Koalition einigt sich bei der Grundsteuer
Nach monatelangen Debatten haben sich Union und SPD auf eine Reform der Grundsteuer verständigt. Wie Bayern es seit langem gefordert hat, erhalten bei der Neuregelung die Länder künftig Spielraum zur Ausgestaltung der Abgabe.
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Koalition einigt sich bei der Grundsteuer

Nach monatelangen Debatten haben sich Union und SPD auf eine Reform der Grundsteuer verständigt. Wie Bayern es seit langem gefordert hat, erhalten bei der Neuregelung die Länder künftig Spielraum zur Ausgestaltung der Abgabe.

Die Koalitionsspitzen von Union und SPD haben sich nach monatelangen Diskussionen auf eine Reform der Grundsteuer verständigt. Am frühen Montagmorgen gab es im Koalitionsausschuss in Berlin einen Kompromiss, der dem Vernehmen nach auch die vor allem von der CSU verlangte Einführung von Öffnungsklauseln für die Länder vorsieht. Die Länder bekämen damit Spielraum für Gestaltungsmöglichkeiten bei der Grundsteuer. Wie die Klausel genau aussehen soll, wurde nicht erläutert.

Damit kann Bayern die Grundsteuer einfach und unbürokratisch erheben sowie deutliche Steuererhöhungen und Mietpreissteigerungen verhindern.

Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident

Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder reagierte hochzufrieden auf die Einigung. „Die Geduld hat sich gelohnt: Der Kompromiss ist sehr gut für Bayern“, sagte Söder am Montag und betonte: „Erstmals hat ein Steuergesetz so deutliche Länderöffnungsklauseln.“

Bayern wird eigenen Weg gehen

„Damit kann Bayern die Grundsteuer einfach und unbürokratisch erheben sowie deutliche Steuererhöhungen und Mietpreissteigerungen verhindern“, sagte Söder. „Es zeigt sich: Wo ein Wille ist, ist am Ende auch ein Weg – das gilt für die ganze Groko.“ Söder und Bayerns Finanzminister Albert Füracker kündigten an, die Staatsregierung werde die Öffnungsklausel nutzen. Der bayerische Fiskus will die Grundsteuer künftig auf Basis der Grundstücksfläche berechnen. Der Wert eines Grundstücks soll anders als im Modell des Bundesfinanzministeriums keine Rolle spielen. Damit wird es für die Berechnung der Grundsteuer im Freistaat unerheblich sein, ob ein Grundstück in einer teuren Stadt oder auf dem Land gelegen ist. „In Bayern werden wir nun unser unbürokratisches Einfach-Grundsteuermodell umsetzen“, sagte Finanzminister Füracker.

Das Modell des Bundesfinanzministeriums war unter anderem von kommunalen Wohnungsgesellschaften, Wohnungsgenossenschaften und auch vom Münchner Mieterverein kritisiert worden. Da die Bodenpreise in den Großstädten in den vergangenen Jahren in die Höhe geschossen sind, gab es Befürchtungen, dass eine Einbeziehung der Bodenwerte in die Grundsteuer erheblich höhere Belastungen für die Mieter bedeutet hätte. Denn Hauseigentümer können die Grundsteuer auf die Mieter umlegen.

Weiter Streit um die Grundrente

Keine Einigung gab es dagegen beim Streitthema Grundrente. „Zur zielgenauen Ausgestaltung der Grundrente gibt es derzeit weiteren Gesprächsbedarf zwischen den Partnern“, hieß es nach gut sechsstündigen Beratungen. Die SPD will die Grundrente ohne, die Union mit Bedürftigkeitsprüfung – so wie es auch im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Für den Abbau des Solidaritätszuschlages sowie für Wohnen und Klimaschutz legte die Koalitionsspitze Fahrpläne vor.

Die erste Lesung zur Grundsteuerreform soll noch vor der Sommerpause des Bundestages Ende Juni stattfinden, so dass die Gesetzesreform – wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt – noch in diesem Jahr in Kraft treten kann.

