN) Bayern: „Trocknet diese Torfschicht aus, verliert sie ihre Wasserspeicherfähigkeit.“ Es kommt aber ein weiteres Problem hinzu: Der im Torf organisch gebundene Kohlenstoff geht als CO2 und Methan in die Luft, Stickstoff wird als Lachgas emittiert – alle drei hochwirksame Treibhausgase. Man gehe davon aus, dass intensiv genutzte Moore pro Jahr 5,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente freigeben, zitiert Margraf aus einem Bericht des Landesumweltministeriums – genauso viel wie alle bayerischen Raffinerien zusammen.
Mehr Renaturierung
Bis zu zehn Meter dick kann die Torfschicht in Bayern Margraf zufolge werden. Im Dachauer Moos, einem anderen Moor, sind es aber meist nur noch 30 bis 70 Zentimeter. Weil das Moor in der Boomregion um München liege, kämpfe man mit besonderen Herausforderungen, erklärt Robert Rossa, Geschäftsführer des Vereins Dachauer Moos. Um Schadensbegrenzung zu betreiben, setzt der Verein neben Renaturierung auf Umweltbildung: „Es ist wichtig, die Menschen für das Thema zu sensibilisieren und wieder mit der Natur vertraut zu machen“, so Rossa.
Im Murnauer Moos sieht das anders aus. Unter anderem wegen der Höhenverhältnisse in dem Moor am Alpenrand sei es schwierig, es zu entwässern, erklärt Peter Strohwasser vom Landratsamt Garmisch-Patenkirchen. Landwirte nutzten ihre Flächen also gezwungenermaßen extensiv – nämlich als Wiesen, die sie nur ein bis zwei Mal pro Jahr mähen. Unter anderem deshalb sei das Murnauer Moos das „am besten erhaltene Moor Mitteleuropas“, so Strohwasser.
Alternativen zur Landwirtschaft
Weil Landwirte ihre Äcker aber nicht überall in Wiesen umwandeln können, sucht man nach einem Kompromiss. Ein Ansatz ist das Projekt MOORuse. Weil nasser Moorboden für Kartoffel- oder Gemüseanbau nicht geeignet ist, bauen die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der Zweckverband im Donaumoos sogenannte Paludi-Kulturen an, erklärt Projektleiter Matthias Drösler. Das sind bestimmte Pflanzenarten wie Schilf oder Rohrkolben, die zu Dämmplatten verarbeitet werden können, zu Futter für Pferde oder als Torfersatz für den Garten. Oder man könne Energie gewinnen, indem man das Material verbrennt, so Drösler. „Es ist sehr spannend zu sehen, wie erträglich das sein wird.“ Bis 2021 läuft das Forschungsprojekt noch. Die Leistung der Landwirte müsste dann entsprechend honoriert werden.
Wenn die Menschen das Wort ‚Wiederverwässerung‘ hören, schrillen die Alarmglocken.
Robert Rossa, Verein Dachauer Moos
Die gesamte Verantwortung auf die Landwirte zu schieben, wäre ohnehin zu einfach. Rossa vom Verein Dachauer Moos sieht auch den Einzelnen in der Pflicht. „Wenn die Menschen das Wort ‚Wiederverwässerung‘ hören, schrillen die Alarmglocken“, sagt er. Groß sei die Angst, dass das Wasser die Keller überschwemmt und Mücken anlockt. Rossa wünscht sich mehr Offenheit. In den vergangenen Monaten, den Eindruck teilt Rossa mit Hafner, habe sich die Einstellung der Leute aber etwas geändert.
Ein Masterplan für die Moore
Schon seit vielen Jahren gibt es Förderung von verschiedensten Stellen, um das Mooresterben zu bekämpfen. Dazu gehört der „Masterplan Moore in Bayern“ des Umweltministeriums. Rund 17 Millionen Euro sind seit 2008 in die Renaturierung von Mooren investiert worden. So hat man Tier- und Pflanzenvielfalt geschützt sowie die Freisetzung von Unmengen von CO2 unterbunden. Und die Bemühungen sollen erweitert werden: Aufbauend auf dem „Klimaprogramm Bayern 2050“ soll die Renaturierung von Mooren verdreifacht werden.
Der Bund Naturschutz fordert attraktivere Förderprogramme für eine extensive Landwirtschaft, dazu ein Verbot, Moorböden als Acker zu nutzen, und Moorschutz auch von Seiten der EU-Agrarpolitik. Rossa vom Verein Dachauer Moos braucht mehr Mitarbeiter: „Es gibt zu wenig qualifiziertes Personal, das die Fördergelder verteilt und die Landwirte überzeugt.“ Letzteren sei der „Dschungel an Fördermaßnahmen“ oft gar nicht bekannt. Im neuen Gesetz zum Schutz der Artenvielfalt ist nun mit Wirkung vom 1. August „die weitere Entwässerung von Moorböden und ein weiterer Umbruch von Wiesen verboten“.
Moore in Bayern
Zunächst entstehen „Niedermoore“ durch die Verlandung offener Gewässer oder bei andauernd hohem Grundwasserstand. Bei genügend hohen Niederschlägen kann das Moor aus dem Grundwasserkörper heraus in die Höhe wachsen und ein häufig kuppenförmig ausgebildetes „Hochmoor“ bilden.
Einige Zahlen des Bayerischen Umweltministeriums:
– Die Moore Bayerns umfassen insgesamt eine Fläche von rund 220.000 Hektar.
– Seit 2008 wurden auf rund 1000 Hektar Moorfläche in Bayern Maßnahmen zur Renaturierung durchgeführt.
– Dafür und in die Begleituntersuchungen wurden mehr als 17 Millionen Euro investiert.
– Seit 2008 ist durch diese Maßnahmen ein positiver Klimaeffekt von rund 90.000 Tonnen CO2-Äquivalenten erzielt worden.
– Zwischen 150 und 250 Millionen Tonnen Kohlendioxid entziehen Moore der Atmosphäre weltweit jedes Jahr.