Wahlkampf nach der Wahl
EVP-Wahlkampfabschluss in München: Im Europa-Wahlkampf hat Manfred Weber 45.000 Kilometer zurück gelegt. Der Wahlsieg der EVP ist so gut wie sicher. Aber der richtige Wahlkampf beginnt dann erst − um die Kommissionspräsidentschaft.
Europawahl

Wahlkampf nach der Wahl

EVP-Wahlkampfabschluss in München: Im Europa-Wahlkampf hat Manfred Weber 45.000 Kilometer zurück gelegt. Der Wahlsieg der EVP ist so gut wie sicher. Aber der richtige Wahlkampf beginnt dann erst − um die Kommissionspräsidentschaft.

Lech Walesa hat etwas eigene Vorstellungen von der Europawahl: „Deutschland hat gute Chancen, die Europawahl zu gewinnen, den Kommissionspräsidenten zu stellen und Europa zu führen.” So sagt er es auf dem großen Wahlkampfabschluss von EVP, CDU und CSU in einer Halle der Münchner Messe. Polens ehemaliger Staatspräsident weiter: „Ich wünsche mir, dass auch Polen einmal die Wahl gewinnt und dann den Kommissionspräsidenten stellen kann. Aber jetzt hat es Deutschland verdient.”

Lech Walesas Europa

Schmunzeln im gut gefüllten Saal. Der Mythos Walesa darf eigene Vorstellungen von Europa haben. Denn es ist in gewisser Weise sein Europa, um das es am 26. Mai, am Wahlsonntag, geht. Walesa und seine Soldinarnosc-Gewerkschaft waren es, die in Polen das Ende der sowjet-kommunistischen Diktatur herbeiführten. Zusammen mit Papst Johannes Paul II., wie EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber wenig später in seiner letzten großen Wahlkampfrede hinzufügen wird.

Deutschland hat es verdient.

Lech Walensa, ehemaliger Staatspräsident der Republik Polen

Was erst zur Wiedervereinigung Deutschlands und dann Europas führte − Walesas Europa eben. Mit umso größerem Vergnügen wird der Friedensnobelpreisträger darum als gefeierter Überraschungsgast der großen, bunten EVP-Schlusskundgebung in München zugeschaut haben. Ein großes Stück EVP-Europa hatte sich da versammelt, um Manfred Weber den letzten Push für die letzten Wahlkampfstunden mitzugeben − und für das, was dann kommt.

45.000 Kilometer Wahlkampftour

Die Chancen sind gut, dass alles so kommt, wie Walesa sich erhofft. Aber 100-prozentig ist eben nichts. Nicht vor dem Wahltag und bei Europawahlen auch nicht sofort danach. Was sicher nicht am persönlichen Einsatz von Manfred Weber liegt. Der EVP-Spitzenkandidat hat vor seinem „Wahlkampffinale dahoam” am Freitag in München mehr als 45.000 Kilometer in Europa zurückgelegt, Tausende Menschen getroffen, in vielen Interviews für sich geworben, und das meist gut gelaunt und enthusiastisch für Europa.

Unser Europa ist ein Europa, das für Sicherheit steht.

Manfred Weber, EVP-Spitzenkadidat

„Jetzt geht es um ein großes Ziel: Wir müsse das Vertrauen in unseren Ländern bekommen”, sagt Weber am Ende seiner kurzen Rede. Seine Europäische Volkspartei (EVP) dürfte zwar wie erwartet nach dem Ende der Europawahl am Sonntag stärkste Fraktion im EU-Parlament sein. Und in dem Fall will Weber als Spitzenkandidat Anspruch auf den mächtigsten Brüsseler Posten erheben. Aber es gibt Hürden. Denn für Weber wird der Wahlkampf auch nach der Wahl noch lange nicht zu Ende sein.

Der Wahlkampf geht weiter − nach der Wahl

Die EVP wird die Wahl gewinnen. Das ist fast sicher. Aber Konservative und Sozialdemokraten werden zusammen keine Mehrheit mehr im Parlament haben. Die Sozialdemokraten mit ihrem Kandidaten Frans Timmermans hoffen, nur knapp hinter der EVP zu landen. Sie wollen dann ein „progressives Bündnis” gegen Weber zimmern. Für eine solide Mehrheit bräuchte Weber aber neben Sozialdemokraten auch Liberale und Grüne. Aber sofern sich die Parteien zusammenraufen, wird jede nur an den eigenen Kandidaten denken. Da stehen spannende Fraktionsrechnungen bevor.

Wir kämpfen für dich, auch nach dem Sonntag.