Scholz gibt nach

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vergangene Woche überraschend angekündigt, dass die Regierung in dieser Woche mit großer Wahrscheinlichkeit einen Gesetzentwurf dazu vorstellen werde. Dem Vernehmen nach waren Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und das Land Bayern aufeinander zugegangen. Scholz hatte bisher Öffnungsklauseln für alle Bundesländer abgelehnt.

Der Vize-Kanzler setzte bisher für alle Bundesländer einheitlich auf ein wertabhängiges Modell, bei dem vor allem der Wert des Bodens und die durchschnittliche Miete eine Rolle spielen sollen. Bayern will ein Modell, bei dem sich die Höhe der Abgabe pauschal an der Fläche des Grundstücks orientiert. Das Bundesverfassungsgericht hatte wegen veralteter Bemessungsgrundlagen eine Neuregelung der Grundsteuer bis Ende 2019 verlangt.

Debüt für die neue SPD-Spitze

Der Koalitionsausschuss kam am Sonntagabend zusammen, um den Kurs der Koalition zu überprüfen. Union und SPD hatten angekündigt, nach der Europawahl und mit Blick auf die im Herbst anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen die bisherige Schwerpunktsetzung des Bundeshaushalts zu überprüfen.

Das Treffen diente auch zum Kennenlernen, hieß es. Denn nach dem Rücktritt von Andrea Nahles als Fraktions- und -Parteivorsitzende der SPD ist nun Rolf Mützenich kommissarischer Fraktionschef. Malu Dreyer, Manuela Schwesig sowie Thorsten Schäfer-Gümbel fungieren als Interims-Parteivorsitzende. CSU-Chef Markus Söder nahm wegen eines lange geplanten Urlaubs an dem Treffen nicht teil.

Zustimmung aus der Wirtschaft

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat die Einigung in der Bundesregierung auf eine Reform der Grundsteuer grundsätzlich begrüßt. „Es ist gut, dass die Hängepartie bei der Grundsteuer-Reform vorerst ein Ende hat“, teilte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang am Montag mit. Aber in der Sache liege noch viel Arbeit vor der großen Koalition. „Keinesfalls darf es für Industriegrundstücke zu realitätsfernen und bürokratischen Bewertungsregeln kommen.“ Auf jeden Fall müsse der Gesetzgeber die Berechnung der Grundsteuer auf Basis von Bodenrichtwerten korrigieren. „Sonst würde es für Industriegrundstücke oft völlig überhöhte Wertansätze geben – zum Beispiel in der Stadt oder bei großen Produktionsflächen. Hier muss eine unbürokratische Wertkorrektur möglich sein.“

Die weiteren Beschlüsse im Überblick:

-Solidaritätszuschlag: Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD hatten sich bei ihrer Klausurtagung in der vergangenen Woche bereits darauf verständigt, den Solidaritätszuschlag nun doch nur für 90 Prozent der Solizahler abzuschaffen – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen. Die Union wollte ihn zuletzt komplett streichen.

Die Koalition beauftragte nun die Bundesregierung, dem Bundestag bis Ende August einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Solidaritätszuschlages für rund 90 Prozent der Soli-Zahler durch eine Freigrenze vorzulegen. Dieser Schritt soll den bisherigen Plänen zufolge ab 2021 greifen. Der Fiskus würde damit auf rund zehn Milliarden Euro Steuereinnahmen pro Jahr verzichten, was etwa der Hälfte des heutigen Aufkommens aus dem Soli entspricht.

-Wohnen: Für bezahlbares Wohnen will die Koalition bis Ende August ein Paket vorlegen.

-Klimaschutz: Die Koalition will auf der Grundlage der Ergebnisse des Klimakabinetts in der zweiten Septemberhälfte „ein in ökologischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht tragfähiges Gesamtkonzept zur gesetzlichen Umsetzung der Klimaziele bis 2030 vorlegen“.

(dpa)