Markus Söder, Ministerpräsident Bayern

Auch CSU-Chef Markus Söder ist sich dessen bewusst: „Progressive Mehrheiten sind linke Mehrheiten”, sagt er zum Wahlkampfabschluss. „Wir wollen aber kein linkes Europa, wir wollen ein bürgerliches Europa.” Daher ende der Wahlkampf nicht nach der Schließung der Wahllokale. „Er geht dann erst richtig los. Wir kämpfen für dich, auch nach dem Sonntag”, ruft Söder und setzt noch einen drauf: „Es ist patriotische Pflicht, am Sonntag für Bayern zu votieren.”

Problem Emmanuel Macron

Vor allem die Liberalen werden sich zieren. Ihre ALDE-Fraktion hat sich aufgelöst. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will die Liberalen um seine Partei La république en marche (LRM) herum neu und stärker gruppieren. Aber Macron lehnt eben die Forderung der großen Parlamentsfraktionen ab, dass nur einer ihrer Spitzenkandidaten Kommissionschef werden soll. Macron will, dass die Staats- und Regierungschefs auswählen dürfen. EVP, Sozialdemokraten und Grüne sehen sich am längeren Hebel: Denn am Ende muss eben das Parlament den Kommissionschef bestätigen.

EVP-Chef Joseph Daul fasst das in München so zusammen: „Das Parlament, das sind die Bürger Europas, die am Sonntag zur Wahl gehen.” Für sie müsse Weber so schnell wie möglich Kommissionschef werden. Und sollte das nicht reichen, vertraue die EVP auf die „kluge Führung” von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Angela Merkel eisern hinter Weber

Das könnte klappen. Denn Merkel stellt sich in München klipp und klar hinter Weber. „Ich werde mich mit allem, was ich kann, dafür einsetzen”, verspricht sie in München. Weber sei „der richtige Mann für unsere Zeit: Wir brauchen Brückenbauer und nicht Spalter.” Merkel weiter: „Die EVP als stärkste Fraktion und Manfred Weber als Kommissionpräsident. Das ist das Ziel, da will ich hin.”

Manfred Weber als Kommissionpräsident. Das ist das Ziel, da will ich hin.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Macron wird es also schwer haben, im Rat der Staats- und Regierungschefs. In jedem Fall aber muss Weber nach der Wahl am Sonntag möglichst schnell eine Mehrheit hinter sich scharen. Und Fakten schaffen. Im Parlament und eben im Rat. Bevor die Staats- und Regierungschefs am Dienstagabend bei einem Sondergipfel über die EU-Personalien beraten.

Zagreb und Sofia hoffen auf Weber

Was klappen könnte. Das zeigte sich in München. Wo sich zum Wahlkampfabschluss eben auch eine Reihe Staatschefs versammelte, auf die Weber im Rat sicher zählen kann. „Wir sind das zuletzt beigetretene EU-Mitglied”, sagte Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenković. „Wir wissen, dass Europa gut ist für unsere Nation und für unsere Wirtschaft.” Sein Appell an die Wähler: „Stimmen Sie für ein starkes, einiges Europa. Dafür steht die EVP, dafür steht Manfred Weber.”

Ich hoffe, Du wirst keine doppelten Standards zulassen.

Bojko Borissow, Ministerpräsident Bulgarien

Auf Bulgariens Ministerpräsident Bojko Borissow kann sich Weber auch verlassen. Borissow erwartet dafür allerdings auch etwas von seinem Kommissionspräsident in spe: Bulgariens Aufnahme unter die Länder des Schengen-Raums und der Reisefreiheit ohne Grenzkontrollen. Er hat Weber in Bulgarien gezeigt, wie erfolgreich das Land seine See- und Landgrenzen absichert. „Null illegale Migration”, garantiert er in München. Amüsant: Der Schutz der Grenze mit der Türkei sei kein Problem, sagt er. „Wir haben eher ein Problem im Schengen-Raum – und mit der Grenze zu Griechenland.” Borissow zu Weber: „Ich hoffe, Du wirst keine doppelten Standards zulassen.”

Starkes Symbol für ein demokratisches Europa.

Zu Webers Getreuen gehört auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. Eigentlich hatte er persönlich nach München kommen wollen. Der FPÖ-Skandal und die Regierungskrise in Wien haben das verhindert. Per Video stellt er sich aber klar hinter Weber: „Ich bin fest überzeugt, dass Du der beste Kommissionspräsident bist. Wir müssen alles dazu tun.”

Du bist der beste Kommissionspräsident.

Sebastian Kurz, Bundeskanzler Österreich

Natürlich weiß auch der Stratege Weber um die gebotene Eile. Und erklärt noch einmal, worum es dabei für Europa geht: „Wenn es zum ersten Mal in der Geschichte Europas gelingt, dass ein frei gewählter Abgeordneter Kommissionspräsident wird, wie es im Bundestag normal ist (…), wenn das jetzt in Europa gelingen würde, wäre das ein starkes Symbol für ein demokratisches Europa in der Hand der Menschen.” (dpa/BK/H.M.)